Ostschweiz

Ostschweizer Wirtschaft in guter Verfassung, Abkühlung erwartet

Ostschweizer Wirtschaft in guter Verfassung, Abkühlung erwartet
Die Unternehmen berichten von einer guten Geschäftslage, der Stimmungsbarometer fällt aber unter die wichtige Marke von 100 Punkten
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Die Ostschweizer Wirtschaft präsentiert sich weiterhin in guter und stabiler Verfassung. Die externen Belastungsfaktoren nehmen allerdings zu. Für die kommenden Monate rechnen die Unternehmen branchenübergreifend deshalb mit einer Abkühlung der wirtschaftlichen Entwicklung. Das zeigt die aktuelle Analyse des Konjunkturboards Ostschweiz.

Die Ostschweizer Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage seit nunmehr eineinhalb Jahren mehrheitlich als gut bis sehr gut. «Die Auftragslage ist vielversprechend, die Erwartungen an die kommenden Monate sind hingegen zurückhaltend», fasst Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der IHK St.Gallen-Appenzell, das aktuelle Stimmungsbild in der Ostschweizer Wirtschaft zusammen.

Exemplarisch zeige sich dies im verarbeitenden Gewerbe: Die Ostschweizer Industrieunternehmen berichten derzeit von einer deutlich besseren Geschäftslage als in der Zeit vor der Corona-Pandemie.

Bei den Erwartungen zum Bestellungseingang, zum Vorprodukteeinkauf oder zur Produktion zeigt sich aber eine Abflachung. Die Lieferketten-Situation bleibt angespannt, insbesondere im Maschinen- und Fahrzeugbau.

In den weiteren Industriezweigen haben die Probleme zuletzt leicht abgenommen. Dies sei einerseits auf zusätzliche Kapazitäten in der Transportbranche zurückzuführen, andererseits auf eine nachlassende globale Güternachfrage, so Riss.

Baugewerbe und Detailhändler solide

Im Baugewerbe hat sich die Ertragslage ausgehend von einem hohen Niveau zuletzt leicht verschlechtert. Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte bei der St.Galler Kantonalbank, meint mit Blick auf die Umfragewerte: «Die Nachfrage wird sich im Baugewerbe rückläufig entwickeln.» Ein wesentlicher Treiber hierfür sind die gestiegenen Baupreise, sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau. Die unsichere Zinsentwicklung belastet die Stimmung im Baugewerbe zusätzlich.

Der Detailhandel zeigt sich derweil weiterhin robust. Preisbereinigt haben sich die Umsätze zuletzt konstant entwickelt. Für die nächsten Monate äussern sich die Detailhändler mehrheitlich verhalten optimistisch, wobei insbesondere die Erwartungen für den Verkauf bei Lebensmitteln stützend wirken.

  

Hotellerie verzeichnet mehr Übernachtungen als vor Corona

Das Gastgewerbe zeigt sich über zahlreiche Indikatoren hinweg sehr zufrieden. Die Ostschweizer Hotellerie vermeldete zuletzt wieder mehr Übernachtungen als vor der Pandemie.

«Neben dem anhaltend hohen Inlandtourismus sind auch wieder vermehrt ausländische Gäste anzutreffen», sagt Schiffhauer. So überstieg in der Region St.Gallen-Appenzell die Anzahl Logiernächte im ersten Halbjahr 2022 das Vorkrisenniveau im selben Zeitraum um 6.2 Prozent (gegenüber minus 10.0 Prozent für die Gesamtschweiz).

Belastungsfaktoren nehmen zu

Ausgehend von einem hohen Niveau kühlt sich die konjunkturelle Stimmung branchenübergreifend ab. «Dies widerspiegelt sich im Stimmungsbarometer, der für die Kernregion Ostschweiz erstmals seit März 2021 unter 100 Punkten notiert und somit auf eine unterdurchschnittliche Entwicklung hindeutet», erklärt Riss.

Dafür sorge ein breites Bündel an externen, destabilisierenden Faktoren: Steigende Materialkosten, höhere Leitzinsen, sowie geopolitische Risiken wirken dämpfend.

Hinzu komme in Europa die Angst vor einem Energieengpass im Winter: «Ein Grossteil der Ostschweizer Unternehmen verortet in einer Strommangellage weitreichende bis existenzbedrohende Risiken», so Riss.

Starker Franken wird zur Belastung

Auch der starke Schweizer Franken wird zunehmend wieder zur Belastung für die international vernetzte Ostschweiz. Durch die Aufwertung gegenüber dem Euro leidet die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem europäischen Raum, auch wenn vergleichsweise niedrige Inflationsraten hierzulande den Aufwertungseffekt mindern.

Ein weiterer Belastungsfaktor bleiben die steigenden Kosten für Vorprodukte und Energie. Die Mehrheit der Ostschweizer Unternehmen geht von weiteren Preissteigerungen aus, insbesondere in der Industrie und im Grosshandel. In Kombination mit einer sinkenden Nachfrage wird es für viele Unternehmen zunehmend schwieriger, die höheren Kosten vollständig an den Endkunden weiterzugeben.

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Lage am Arbeitsmarkt relativiert eingetrübte Konsumentenstimmung

Die Preisentwicklungen schlagen sich gleichwohl in der Konsumentenstimmung nieder. Der Index notiert national betrachtet auf einem Allzeit-Tief. Die Auswirkungen für den Detailhandel oder das Gastgewerbe dürften durchaus spürbar sein.

«Die negative Konsumentenstimmung sollte indes nicht überinterpretiert werden, erst recht ist daraus keine tiefgreifende Wirtschaftskrise abzuleiten», so Schiffhauer. Er verweist unter anderem auf die Lage am Arbeitsmarkt mit hoher Beschäftigung und grosser Arbeitsplatzsicherheit, wodurch wiederum der private Konsum gestützt werde.

Denn ein historischer Arbeitskräftemangel und die hohe Arbeitsplatzsicherheit sind deutliche Anzeichen eines Arbeitnehmermarkts. Das stützt wiederum den privaten Konsum.

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