Stimmvolk will Leistungs- statt Giesskannenprinzip
Die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» (99%-Initiative) wollte Kapitaleinkommensteile über einem gewissen Schwellenwert im Umfang von 150 Prozent besteuern. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell zeigt sich erfreut, dass die Initiative von Stimmbevölkerung und Ständen am heutigen Abstimmungssonntag klar abgelehnt wurde. In den Ostschweizer Kantonen war der Nein-Anteil mit 69 Prozent und mehr besonders hoch.
Sachliche Argumente überwiegen Klassenkampf-Rhetorik
Die Stimmbevölkerung hat damit der Klassenkampf-Rhetorik der Jungsozialisten eine klare Abfuhr erteilt und stattdessen sachliche Argumente höher gewichtet. Tatsächlich hätte ein Ja zur Initiative eine breite Betroffenheit der Mittelschicht zur Folge gehabt: Start-ups, Kleinanleger, Eigenheimbesitzer, Landwirte, KMU – sie alle wären potenziell von einer erhöhten Steuerbelastung betroffen gewesen. «Gerade hinsichtlich der Bewältigung der Corona-Krise wäre eine finanzielle Mehrbelastung der KMU derzeit kontraproduktiv und stünde im Widerspruch zu den Milliarden an staatlichen Hilfszahlungen», zeigt sich IHK-Direktor Markus Bänziger erleichtert über das Abstimmungsresultat. Dieses sei auch als klares Bekenntnis zum Leistungsprinzip als Erfolgsfaktor für unsere Gesellschaft zu verstehen: «Arbeit und Leistung müssen sich lohnen, nur so sind das Bildungssystem, die Infrastruktur oder die Sozialversicherungswerke nachhaltig zu finanzieren.»
Kein Handlungsbedarf bei Vermögensverteilung und Steuersystem
Mit dem klaren Nein anerkennt die Stimmbevölkerung überdies, dass weder bei der Vermögensverteilung noch beim bestehenden Steuersystem Handlungsbedarf besteht. Die Vermögen der Schweizer Bevölkerung wachsen seit Jahren bei stabiler Verteilung, und auch die Verteilung von Arbeit und Kapital am gesamtwirtschaftlichen Einkommen ist stabil. Beim Steuersystem ist der Handlungsbedarf ebenfalls nicht gegeben: Die Schweiz kennt ein System mit einer ausgewogenen Kapitalbesteuerung. Diese umfasst eine mittlere bis hohe Dividendensteuer, eine – im internationalen Vergleich unübliche – Vermögenssteuer und eine progressive Einkommenssteuer, die auch Kapitalerträge erfasst. «Die einkommensstärksten und vermögendsten natürlichen Personen leisten deshalb bereits heute einen stark überproportionalen Beitrag an die Steuereinnahmen», so Markus Bänziger.
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Finanzhilfen für Unternehmen umsetzen und zurückfahren
Die IHK St.Gallen-Appenzell begrüsst überdies die überaus deutliche Zustimmung der St.Galler Stimmbevölkerung zum «Gesetz über die wirtschaftliche Unterstützung von Unternehmen in Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie». Die gesetzliche Grundlage ist für verschiedene Unternehmen relevant: Nur so ist sichergestellt ist, dass der Bund sich an der Finanzierung der Härtefallmassnahmen beteiligt. Auch in der Wirtschaft müsse man aber rasch wieder zur Devise «Leistungs- statt Giesskannenprinzip» zurückkehren, ist IHK-Direktor Markus Bänziger überzeugt: «Die finanziellen Stützungsmassnahmen von Bund und Kantonen müssen so rasch wie möglich, sukzessive und vollständig zurückgefahren werden.»