Die Könige, die Fürsten und das Fussvolk – ein Wirtschaftsmärchen über Turnaround, Transformation & andere königliche Disziplinen

Text: Paul Beerli, Verwaltungsrat, Beerligroup AG
Doch wie geht ein König – Entschuldigung, CEO – eigentlich vor, wenn das Reich modernisiert werden muss? Holt er das Schwert heraus? Oder doch eher PowerPoint?
Die alten Könige hatten ein klares Verständnis von Macht: Wer widersprach, verlor Kopf oder Kragen. Die modernen Monarchen im Massanzug setzen lieber auf Mitarbeiterbefragungen. Klingt harmlos, ist aber politisches Parkett pur. Denn wenn der CEO nach unten horcht, meint er selten den Maschinenlärm. Er will wissen, welche Informationen aus dem Volk (alias: Belegschaft) in seine königlichen Pläne einfliessen sollten – oder zumindest den Anschein erwecken, es wäre so.
Die Regionalfürsten schlagen zurück
Doch selbst wenn der CEO denkt, er hätte das Zepter in der Hand – in manchen Königreichen regieren die Regionalfürsten. Bestes Beispiel: die Migros. Der damalige Chef Fabrice Zumbrunnen wollte die zehn regionalen Genossenschaften zu mehr Einheit zwingen. Ein Königreich, ein Wille, ein Plan. Doch die Fürsten waren stur. Sie regieren lieber ihre eigenen kleinen Reiche – mit eigenen Regeln, eigenen Meinungen und eigenem Tempo. Das Ende vom Lied: Zumbrunnen ging – und die Fürsten blieben.
Veränderung ist kein Excel-Sheet, sondern ein Drama in mehreren Akten. Wer glaubt, Change Management liesse sich durch KPIs steuern, hat wahrscheinlich auch geglaubt, dass der Brexit geordnet verlaufen würde.
Denn Veränderung ist emotional. Auch Regionalfürsten – sprich Geschäftsführer von Tochtergesellschaften- haben Angst. Sie sind unsicher. Sie spüren, dass ihre gewohnte Welt wackelt – selbst wenn der Gewinn noch glänzt. Der rationale Plan des Verwaltungsrates trifft auf das emotionale Echo der Linienchefs. Und wenn der Ton nicht stimmt, hilft auch die beste Strategie nichts.
Der Drei-Stufen-Plan des Turnarounds: Ein Drittel, ein Drittel, ein Drittel
So liest sich das Drehbuch jedes klassischen Turnarounds:
- Ein Drittel der Belegschaft ist begeistert, motiviert, will mitziehen. Das sind die Helden der neuen Ära. Sie tragen Hoodies statt Rüstungen, aber sie kämpfen tapfer.
- Ein Drittel nickt, sagt Ja, macht aber nur das Nötigste. Das sind die neutralen Schafe im Sturm. Sie hoffen, dass es vorbeigeht.
- Das letzte Drittel? Nun, das sind die Rebellen. Die sagen laut oder leise: «Das war schon immer so.» Manche blockieren, manche boykottieren, manche beten um die Rückkehr des alten Chefs.
Und was macht die Führung? Richtig – sie holt das Schwert aus der Scheide: Trennung vom letzten Drittel. Klingt hart, ist aber notwendig, sagt das Management. Denn Widerstand kostet Zeit, Geld – und Nerven. Und keine dieser Ressourcen ist im Turnaround üppig vorhanden.
Das Volk: Die gefährlichsten Mitarbeiter?
Laut Gallup-Studie sind rund 20% der Mitarbeiter nicht engagiert – also geistig längst im Sabbatical. Und wenn genau diese Gruppe plötzlich voller Vorschläge ist, sollte man skeptisch werden. Nicht jeder stille Wasserfall bringt frisches Quellwasser.
Ein Turnaround ist wie ein Tanz auf dem Minenfeld. Wer zu langsam ist, fliegt raus. Wer zu schnell ist, überfordert das Team. Und wer zu nett ist, verliert die Kontrolle.
Doch wie führt man in solchen Zeiten richtig?
- Nicht jeder muss alles wissen – aber keiner darf sich übergangen fühlen.
- Nicht alles kann im Konsens entschieden werden – aber Ignoranz ist keine Tugend.
- Nicht jeder Vorschlag muss umgesetzt werden – aber jede Meinung verdient Gehör.
In den Vorzimmern der Macht wird aber ohnehin längst entschieden. Die Schlachtpläne – Verzeihung, Businesspläne – sind geschrieben. Die Charts glänzen, der Projektname ist catchy («Phoenix», «NextGen», «#GoFuture») und die Timeline sportlich.
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