Kann künstliche Intelligenz Landwirten zu normalen Arbeitszeiten verhelfen?

Text: PD/stz.
Rektor Daniel Seelhofer betonte in seiner Eröffnungsrede, dass sich die OST nicht erst seit dem KI-Hype mit dem Thema beschäftigt: «Mehr als 20 unserer Forschungsinstitute setzen KI heute aktiv ein oder entwickeln damit konkrete Lösungen für unsere Forschungspartner. Unsere Rolle als Fachhochschule ist es dabei, die Brücke zwischen Spitzenforschung und konkreter Anwendung von KI zu schlagen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben einen grossen Unterstützungsbedarf bei der Entwicklung von KI-Lösungen, um im Wettbewerb mithalten zu können.»
Neben der KI-Forschung sieht Seelhofer die Fachhochschulen auch in der KI-Ausbildung in einer Schlüsselrolle: «In allen unseren Studiengängen verfolgen wir das Ziel, dass jede Absolventin und jeder Absolvent – unabhängig von der Fachrichtung – lernt, welche Möglichkeiten sich durch KI bieten und wie sie sich einsetzen lässt.»
Unterstützung aus der Politik
Die St.Galler Regierungsrätin Bettina Surber nahm diesen Ball in ihrer Ansprache auf, hob die Bedeutung der OST für die Ostschweiz hervor und sicherte der Hochschule trotz anstehender finanzieller Herausforderungen die Unterstützung des Kantons zu: «Die OST ist nicht nur Ausbildungsstätte und Forschungsstandort, sondern auch eine Impulsgeberin in unserem Ringkanton. Sie hilft mit ihrer Innovationskraft im Bereich der künstlichen Intelligenz, unsere Zukunft zu sichern.»
Guido Schuster, Leiter des Interdisciplinary Center for Artificial Intelligence (ICAI) an der OST, zeigte auf, wie tief KI bereits an der OST verankert ist: Seit 2008 wird die Grundlage für heutige Anwendungen gelegt. Als gerade die ersten Smartphones auf den Markt kamen, wurde in den Studiengängen an der OST bereits Mustererkennung gelehrt – die Basis für künstliche Intelligenz. Seit 2021 ist KI in allen Studiengängen integraler Bestandteil.
«Jeder Physiotherapeut bei uns hat einen fundierten Einblick in Data Science erhalten, es gibt keinen Studiengang mehr ohne Module für künstliche Intelligenz – das gibt es so an keiner anderen Fachhochschule», so Schuster. Die breite Bevölkerung wird dank der IT-Bildungsoffensive des Kantons ebenfalls berücksichtigt: In der Seminarreihe «KI für alle» wird das an der OST erarbeitete Wissen allen Interessierten vermittelt.
Tiefe Einblicke in zahlreichen Fachvorträgen
In den folgenden Fachvorträgen und mehreren Video-Einspielungen konnte sich das Publikum davon überzeugen, wie vielfältig künstliche Intelligenz an der OST zum Einsatz kommt. Mit der Smart-Eating-App präsentierte Informatik-Professorin Mitra Purandare ein Projekt, das aufzeigt, wie personalisierte Ernährung künftig aussehen kann.
Die App analysiert Ernährungsgewohnheiten, berücksichtigt Allergien, Vorlieben und gesundheitliche Zielsetzungen – und erstellt auf dieser Basis individuelle Speisepläne mitsamt Einkaufslisten und Rezepten. Die Idee dahinter: Menschen zu unterstützen, sich im Alltag gesünder, nachhaltiger und bewusster zu ernähren – ohne auf Genuss zu verzichten.
Simone Stürwald vom Institut für Bau und Umwelt zeigte, wie mithilfe künstlicher Intelligenz neuartige Betonrezepturen entwickelt wurden. Diese enthalten deutlich weniger Zement, was den CO₂-Fussabdruck der Betonproduktion erheblich reduzieren kann. Das KI-gestützte Optimierungsverfahren ermöglicht es, Betonmischungen zu kreieren, deren Eigenschaften – etwa Festigkeit oder Emissionsbilanz – gezielt auf die Anforderungen einzelner Anwendungen abgestimmt sind. «Damit eröffnet sich ein neues Zeitalter für die nachhaltige Betonherstellung, und wir verbessern dabei auch noch gleichzeitig unsere Klimabilanz», so Stürwald.
