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«Viele Förderangebote sind KMU noch zu wenig bekannt»

«Viele Förderangebote sind KMU noch zu wenig bekannt»
Thomas Rautenstrauch
Lesezeit: 5 Minuten

Hohe Zinsen, geopolitische Unsicherheiten und sinkende Margen erschweren vielen Ostschweizer KMU die Investitionsplanung. Welche Fehler Unternehmen jetzt vermeiden sollten und welche alternativen Finanzierungswege es gibt, weiss Professor Dr. Thomas Rautenstrauch vom IFL Institut für Finance und Law an der OST.

Thomas Rautenstrauch, wie stark spüren KMU in der Ostschweiz die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen?
Die Ostschweizer Unternehmenslandschaft ist stark durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt, die in ihrer Finanzierungstradition fest mit dem klassischen Hausbankmodell verbunden sind. Diese KMU bekommen die seit Mitte 2022 gestiegenen Kreditzinsen deutlich zu spüren – vor allem bei Betriebskrediten, die kurzfristig aufgenommen werden und stark von der aktuellen Zinspolitik beeinflusst sind. Zwar hat die Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank im März 2025 ein gewisses Aufatmen ermöglicht, aber für kurzfristige Kredite bleibt die Entwicklung volatil. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass Zinsanpassungen künftig schneller und häufiger geschehen könnten.

Gibt es bestimmte Finanzierungsformen, die durch das aktuelle Zinsniveau besonders unter Druck geraten?
Ja, insbesondere kurzfristige Betriebskredite zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen geraten unter Druck. Diese sind stärker von kurzfristigen Zinserhöhungen betroffen und lassen sich schwer planen. Im Gegensatz dazu bestehen für langfristige Kredite, etwa zur Finanzierung von Investitionen über zwei oder mehr Jahre, aktuell vergleichsweise stabile und auch günstige Bedingungen – vorausgesetzt, das Unternehmen kann entsprechende Sicherheiten wie Immobilien vorweisen. In diesen Fällen lassen sich Investitionen durchaus realisieren, allerdings bleibt das Umfeld insgesamt von grosser Unsicherheit geprägt.

Inwiefern hemmt diese Unsicherheit konkret die Investitionsbereitschaft der KMU?
Der Zins allein ist nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr ist es die Summe mehrerer Faktoren, die sich auf die Investitionsdynamik auswirkt. Eine aktuelle Umfrage im Rahmen des Raiffeisen KMU PMI zeigt, dass mehr als 60 Prozent der exportierenden KMU ihre Investitionen für das laufende Jahr zurückfahren wollen. Die Gründe sind vielfältig.

Bergsprint Walzenhausen  ProOst 2025  

«Ich würde empfehlen, alternative Quellen gezielt zu prüfen.»

Nennen Sie uns bitte einige davon.
Neben der Zinssituation spielen vor allem globale Unsicherheiten eine Rolle – etwa die handelspolitischen Spannungen, neue Strafzölle in den USA und die instabile weltpolitische Lage. Besonders betroffen ist die MEM-Branche, die für die Ostschweiz von grosser Bedeutung ist. Hier berichten rund 51 Prozent der Unternehmen von stagnierenden oder gar rückläufigen Margen. Das erschwert die Eigenmittelbildung und damit die Voraussetzung für Investitionen zusätzlich.

Was sind typische Fehler, die KMU derzeit im Umgang mit Finanzierung und Liquiditätsplanung machen?
Ein häufiger Fehler ist das zu späte oder gar fehlende Planen von Investitionsvorhaben. Viele Unternehmen gehen zu wenig strukturiert an Finanzierungsfragen heran. Dabei ist es gerade in einem herausfordernden Umfeld wichtig, Projekte sorgfältig vorzubereiten. Dazu gehört ein klar strukturierter Businessplan ebenso wie belastbare Rentabilitätsberechnungen. Wer hier überzeugend auftritt, hat deutlich bessere Chancen auf gute Konditionen – gerade bei langfristigen Krediten. Gleichzeitig beobachten wir, dass Betriebskredite häufig zweckentfremdet werden – etwa zur Finanzierung von Investitionen.

Das ist allerdings ziemlich riskant, oder?
Ja, weil sich dadurch ein sogenanntes Fristenproblem ergibt: Die Laufzeit des Kredits passt nicht zur Kapitalbindung der Investition. Das erhöht das Risiko bei Anschlussfinanzierungen, vor allem wenn sich das Zinsniveau weiter verändert. Der Grundsatz der Fristenkongruenz – also der zeitlichen Übereinstimmung zwischen Finanzierung und Investition – gilt nach wie vor als zentrales Prinzip zur Vermeidung finanzieller Schieflagen. 

