«Wir produzieren, was die Schweiz in Krisenzeiten braucht»

Trotz eines schwierigen Jahres mit tieferem Zuckergehalt und rückläufiger Produktion konnte die Schweizer Zucker AG 2024 einen Gewinn von 4,6 Millionen Franken erzielen. «Zu Beginn des Geschäftsjahres waren die Zuckerpreise noch hoch. Davon haben wir profitiert. Inzwischen sind sie wieder stark gesunken und verhalten sich volatil», sagt Nussli. «Dann haben sich die Energiepreise etwas erholt und auf einem tieferen Niveau eingependelt. Das hat geholfen.»
Die hohen Zuckerpreise haben massgeblich zum Gewinn beigetragen. Doch wie geht es weiter? «Die Preisentwicklung beim Zucker ist hoch volatil. Zucker wird an der Börse gehandelt, und der Preis hängt einerseits vom Verhalten der grossen Produktionsländer wie Brasilien oder Indien ab. Andererseits ist für den Schweizer Markt der Preis in der EU relevant. Sich dagegen abzusichern, ist praktisch unmöglich», sagt Oliver Nussli. «Wir punkten aber mit Stärken wie hoher Qualität, Dienstleistungen, Liefersicherheit, kurzen Wegen und vor allem Nachhaltigkeit.»
«Inzwischen sind wir bei deutlich über 17’000 Hektaren.»
Anbaufläche steigt
Der Selbstversorgungsgrad mit Schweizer Zucker liegt unter 50 Prozent, was Auswirkungen auf die Swissness-Kennzeichnung hat. «Der Rückfall unter die Hälfte des Selbstversorgungsgrades schmerzt. Lebensmittelverarbeiter können damit auch mit weniger Schweizer Zucker ihre Produkte mit dem Schweizerkreuz ausloben», so Nussli. «Darum ist es unser Ziel, die Anbaufläche zu erhöhen. Mit verschiedenen Anreizen versuchen wir, die Landwirte vom Anbau der Zuckerrübe zu überzeugen. In den letzten drei Jahren ist uns dies gelungen. Inzwischen sind wir wieder bei deutlich über 17’000 Hektaren – angestrebt sind mittelfristig 20’000 Hektaren.
Dabei spielen politische Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle. «Wie bei allen anderen Schweizer Ackerkulturen auch sind diese ein wichtiger Bestandteil, damit die Zuckerrübe für die Pflanzer attraktiv bleibt», sagt Nussli. «Dass die Landwirte Rüben anbauen, ist unabdingbar verbunden mit den Zuckerfabriken. Ohne Rüben keine Fabriken und ohne Fabriken keine Rüben. Es geht hier also um eine ganze Lebensmittelbranche und damit auch um die Selbstversorgung der Schweiz mit Zucker in Krisenzeiten. Eine ungenügende Selbstversorgung macht erpressbar und erhöht die Gefahr von steigenden Preisen. Die Covid-Pandemie hat gezeigt, dass Schranken schnell fallen können. Die Preise für Atemschutzmasken waren innert Kürze in astronomischer Höhe. Für die ganze Branche und die Schweizer Selbstversorgung ist es also überlebenswichtig, dass die Massnahmen verlängert werden; wir sind da auf gutem Wege.»
Nachhaltigkeit wird bei der Schweizer Zucker AG grossgeschrieben. «Diese Investitionen sind enorm wichtig und zahlen sich langfristig aus, finanziell wie auch bei der Marktfähigkeit», sagt Oliver Nussli. «Als Beispiel sei das Holzkraftwerk in Aarberg erwähnt. Dank dieser Beteiligung konnten wir die Energiekosten senken und gleichzeitig nachhaltiger produzieren.» Auch in Frauenfeld investiert das Unternehmen: «Noch dieses Jahr nehmen wir einen neuen Niedertemperatur-Trockner in Betrieb. Mit dieser 20-Millionen-Investition können wir weiter Energieressourcen sparen und nachhaltiger produzieren. Beide Beispiele sind ein wichtiger Schritt zur Reduktion unseres CO₂-Ausstosses. Diese Investitionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben bereits heute Kunden, die CO₂-neutral produzierten Zucker verlangen. Wer das liefern kann, ist im Geschäft.»
