Ostschweiz

Ein Wasserfall mit Feedbackschlaufen

Ein Wasserfall mit Feedbackschlaufen
Die «One Hundred Rules for NASA Project Managers» aus den 1990er-Jahren werden noch heute befolgt. Für den Bau von Raketen mögen sie berechtigt sein. In der Wirtschaftswelt hingegen ist agiles Projektmanagement gefragt
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Arbeit findet heute vor allem im Rahmen von Projekten statt. In einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen (VUKA)-Arbeitswelt sind klassische Projektmanagement-Tools out, sagt Lukas Scherer, Leiter des Instituts für Organisation und Leadership (IOL) an der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Der Weg von A nach D führt über B und C. Das ist klassisches Projektmanagement, das in Phasen organisiert ist. «Es startet immer mit der Erstellung und Verabschiedung eines verbindlichen Lasten- und Pflichtenhefts. So hat jede der sich anschliessenden Projektphasen einen vordefinierten Start- und Endpunkt mit eindeutig definiertem Ergebnis. Dabei gehen die Phasenergebnisse wie bei einem Wasserfall immer als bindende Vorgaben in die nächsttiefere Phase ein», erklärt Lukas Scherer, Leiter des Instituts für Organisation und Leadership (IOL).

Wann genau die ersten Projektmanagement-Modelle nach dem Konzept A-B-C-D entstanden, ist nicht mehr nachvollziehbar; vermutlich war es in den 1930er-Jahren beim Bau des Hoover-Dam in den USA und später– in den 1960er-Jahren – die Verfeinerung beim Raumfahrtprogramm Apollo.

Projekte sind nicht linear

Heute, in der schnelllebigen VUKA-Welt, sind klassische Projektmanagement-Tools immer weniger gefragt. «Der Weg von A nach D verläuft nur auf dem Papier linear», sagt Nicole Bischof, Professorin für Organisation und Leadership an der OST. «In der Realität begegnet man auf dem Weg Hindernissen, die man zeitnah lösen muss.»

Anstelle der Milestone B und C baue das agile Projektmanagement Feedbackschleifen ein: «Statt im Voraus einen festen Projektplan zu erstellen, arbeitet ein selbstorganisiertes Team aus fachlich unterschiedlichen Experten in kurzen Zyklen. Es wird regelmässig ein erweitertes Produkt ausgeliefert und Feedback für die folgende Entwicklung eingeholt», erklärt OST-Professorin Nicole Bischof am Beispiel des Management-Tools «Scrum», das in den 1990er-Jahren an der University of California in Berkeley entwickelt wurde und von der Softwareentwicklung inspiriert ist.

Auch in der Ostschweiz werde dieses agile Projektmanagement schon von vielen Unternehmen angewendet – beispielsweise von der Beratungsfirma CSP, natürlich von Abraxas aber auch die St.Galler Raiffeisenbank setzt diese Methode ein.

  

Halbherzige Konzepte scheitern

«Im Unternehmenskontext versteht man unter agilem Projektmanagement das flexible, proaktive Reagieren auf gesellschaftlichen Wandel. Es bedeutet aber auch, in volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Netzwerken, schnelle Lösungen und Produkte zu entwickeln», ergänzt OST-Professor Lukas Scherer.

Eine besondere Rolle komme dabei den projektleitenden Coaches zu. Für die angesehene «Zeitschrift für Führung und Organisation» haben Bischof und Scherer anhand von zwei Fallbeispielen untersucht, weshalb auch erfahrene Projektmanagement-Berater häufig scheitern und welche Lehren aus den Fehlern gezogen werden können.

«Zumeist wurden schnelle Reorganisationen angestossen, ohne dass die jeweiligen Manager davon überzeugt und begeistert waren», schreiben Bischof und Scherer. «Wenn halbherzige Konzepte übergestülpt werden, macht sich das ‹Not-invented-here-Phänomen› breit und damit sinkt die Akzeptanz für den Change.»

Konkret: «Die jeweils verantwortlichen Managertypen hatten zu wenig Leidenschaft, um den Wandel wirklich konsequent zu initialisieren, die Mitarbeiter zu mobilisieren sowie die Wandlungsaktivitäten konsequent zu implementieren und diese durchzusetzen.»

Das agile Manifest

Für Managementspezialist Lukas Scherer ist klar: «Agiles Projektmanagement ist für Situationen geeignet, in denen schnell und bei knappen Ressourcen mit den Mitarbeitern innovative Lösungen gesucht und gefunden werden müssen.»

Und die beiden Fallbeispiel – beides anonymisierte Ostschweizer Unternehmen – zeigten deutlich, dass die vier Grundsätze aus dem «agilen Manifest» Allgemeingültigkeit hätten: Individuen und Interaktionen haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen; funktionsfähige Produkte haben Vorrang vor ausgedehnter Dokumentation; Zusammenarbeit mit den Kunden hat Vorrang vor Vertragsverhandlungen und das Eingehen auf Änderungen hat Vorrang vor strikter Planverfolgung.

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Qualität gehört (auch) zum agilen Denken

Für den Unternehmenserfolg spielt neben den beiden Faktoren Zeit und Kosten auch die Qualität eine entscheidende Rolle; die Balance zwischen diesen drei Komponenten wird deshalb in der Fachliteratur als «magisches Dreieck» bezeichnet.

Darf Agilität also vor Qualität gehen? «Viele klassische Qualitätsmanagementsysteme kommen mit der neuen Geschwindigkeit einfach nicht mehr mit», sagt IOL-Leiter Lukas Scherer. Trotzdem stehe Agilität und Qualität nicht zwingend im Widerspruch. So müsse in der VUKA-Welt, in der rasche Anpassungen an Veränderungen notwendig seien, Agilität zwingend ein Bestandteil von Qualität sein.

Scherer zitiert auch hier einen Leitsatz aus dem agilen Projektmanagement, der das Qualitätsbewusstsein gut umschreibe: «Der Kunde, die Kundin ist wichtiger als der Vertrag.»

Text: Michael Breu, OST

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