Ostschweiz

US-Zölle bremsen Ostschweizer Industrie – Binnenwirtschaft hält dagegen

US-Zölle bremsen Ostschweizer Industrie – Binnenwirtschaft hält dagegen
IHK-Chefökonom Jan Riss
Lesezeit: 5 Minuten

Eine aktuelle Analyse des Konjunkturboards Ostschweiz zeigt: Die neu eingeführten US-Zölle treffen die exportorientierte Industrie der Region hart, insbesondere die Tech-Branche. Während Auftragsrückgänge und Margendruck drohen, sorgt die robuste Binnenwirtschaft mit stabilem Konsum für etwas Entlastung.

 

Text: PD/stz.

Die zusätzlichen US-Zölle verschärfen die Lage in der exportorientierten Ostschweizer Industrie erheblich. Insbesondere Teile der Tech-Branche werden in den kommenden Monaten mit Auftragsrückgängen und schwierigen Preisverhandlungen konfrontiert sein. Für die binnenorientierten Branchen erweist sich der private Konsum weiter als wichtiger Stützpfeiler.

Die neu verhängten Importzölle der US-Regierung auf den Grossteil der Schweizer Produkte treffen die exportabhängige Ostschweiz hart. Dabei steht die hiesige Industrie bereits seit geraumer Zeit unter Druck. Der Bestand an Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland – wird als klar zu tief eingeschätzt.

Im Juni fiel die Geschäftslage in der Ostschweizer Industrie auf den tiefsten Stand seit der Covid-Pandemie. Zwar zeigte die Produktionsauslastung im zweiten Quartal leichte Anzeichen einer Verbesserung. Mit der Einführung der US-Zusatzzölle haben sich die Hoffnungen auf eine allgemeine konjunkturelle Aufhellung jedoch wieder zerschlagen.

Industrie: Zölle kommen zu einem Zeitpunkt mit bereits tiefer Auslastung

Zu den US-Zusatzzöllen von 39 Prozent hinzu kommt, dass sich der US-Dollar seit Anfang Jahr gegenüber dem Schweizer Franken um mehr als 10 Prozent abgewertet hat. Der Grossteil der Schweizer Produkte hat sich damit in den USA innert weniger Monate um rund 50 Prozent verteuert.

«Solche Preisaufschläge sind selbst für Innovationsführer und hochspezialisierte Nischenanbieter, wie sie in der Ostschweiz verbreitet sind, nur schwer durchsetzbar», schätzt IHK-Chefökonom Jan Riss ein. Gleichzeitig verlieren Schweizer Exporteure gegenüber jenen aus der EU, wo ein allgemeiner Zollsatz von 15 Prozent gilt, schlagartig an Wettbewerbsfähigkeit.

Ostschweizer Industrie besonders exponiert

Die konkrete Betroffenheit von den US-Zöllen ist stark unternehmensabhängig. Dennoch ist für die Ostschweiz von einer überdurchschnittlichen Exposition auszugehen. Ostschweizer Unternehmen exportierten im vergangenen Jahr Waren im Umfang von insgesamt über 16 Milliarden Franken. Knapp 15 Prozent davon entfielen auf die USA, welche nach Deutschland der zweitwichtigste Einzelzielmarkt sind. Rund die Hälfte der Ausfuhren stammt aus der Tech-Industrie, wo kaum Zollausnahmen gelten und die neuen Zusatztarife vollumfänglich greifen.

«Rund jeder zehnte Ostschweizer Exportfranken wird mit 39 Prozent Zusatzzoll belastet», sagt Roman Elbel, Konjunkturexperte bei der St.Galler Kantonalbank. Ein bedeutender Anteil dieser Exporte ist wiederum auf Investitionsgüter zurückzuführen. «Diese Güter sind insofern besonders betroffen, als die anhaltende Unsicherheit das Investitionsklima stark belastet», so Elbel.

Erzielt die Schweiz nicht bald eine nachhaltige Einigung mit den USA, dürften die Auswirkungen für einige Betriebe einschneidend sein. Insbesondere für hierzulande produzierende KMU mit hoher US-Exposition, von denen es in der Ostschweiz zahlreiche gibt, sind Auftragsausfälle, Überkapazitäten und ein starker Margendruck zu erwarten.

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Auch indirekte Bremseffekte

Von den Zöllen betroffen sind neben direkten Exporten in die USA auch Lieferungen von Vorleistungen in die EU. «Das Zollabkommen zwischen den USA und der EU schafft zwar eine fragile Planungssicherheit», so Roman Elbel. «Der Bremseffekt dürfte aber auch im EU-Raum beträchtlich sein.» So zeigt eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer, dass 58 Prozent von über 3300 befragten Unternehmen in Deutschland durch das Abkommen weitere Belastungen erwarten – bei Unternehmen mit direktem US-Geschäft sind es sogar 74 Prozent.

Statt einer Entlastung bringe das Abkommen der deutschen Industrie demnach deutlich höhere Zölle, zusätzliche Bürokratie sowie sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Für Ostschweizer Zulieferbetriebe sind dies ernüchternde Signale, nachdem sich die Stimmung im wichtigen Abnehmermarkt Deutschland zuletzt etwas verbessert hatte.

Privater Konsum wirkt stützend

Die Entwicklungen rund um die US-Handelspolitik werden auch an den inländisch orientierten Unternehmen in der Schweiz nicht spurlos vorbeigehen. So berichteten bereits im Juli neun von zehn Schweizer Grosshandelsunternehmen, die auf Maschinen, Ausrüstungen und Zubehör ausgerichtet sind, von einer zu tiefen Nachfrage. Insgesamt zeigt sich die Binnenkonjunktur aber weiterhin robust.

Die Geschäftslage im Detailhandel wird von den Ostschweizer Unternehmen positiv beurteilt. Insbesondere das Geschäft mit Konsumgütern wie Kleidung und Lebensmitteln lief gemäss Unternehmensrückmeldungen zuletzt besser. Die Ostschweizer Hotellerie erreichte mit knapp 472’000 Logiernächten im zweiten Quartal nahezu den Höchststand vom Jahr 2022.

«Auch dank der Frauen-Fussball-EM war die Stimmung im Gastgewerbe in der Hostregion St.Gallen zuletzt gut», sagt Jan Riss. Der private Konsum wirke in den binnenmarktorientierten Branchen weiterhin stützend: «Der robuste Arbeitsmarkt sowie die tiefe Teuerung beeinflussen Kaufkraft und Konsumverhalten positiv.»

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Optimistisch in die nähere Zukunft
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Eigenmietwert: Bei Abschaffung sind im Baunebengewerbe Vorholeffekte zu erwarten

Im Ostschweizer Baugewerbe berichten die Unternehmen von einer leichten Eintrübung der Geschäftslage. Weitere Indikatoren deuten aber auf eine insgesamt robuste Entwicklung hin. Die Auftragsreichweite bleibt weiter hoch. Stützend auf die Bautätigkeit wirkt die Kombination aus günstigen Finanzierungsbedingungen und einer anhaltend starken Nachfrage nach Wohnraum, während die verschärften Eigenmittelvorschriften einen hemmenden Effekt haben.

Die Unternehmen des Baunebengewerbes blicken zudem gespannt der Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts vom 28. September 2025 entgegen. Nimmt die Schweizer Stimmbevölkerung die Vorlage an, könnten Personen mit einem Eigenheim ihre Unterhaltskosten künftig nicht mehr steuerlich in Abzug bringen. Jan Riss: «Bis zum Inkrafttreten wäre daher mit Vorzieheffekten und einer vorübergehend erhöhten Sanierungs- und Renovationstätigkeit zu rechnen.»

Geschäftslage neutral, Abwärtsrisiken erheblich

Über alle Branchen betrachtet bewegte sich der Geschäftslageindikator für die Ostschweiz zuletzt im neutralen Bereich. Der Abwärtstrend, der Mitte 2022 einsetzte, schien gestoppt. Der Stimmungsbarometer tendierte im Juli in der Ostschweiz nach oben.

Allerdings wurden die zugrunde liegenden Daten und Umfragewerte im Juli erhoben, und damit vor Ankündigung und Inkraftsetzung der neuen US-Importzölle. Die Abwärtsrisiken sind in der Zwischenzeit erheblich gestiegen.

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