Nicht nur Zucker
Neben Zucker produziert die Schweizer Zucker AG auch Nebenprodukte. «Wir sind bekannt dafür, dass wir eine ‹Rundum›-Verwertung der Rübe anstreben. Sogar die mit den Rüben mitgelieferte Erde wird bei unserer Tochterfirma Ricoter aufbereitet und als Gartenerde verkauft», sagt Nussli. «Dieser Gedanke treibt auch unsere Innovationen wie Ethanol oder Pektin an. Ethanol ist gut gestartet, und wir produzieren inzwischen rund 100’000 Liter hochqualitatives Ethanol, das vor allem für Spirituosen verwendet wird. Beim Pektin stecken wir noch in den Kinderschuhen – hier verstärken wir im Moment die Marktbearbeitung.» Beide Produkte seien aber noch kein Umsatz-Standbein. Wetterextreme und Krankheiten haben die Zuckerproduktion 2024 stark beeinträchtigt. Dagegen gehen die «Süssen» vor: «Forschungsbemühungen haben bei uns einen hohen Stellenwert. Neben der Führung eines Forschungsnetzwerkes – auch mit Beteiligung des Bundes – bieten wir den Pflanzern mit unserer eigenen Fachstelle kompetente Unterstützung bei Problemen im Anbau», so Nussli. «Neben Beratung direkt auf dem Feld werden auch Sortenprüfungen vorgenommen und nach resistenten Sorten geforscht. Zusätzlich sind wir regelmässig mit Start-ups im Austausch – etwa um mit Satellitendaten den optimalen Erntezeitpunkt zu bestimmen oder um mit natürlichen Mikroben den Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz weiter zu reduzieren. Nur das Wetter können wir noch nicht bestimmen», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Seit Dezember 2024 ist Oliver Nussli CEO der Schweizer Zucker AG. «Eines ist klar – wir sind die Produzentin von Zucker in der Schweiz, und das soll auch so bleiben», umreisst er eines seiner Ziele. «Wir wollen rund um die Zuckerrübe innovativ bleiben, auch mal etwas ausprobieren und so weitere Standbeine des Unternehmens entwickeln. Langfristig müssen wir in einem hart umkämpften Markt bestehen und die Landesversorgung der Schweiz mit dem wichtigen Lebensmittelrohstoff ‹Zucker› sicherstellen. Und bei allem, was wir vorhaben, werden wir die Aspekte der Nachhaltigkeit als Selbstverständnis einbeziehen.»
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«Der Zuckerkonsum ist in den letzten 30 Jahren um 30 Prozent auf 30 Kilo pro Kopf zurückgegangen.»
Ein «Rundum-sorglos-Paket»
Die Konkurrenz aus dem Ausland bleibt eine Herausforderung. «Der Zuckerpreis ist entscheidend. Und hier stehen wir gegenüber dem Importzucker unter hohem Druck», so Nussli. «Wir müssen somit auch mit anderen Fähigkeiten positionieren und bieten unseren Kunden ein ‹Rundum-sorglos-Paket› an. Dazu gehört höchste Produktqualität, Liefersicherheit und -verlässlichkeit, kurze Wege, Flexibilität und Nachhaltigkeit. Bleibt irgendwann eine Zuckerlieferung aus dem Ausland an der Grenze blockiert, können wir liefern. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Lebensmittelindustrie. Zudem können wir bei unserem Zucker sicherstellen, dass er so nachhaltig wie möglich produziert wurde.» Ein Argument, das bei Kunden zunehmend an Relevanz gewinnt.
Und wie steht es um die Zukunft des Zuckers angesichts immer lauterer Kritik an zuckerhaltigen Lebensmitteln? «Zucker und Gesundheit werden kontrovers diskutiert. Man kann sich dabei in unzähligen Pro- und Kontrastudien verlieren», sagt Oliver Nussli. «Gemäss einer Studie von Avenir Suisse von Dezember 2024 ist der Zuckerkonsum in der Schweiz in den letzten 30 Jahren um 30 Prozent auf 30 Kilo pro Kopf pro Jahr zurückgegangen. Die Bevölkerung scheint also verantwortungsvoll mit Zucker umzugehen.»
Für die Schweizer Zucker AG seien zwei Faktoren entscheidend, sagt Nussli. «Erstens ist Zucker per se nicht ungesund. Im Gegenteil, für das Funktionieren unseres Gehirns brauchen wir zwingend Glukose. So enthält bereits Muttermilch verschiedene Zuckerarten. Die Natur hätte das anders vorgesehen, wenn Zucker giftig wäre. Es ist also – wie übrigens bei anderen Lebensmitteln auch – eine Frage der Menge. Zu viel Zucker kann ungesund sein.» Und zweitens: «Wir haben und werden nie zu erhöhtem Zuckerkonsum auffordern. Der Schweizer Markt ist bereits grösser, als was wir produzieren können. Unser Credo ist: Nachhaltiger Schweizer Zucker für lokal produzierte Schweizer Lebensmittel.» Dann bleibt abschliessend nur noch eine Frage: Wann hat der CEO heute zum ersten Mal Zucker verwendet? «Beim Zmorge. Fruchtjoghurt ohne Zucker schmeckt mir nicht», schmunzelt Oliver Nussli.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer