St.Gallen

Das Toggenburg denkt die Wirtschaft neu

Das Toggenburg denkt die Wirtschaft neu
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Mit einem Pilotprojekt will die OST – Ostschweizer Fachhochschule in St.Gallen Massnahmen für die Kreislaufwirtschaft im ländlichen Raum erarbeiten und umsetzen. Das vom Kanton St.Gallen mitfinanzierte Projekt dauert vier Jahre. Als Pilotregion haben die Verantwortlichen das Toggenburg gewählt.

Text: pd

Unsere Reise startet in Uzwil im unteren Teil des Toggenburgs. Vorbei geht’s am Hauptsitz des global tätigen Technologiekonzerns Bühler, vorbei auch am Sitz des Textilmaschinenherstellers Benninger. In Jonschwil treffen wir auf die Thur, die sich vom Säntis herkommend durch das Toggenburg schlängelt und bei Flaach in den Rhein mündet.

Vorbei an Bazenheid, wo der Fleischvermarkter Micarna der Migros seinen Sitz hat. Lütisburg, Bütschwil, Lichtensteig. Das wirtschaftliche Herz des Toggenburgs. Hier ein KMU, dort etwas Baugewerbe. Je näher wir an die Churfirsten kommen – dieser markanten Bergkette, die wie Zähne in den Himmel ragt –, desto grüner wird es.

Nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum

Doch darum geht es bei unserer Reise nicht. Zwar spielt die Landwirtschaft in der Bioökonomie und damit auch in der Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle. Weil sie aber bereits durch den Bund gefördert wird, liegt der Fokus für einmal auf dem sekundären und tertiären Sektor.

«KLEO – Kompetenzcluster ländliche Entwicklung – heisst das interdisziplinäre Netzwerk der OST – Ostschweizer Fachhochschule, das 2022 in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren aus dem Toggenburg gegründet wurde», erklärt Andreas Schneider, Professor am IRAP Institut für Raumentwicklung der OST, am Kickoff-Event in der Kalberhalle von Lichtensteig. Ziel von KLEO sei es, mit Hilfe des an der OST vorhandenen Sach- und Methodenwissens «nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum zu fördern.»

Einzigartiges Projekt

Vier Jahre soll das Pilotprojekt dauern, das im Rahmen der Neuen Regionalpolitik von Bund und Kanton St.Gallen mitfinanziert wird. Und schon bei Projektstart steht fest, dass es weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgen wird.

«Während es in städtischen Agglomerationen bereits viele Projekte zur Förderung der Kreislaufwirtschaft gibt, blieb der ländliche Raum bislang weitgehend unbeachtet. Auch in Österreich gibt es keine vergleichbaren Projekte. Einzig in Deutschland hat sich das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im vergangenen Jahr in einem Positionspapier dazu geäussert», sagt Co-Gesamtprojektleiter Schneider.

  

Toggenburg erneut im Rampenlicht

Es ist nicht das erste Mal, dass das Toggenburg Beachtung findet. Lichtensteig entwickelt aktuell seinen Bahnhof in einem Reallabor zum Mobilitätshub. Und der Verein Energietal Toggenburg sorgte vor 15 Jahren für Aufsehen, als er ankündigte, bis 2034 ein energieautarkes Tal anzustreben und dafür 2014 den Schweizer Solarpreis erhielt.

Nun ist das Energietal Toggenburg – zusammen mit der Region Toggenburg und dem Macherzentrum – als Kooperationspartner bei KLEO wieder dabei Schlagzeilen zu schreiben.

Unternehmen beteiligen sich

Auch für die vier Themen Industrie, Gastro & Tourismus, Engineering und Pflege haben sich bereits erste Unternehmen gemeldet – unter anderem die Bürstenfabrik Ebnat AG, die Innovative Sensor Technologie AG aus Ebnat Kappel, Güntensperger Käse aus Bütschwil, die Biobäckerei Schenks Manufaktur aus Wildhaus, die Wattwiler Gebäudetechnik AG Bichler und Partner und das Pflegeheim Hofwis in Mosnang.

«Wir wollen mit allen Partnern einen Dialog auf Augenhöhe. Nur so finden wir zukunftsfähige Lösungen», sagt Co-Gesamtprojektleiter Timo Oliveri vom Zentrum für Gemeinden, das zum «IGD Institut für Gender und Diversity» der OST gehört.

«Wir analysieren die Stoffkreisläufe der Partnerunternehmen und der Region, leiten Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft im ländlichen Raum ab und setzen diese sogleich mit unseren Partnerunternehmen und -organisationen um», erklärt Oliveri. «Gleichzeitig bauen wir in Lichtensteig einen Kreislaufwirtschafts-Hub auf, der während dem Projekt und über das Projektende hinaus Anlaufstelle für kreislaufwirtschaftswillige regionale Unternehmen und Organisationen sein soll.»

Hohe Erwartungen

Am Kickoff-Event sind die Erwartungen hoch. «Nachhaltigkeit ist bei Ebnat kein Modetrend, sondern eine über Jahrzehnte gepflegte Werthaltung. Der Wandel in Richtung einer nachhaltigeren Gesellschaft freut uns sehr und zeigt uns, dass wir mit unseren Grundsätzen auf dem richtigen Weg sind», findet Ebnat-CEO Michele Vela.

Für den Geschäftsführer der Region Toggenburg, Daniel Blatter, ist die Kreislaufwirtschaft ein Schlüssel, um wohnen, leben und arbeiten im Toggenburg in Einklang zu bringen. Und für Reto und Marcel Güntensperger, die wohl innovativsten Käser der Schweiz, gehört das Denken in Kreisläufen als Familienunternehmen mit Tradition seit 1868 zur Selbstverständlichkeit.

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Es gibt noch viel zu tun

Einig ist man sich am Kickoff-Event aber auch, dass noch viele Grundlagen erarbeitet werden müssen. Wie sehen die lokalen und regionalen Stoffflüsse aus? Was weiss man über die demografische Entwicklung? Es sind Daten, die im ersten Schritt detailliert erhoben werden müssen.

In verschiedenen Workshops soll auch dafür gesorgt werden, dass alle Beteiligten stets den gleichen Wissensstand haben. Gleichzeitig soll ein Know-how-Transfer stattfinden – auch für weitere ländliche Regionen im Kanton St.Gallen und darüber hinaus, erklärt Co-Gesamtprojektleiter Timo Oliveri. Und möglicherweise auch für Regionen im Ausland…

Remo Rusca ist für das Toggenburg eine Art von Markenbotschafter. Der Transformationsgestalter (Smart Identity GmbH) ist Mitglied des KLEO-Projektteams, er sagt mit Blick auf das Toggenburg: «Das Projekt hat Pioniercharakter. Für unsere Region ist es etwas Besonderes!»

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