Auch im Bereich der Pflege wurde die Wirkung von KI sichtbar: Ein filmischer Beitrag stellte ein digitales Assistenzsystem vor, das Angehörige von pflegebedürftigen Menschen entlastet. Der Chatbot, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Stadt St.Gallen, greift auf eine umfangreiche Datenbank von Unterstützungsangeboten zu und kann – abgestimmt auf die jeweilige Pflegesituation – passende Informationen liefern. Damit ersetzt die Technologie zwar keine menschliche Betreuung, bietet aber eine wertvolle Hilfe in belastenden Lebensphasen, in denen Betroffene oft Orientierung suchen.
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Bessere Sportprofis mit KI-Training
Hannes Badertscher vom ICAI stellte ein weiteres eindrucksvolles Projekt vor, das in Zusammenarbeit mit den Rapperswil-Jona Lakers entstand. Ziel war es, die Spielintelligenz unter hoher körperlicher Belastung zu verbessern. Gemeinsam mit den Physiotherapie-Experten der OST entwickelte das ICAI ein KI-basiertes Trainingssystem, das kognitive Reaktionen unter physischem Stress misst und die Schwierigkeit eines KI-gesteuerten Exergames adaptiv anpasst.
Ein begleitender Film zeigte, wie die KI die Spieler permanent beobachtet, deren Leistungsgrenze erkennt und das Training individuell anpasst. Die Resultate sind messbar: Nachweislich treffen die Spieler nach solchen Trainingsphasen schnellere und bessere Entscheidungen unter Druck. Inzwischen ist das System fixer Bestandteil im Trainingsalltag der Lakers.
Beat Tödtli, Dozent am Institut für Informations- und Prozessmanagement der OST, thematisierte in seinem Beitrag den kritischen Umgang mit Sprachassistenten und persönlichen Daten. Was einst vielversprechend begann, hat sich laut Tödtli zwar technisch durchgesetzt – aber nicht im Sinne der Selbstbestimmung der Nutzer.
Viele Menschen hätten angesichts der unübersichtlichen Datenflüsse, die sie mit ihren intelligenten Geräten teilen, resigniert. Sein Lösungsvorschlag: ein digitales Datenkonto, das die eigenen Informationen schützt, Transparenz schafft und es Nutzern ermöglicht, selbst vom Wert ihrer Daten zu profitieren, statt sie den grossen Techkonzernen gratis zur Verfügung zu stellen.
Ein gesellschaftlich besonders relevanter Beitrag kam von Mandy Falkenreck vom Institut für Soziale Arbeit und Räume an der OST. Sie präsentierte ein KI-basiertes System, das kindliche Sprache besser verstehen soll – ohne sie aus der Erwachsenenlogik heraus zu verzerren. Denn gerade bei Kindern sei das Risiko hoch, dass Erwachsene ihre Aussagen fehlinterpretieren. Die eingesetzte KI hilft, sprachliche Muster in Kinder- und Jugendsprache zu analysieren und dadurch partizipative Prozesse auf Augenhöhe zu ermöglichen – ein wichtiger Schritt, um Kinderrechte ernsthaft umzusetzen.
Landwirtschaft der Zukunft
Ein visionäres Zukunftsbild zeichnete Dejan Seatovic, Leiter des Instituts für Intelligente Systeme und Smart Farming an der OST. In einem Film wurde gezeigt, wie moderne Agrarroboter durch KI immer mehr heute aufwändige Arbeiten autonom übernehmen können – etwa das Bewässern von Pflanzen oder die Bekämpfung von Schädlingen und Unkraut.
Kleinere technische Startschwierigkeiten bei der Vorführung eines aktiven Forschungsroboters zeigten: Das Potenzial von KI-gesteuerten Robotern in der Landwirtschaft ist riesig, erfordert aber auch noch einige Forschungs- und Entwicklungsarbeit, bevor sie zuverlässig in der Praxis auf dem Feld funktionieren.
Die beiden Podiumsdiskussionen, moderiert von SRF-Journalist Florian Inhauser, zeigten: KI ist nicht nur ein technisches Thema. Fragen zu Ethik, gesellschaftlicher Verantwortung, Regulierung und Transparenz wurden intensiv diskutiert. Ob bei der Auswertung kindlicher Lebensrealitäten oder bei der Kontrolle persönlicher Daten – die Studiengänge und Forschungsinstitute der OST wenden KI heute nicht nur an, sondern entwickeln damit neue Lösungen.
Oder in den Worten von Smart-Farming-Professor Seatovic: «Wäre es nicht schön, wenn Landwirte in Zukunft dank durch KI gesteuerter Roboter-Helfer auch normale Arbeitszeiten hätten und in den Urlaub fahren könnten? Für viele Familien in Landwirtschaftsbetrieben ist das heute unmöglich.»