Was können Unternehmen tun, um sich bei der Finanzierung breiter aufzustellen und unabhängiger von klassischen Bankkrediten zu werden?
Die Mehrheit der Ostschweizer KMU verlässt sich traditionell auf klassische Bankkredite. Das ist nachvollziehbar, aber es lohnt sich, den Finanzierungsmix zu erweitern. Möglichkeiten bieten etwa Leasingmodelle oder hybride Finanzierungen, bei denen Eigenmittel, Fördermittel und Kredite kombiniert werden. Gerade für Jungunternehmen oder KMU mit innovativen Projekten kann auch Eigenkapital von Risikokapitalgebern oder Stiftungen eine Option sein. Organisationen wie die Stiftung Startfeld etwa unterstützen Startups in der Region nicht nur finanziell, sondern auch mit Know-how und Netzwerken. Der Zugang zu solchen Kapitalquellen ist zwar anspruchsvoller, aber er kann helfen, strategisch wichtige Projekte voranzubringen, ohne die Liquidität zu überstrapazieren.

Welche Rolle spielen alternative Finanzierungsinstrumente wie Crowdfunding oder öffentliche Förderprogramme?
Eine sehr wichtige – und leider oft unterschätzte. Viele KMU wissen schlicht zu wenig über die Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen. Nehmen wir als Beispiel die Innosuisse, die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung. Sie fördert nicht nur Startups oder Hochschulprojekte, sondern auch KMU, die konkrete Innovationsvorhaben planen. Ein weiteres Beispiel ist der Technologiefonds, der Bürgschaften für KMU bietet, die mit innovativen Lösungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen. Solche Instrumente sind vielfach vorhanden – werden aber von vielen Entscheidungsträgern nicht wahrgenommen. Es lohnt sich, sich hier gezielt zu informieren oder Beratung in Anspruch zu nehmen.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang eine vorausschauende Finanzplanung?
Extrem wichtig. Gerade im aktuellen Umfeld mit unklarer Zinsentwicklung ist es entscheidend, den eigenen Finanzbedarf langfristig zu planen und Szenarien zu entwickeln. Unternehmen mit variablen Zinssätzen oder kurzfristigen Kreditverträgen laufen sonst Gefahr, durch plötzliche Zinsanpassungen in Schieflage zu geraten. Das kann sich negativ auf den Cashflow auswirken und im schlimmsten Fall die Rentabilität gefährden. Wer hingegen frühzeitig plant und mit verschiedenen Finanzierungspartnern arbeitet, kann Risiken abfedern und sich handlungsfähig halten.

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Wie sollen KMU konkret vorgehen, wenn grössere Investitionen anstehen? Ist Warten derzeit die bessere Strategie?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. In manchen Fällen, etwa bei akuter Unsicherheit oder eingeschränkter Liquidität, kann ein Abwarten sinnvoll sein. In anderen Situationen – etwa bei Investitionen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben – sollte man handeln. Wichtig ist, dass die Investition strategisch begründet und betriebswirtschaftlich fundiert ist. In solchen Fällen empfiehlt sich oft eine Kombination verschiedener Finanzierungsquellen: zum Beispiel Eigenmittel, Fördergelder, Bürgschaften und langfristige Kredite. Auch Partnerschaften, etwa mit Branchenverbänden oder Hochschulen, können helfen – sei es beim Zugang zu Fördermitteln oder zur Stärkung der Verhandlungsmacht gegenüber Finanzierungsgebern.

Was raten Sie einem Ostschweizer KMU, das trotz der aktuellen Herausforderungen nachhaltig wachsen möchte?
Das Thema Finanzierung breiter zu denken und alternative Quellen gezielt zu prüfen. Dazu zählen beispielsweise Crowdlending-Plattformen, Factoring, öffentliche Förderprogramme oder kantonale Stiftungen. Gleichzeitig sollten Unternehmen strategische Partnerschaften aufbauen – nicht nur innerhalb der Branche, sondern auch mit Forschungseinrichtungen wie der OST. Der Zugang zu praxisnahen Forschungsprojekten, zu steuerlich geförderten Innovationsbudgets oder einfach zu aktuellem Know-how kann in einem schwierigen Umfeld entscheidende Vorteile bringen. Es gilt, aktiv zu bleiben und die verfügbaren Ressourcen konsequent zu nutzen.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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