St.Gallen

«Wenn man schnell ist, dauert es zehn Jahre»

«Wenn man schnell ist, dauert es zehn Jahre»
Von links: Ueli Strauss, Ralph Etter, Anne Rombach, Ralph Dietsche (Moderator), Claudio Winter, Reto Friedauer, Beat Tinner und Matthias Hutter
Lesezeit: 5 Minuten

Am 21. Februar fand der alljährliche «Rheintal Dialog Politik & Wirtschaft» bei der SFS in Heerbrugg statt. Erneut glänzte der Anlass mit hochkarätiger Besetzung. Darunter: Ueli Strauss (Strauss-Raumentwicklung), Ralph Etter (Leiter AREG), Beat Tinner (Regierungsrat), Anne Rombach (GL Regio Wil) und Reto Friedauer (Präsident Verein Agglomeration Rheintal).

Text: Fabian Alexander Meyer

In einer zweistündigen Podiumsdiskussion tauschten sich die Vertreter aus Politik und Wirtschaft zur drängenden Frage «Wirtschaftliche Entwicklung – Steuerung über die Raumplanung?» aus. Nach einzelnen Vorträgen rund um spezifische Themen liess man den Abend in einer grossen Podiumsdiskussion ausklingen. Doch der Reihe nach:

Standortförderung als Herausforderung

FDP-Regierungsrat Beat Tinner eröffnete den Abend: «Es ist einfach und schnell, einen Kredit über zehn Millionen Franken abzusetzen, aber sobald es um die wirklich wichtigen Fragen wie Viehschauen geht, dauert es ewig. Ich habe heute bereits mit Marc Mächler gesprochen. Fürs nächste Mal machen wir wieder einen solchen Aufhänger, damit die anderen Traktanden schnell vorbei sind.» Das war natürlich scherzhaft gemeint.

Zurück zum Thema: Tinner sprach über die Chancen der Arealentwicklungen und welche Herausforderungen diese für die kantonale Standortförderung bedeuten. Man sei sich der Aufgabe bewusst, aber die Umsetzung sei nicht einfach, denn die gesellschaftlichen Ansprüche würden immer grösser. «Wir müssen gemeinsam den Wirtschaftsstandort St.Gallen stärken. Das Ziel ist es, die heutige Beschäftigtenzahl von 1:2 nachhaltig auf 1.2:2 anzuheben.»

Doch das sei leichter gesagt als getan, so Tinner: «Die Verfahrensabläufe und die Bereitstellung von Material sind sehr zeitaufwendig. Auf der anderen Seite ist aber auch die Zuführung nicht konstant gut.» Als Lösung: Ressourcen stärken und ständige Gespräche mit den Grundeigentümern. Ausserdem würde auch eine Vorlage zur Bodenpolitik ausgearbeitet.

Regierungsrat Beat Tinner, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements
Regierungsrat Beat Tinner, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements

Das Rheintal stärken

Gleichzeitig ist Beat Tinner auch das Rheintal ein besonderes Anliegen. «Durch die Grenznähe gibt es viele Grenzgänger, die beispielsweise vom Vorarlberg zu uns zur Arbeit kommen. Daher haben wir eine Absichtserklärung unterschrieben, um dem öffentlichen Verkehr mehr Schub zu geben.» Konkret sollen unter anderem die Schienen und das Busnetz ausgebaut werden. 

«Schliesslich gibt es im Rheintal viele attraktive Arbeitsplätze und Unternehmen.» Die Erhöhung des Pendlerabzuges hierbei sei «keine Innovation! Ich habe mich bewusst zurückgehalten, da es eine Steuerdebatte ist». Man arbeite mit Ostwind an attraktiven Angeboten, bei denen unter anderem Freizeitangebote integriert werden sollen.

Bereits jetzt gibt es ein sogenanntes Job-Ticket. Arbeitnehmer können im Monats- oder Jahresabomodell durch verschiedene Zonen innerhalb Vorarlberg und der Schweiz reisen. Beziehen können es Personen aus Österreich mit Arbeitsplatz in der Schweiz.

  

Viel ungenutzte Baufläche

Auf den heissblütigen Redner Tinner folgte ein wesentlich geerdeter Ralph Etter: Er sprach unter anderem darüber, wie viel – rein theoretisch – ungenutzte Baufläche es im Rheintal gibt. Konkret: Von rund 50 Hektar Mengenreserven aus Gewerbe und Industrie sind gerade einmal 18 Hektar Betriebsreserve. Und zwölf könnte man per sofort verwenden. 

Das ist eine ganz schöne Menge, wenn man bedenkt, dass derzeit rund 432 Hektar Land im Rheintal genutzt werden. Davon kamen alleine zehn Hektare in den vergangenen zehn Jahren dazu.

Ralph Etter (Leiter Amt für Raumentwicklung und Geoinformation St.Gallen) zu kantonalen Abläufen und Verfahren
Ralph Etter (Leiter Amt für Raumentwicklung und Geoinformation St.Gallen) zu kantonalen Abläufen und Verfahren

Herbe Niederlage für Wil West

Das Projekt «Wil West» wird vielen noch ein Begriff sein. Beschäftigt es die Bevölkerung doch schon seit geraumer Zeit. Anne Rombach, Geschäftsstellenleiterin von Regio Wil, war am Abend ebenfalls zugegen und brachte den Zuschauern das Projekt näher.

«Wil West ist ein interkantonales Projekt. Konkret bedeutet das, dass die Stadt Wil und die angrenzenden Gemeinden Münchwilen und Sirnach – getrennt durch eine Autobahn – zu einem grossen Wirtschaftsstandort zusammengeschlossen werden.»

So sollen unter anderem neue Arbeitsplätze geschaffen werden – 2000 bis 3000 könnten es sein. «Ausserdem soll es zwei neue Bahnhöfe geben. Einer für die Frauenfeld-Wil-Bahn und einer für die Bahn Richtung Weinfelden.»

Dem ambitionierten Projekt stand jedoch eine herbe Enttäuschung im Haus. Ein Sonderkredit für Wil West scheiterte 2022 am Stimmenmehr. Die Enttäuschung bei den Befürwortern war gross. Beat Tinner warf ein: «Beim Kantonsrat haben wir gedacht, dass der Sonderkredit angenommen wird. Aber anscheinend wussten die Leute zu wenig Bescheid. Im Nachhinein hätten wir vermutlich mehr Klinken putzen und die Leute aufklären sollen.» Doch davon lässt sich das Projekt nicht abbringen. «Wir machen weiter und treiben es voran», so Anne Rombach.

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Anne Rombach (Geschäftsstellenleiterin Regio Wil) zum Projekt Wil West
Anne Rombach (Geschäftsstellenleiterin Regio Wil) zum Projekt Wil West

«Wenn man schnell ist, dauert es zehn Jahre»

Ueli Strauss von Strauss-Raumentwicklung aus Wittenbach hatte aber mit Abstand das heisseste Gemüt. Wenn er sich nicht gerade über Bundesbern ausliess, kommentierte er gewohnt bissig die aktuelle Bürokratie im Kanton. «Überall ist man heute dem öffentlichen Recht unterstellt. Die Verwaltung von damals funktioniert heute nicht mehr», stellt er fest. Es geht um die Planung und Bewilligung von Arbeitszonen.

Zwischendrin dann wieder ein kurzer Erguss über unsere Politiker: «Den Sche***, den man in Bern macht … Und bei Normen löscht‘s mir ab … Der Gewässerschutz ist ein rotes Tuch für mich.»

Und weiter gehts mit Zahlen und Fakten rund um die Planung und Bewilligung. «Ich arbeite seit 25 Jahren in der Raumentwicklung. Wenn man als Firma derzeit Betriebsreserven hat, sollte man damit sehr haushälterisch umgehen. Denn eine neue Arbeitszone zu bekommen in der heutigen Zeit, ist nicht mehr einfach.» Tatsächlich sei die Erschliessung einer solchen Zone ein sehr langwieriger Prozess. «Wenn man schnell ist, dauert das zehn Jahre!»

