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Aus Frauenfeld in die Top 3 der Welt

Aus Frauenfeld in die Top 3 der Welt
Barend Fruithof
Lesezeit: 4 Minuten

Die Aebi Schmidt Group aus Frauenfeld übernimmt die US-amerikanische Shyft Group und wird damit zu einem der weltweit grössten Hersteller von Spezialfahrzeugen. CEO Barend Fruithof spricht im Interview über neue Marktchancen, Synergien und die Bedeutung des Standorts Schweiz.

Barend Fruithof, mit der Übernahme der Shyft Group expandiert Aebi Schmidt massiv in den US-Markt. Was war der strategische Hauptgrund für diesen Schritt?
Mit der Fusion steigen wir in die Top 3 der Spezialfahrzeug-Produzenten weltweit auf. Mit der neuen Grösse erweitern wir das Potenzial bei Kunden, die im ganzen US-Markt agieren, und werden unabhängiger vom Schnee. Der Börsengang erweitert unsere Finanzierungsmöglichkeiten. Und alles zusammen hilft Aebi Schmidt einerseits, zu wachsen und andererseits, das Unternehmen langfristig profitabler zu machen.

Der Umsatz verdoppelt sich auf rund zwei Milliarden US-Dollar, das Unternehmen wird an der Nasdaq gelistet. Welche Chancen und Herausforderungen sind mit diesem Börsengang verbunden?
Vor acht Jahren hat Aebi Schm idt in den USA 50 Millionen Dollar Umsatz gemacht, im vergangenen Jahr waren es 600 Millionen. Mit Shyft zusammen wollen wir 2026 auf über 1,5 Milliarden Umsatz alleine in den USA kommen. Zudem zeigt die aktuelle politische Lage, wie es strategisch wichtig ist, in verschiedenen Märkten präsent zu sein und vor Ort zu produzieren.

Wie wird sich die Fusion mit Shyft auf die Produktpalette und die Produktionsstandorte in Nordamerika auswirken?
Unsere Produktpaletten und Standorte ergänzen sich sehr gut. Zudem stossen wir bei unseren eigenen Fabriken an die Kapazitätsgrenze. Mit der Fusion können wir die Kapazitäten erweitern. Die werksseitigen Synergiepotenziale liegen primär im Einkauf, im Supply-Chain-Management und in der Logistik sowie in der Prozessoptimierung und in der Nähe zu den Kunden.

«Mit Shyft zusammen wollen wir 2026 auf über 1,5 Milliarden Umsatz in den USA kommen.»

Die Integration von Shyft bringt neue Kompetenzen in der Aufbau- und Trailerfertigung. Wie planen Sie, diese Synergien zu nutzen?
Die Aebi Schmidt Group ist heute schon mit der Marke Monroe im Aufbaugeschäft aktiv. Zusammen mit der Shyft Group erweitern wir die Produktpalette der Auf- und Ausbaufertigung auf unterschiedlich grosse Fahrgestelle von OEMs wie Ford oder General Motors. Die höhere Stückzahl bringt auch Synergiepotenziale an den einzelnen Standorten. 

Mit der Übernahme sichern Sie sich Zugang zu US-Grosskunden wie Paketdiensten. Welche Bedeutung hat dieser Kundenkreis für Ihre Wachstumsstrategie?
Das Geschäft dort ist so wichtig wie anspruchsvoll. Wir werden ein nationaler Anbieter mit über 40 Standorten im ganzen Land. Das eröffnet uns Zugang zu Kunden, die Partner mit einem flächendeckenden Standortnetz benötigen. Es gibt Anbieter, die über 70’000 Trucks im Einsatz haben – zum Beispiel im Telecom-Bereich. Diese kaufen nicht bei regionalen Anbietern. Dank der Shyft-Transaktion gehören wir nun zu den drei nationalen Anbietern in diesem Markt und erscheinen neu auf den Listen potenzieller Zulieferer dieser Kunden. Unsere eigentliche Stärke liegt aber nicht in einem Segment, sondern in der Vielfalt und im Cross-Selling-Potenzial. Shyft beliefert Logistikunternehmen, die eigene Flughäfen betreiben – diese können dann ihr Flughafen-Equipment auch direkt bei uns einkaufen.

Sie streben eine zweistellige operative Marge und Synergien in Höhe von 30 Millionen Euro an. Wie wollen Sie diese Ziele konkret erreichen?
Indem wir unsere Wachstumsstrategie konsequent weiterverfolgen. Unser Fokus ist glasklar: Wir wollen die von den beiden Unternehmen entwickelten Spitzentechnologien pushen – zum Beispiel unsere Kompaktkehrmaschinen mit europäischer Technologie. Diese sind in Städten wie Charlotte, Seattle und New York bereits im Einsatz. Noch stammen die Maschinen aus europäischer Produktion, Ziel ist jedoch, sie auch in den USA herzustellen. Dann produziert Shyft heute Komponenten, die die Aebi Schmidt Group extern einkauft. Eine solche vertikale Integration bringt Kosteneinsparungen. Und wir werden Kosten in den Corporate-Funktionen abbauen, die wir durch die Fusion nur noch einmal benötigen.

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«Wir machen unsere Entscheidungen nicht von der Politik abhängig, sondern vom Marktpotenzial.»

Die Produktion vor Ort in den USA schützt vor negativen Effekten durch Zölle. Welche weiteren Vorteile sehen Sie in der lokalen Fertigung?
In den USA erfüllen wir schon jetzt für viele Aufträge den «Buy American Act». Der schreibt uns vor, dass wir mindestens 60 Prozent unserer Komponenten in den USA kaufen müssen. Möglicherweise könnten wir in bestimmten Geschäftsbereichen sogar von den neuen Zöllen profitieren – zum Beispiel im Flughafengeschäft: Rund 30 Prozent der US-Flughäfen beziehen keine Gelder von der Bundesbehörde FAA, daher gilt für deren Einkäufe der «Buy American Act» nicht, weshalb hier auch europäische Wettbewerber ohne US-Produktion mitbieten können. Deren Angebote dürften sich wegen der Zölle nun verteuern. Das heisst aber überhaupt nicht, dass ich Fan von Zöllen bin.

Wie beeinflusst die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in den USA Ihre Expansionspläne?
Wir machen unsere Entscheidungen nicht von der Politik abhängig, sondern vom Marktpotenzial. Und das Potenzial in den USA ist längst nicht ausgeschöpft. Zudem sind die Margen im Industriegeschäft in den USA höher als in Europa. Wir wollen aktiv an der US-Konsolidierung in unseren Marktsegmenten teilnehmen.

Welche Rolle spielt der Standort Frauenfeld weiterhin für die Aebi Schmidt Group nach der Expansion?
Die Marken und Produkte unserer Gruppe sind überall stark lokal verwurzelt – auch in der Schweiz. Der Standort Schweiz verschafft uns zudem bei Finanzierungen einen Vorteil: Wir haben in der Schweiz tiefe und stabile Zinsen.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: zVg

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