Grund dafür seien immer mehr Normen, die generelle Zurückhaltung des Kantons, die Angst vor Fehlern und auch die Präjudiz für andere Fälle. Was kann man also als Unternehmer machen, wenn man in der heutigen noch expandieren will? Man sollte von Tag eins an einen kompetenten Berater an der Seite haben, Vorleistungen erbringen, auch gewisse Risiken eingehen, den Kanton und die Gemeinde(n) einbeziehen, so Strauss.

Ueli Strauss von Strauss-Raumentwicklung zur Planung und Bewilligung von Arbeitszonen
Ueli Strauss von Strauss-Raumentwicklung zur Planung und Bewilligung von Arbeitszonen

«Ein Bagger, der Druck macht»

In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden den Anwesenden verschiedene Fragen rund um das Thema Bauen und Wirtschaft gestellt.

Den Anfang machte Matthias Hutter von Casainvest. Ob die Nachfrage nach Umnutzungen grösser werde aufgrund des Dichtestresses, fragte ihn Ralph Dietsche. «Wir suchen nach Alternativen. Die wirtschaftliche Nutzung muss jeweils erhalten bleiben. Gleichzeitig muss es im Einklang mit der Umwelt sein – und die Gemeinden werden in die Lösungsfindung einbezogen.»

Beat Tinner ist überzeugt: «Um die Wirtschaftlichkeit des Rheintals beizubehalten, müssen wir neue Betriebe in den Kanton holen. Inland first, anschliessend können ausländische Betriebe akquiriert werden. Die Zeit der grossen Anlagen ist vorbei.»

Reto Friedauer empfiehlt, wie man am besten ein Bauvorhaben durchsetzt: «Damit das Bauvorhaben oder generell das Vorhaben vorwärtsgeht, braucht es einen Bagger, der Druck macht.» Also jemanden, der das Projekt mit Leib und Seele vorantreibt.

Anne Rombach: «Ob man sich die Akzeptanz der Bevölkerung für Wil West nach einer solchen Absage (2022) noch holen kann? Ja! Es gibt noch Optimierungspotenzial, aber wir geben nicht auf. Ausserdem ziehen wir unsere Lehren aus dem Ergebnis.»

  
Reto Friedauer (Präsident Verein Agglomeration Rheintal) zum aktuellen Stand des Agglomerationsprogramms Rheintal
Reto Friedauer (Präsident Verein Agglomeration Rheintal) zum aktuellen Stand des Agglomerationsprogramms Rheintal

Der Elefant im Raum – wie sieht das Rheintal in 100 Jahren aus?

Beat Tinner: «Ich bin überzeugt davon, dass der Verkehrsfluss besser sein wird. Der Eine oder Andere wird auf den ÖV umgestiegen sein. Ausserdem haben wir hier viele innovative Firmengründer und sind die zweitwichtigste Exportregion der Schweiz. Diesen Geist müssen wir mitnehmen.»

Claudio Winter (SFS): «Wir müssen uns weiterentwickeln. Und nein, unser Windkraftwerk steht dann nicht mehr, das ist für ca. 20 Jahre gedacht.»

Anne Rombach: «Ich nehme das Rheintal von aussen als sehr innovativ wahr und bin überzeugt, dass es auch weiterhin florieren wird.»

Ueli Strauss: «Die Arbeitsplätze werden nicht mehr so sein wie früher. KI wird vieles verändern. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass wir weiterhin florieren und uns immer weiterentwickeln werden.»

Damit geht ein spannender und lehrreicher Abend zu Ende, mit vielen Erkenntnissen für alle Teilnehmer. Wird damit das Problem «schwieriges Bauen» gelöst? Höchstwahrscheinlich nicht, aber es ist ein guter Anfang, auf dem man in der Lösungsfindung aufbauen kann.

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