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Stabilität mit Vorbehalt

Stabilität mit Vorbehalt
Remo Lobsiger, Reto Inauen
Lesezeit: 2 Minuten

Die Thurgauer Wirtschaft wirkt auf den ersten Blick stabil – doch unter der Oberfläche zeigt sich ein differenzierteres Bild. Remo Lobsiger von der Thurgauer Kantonalbank und Reto Inauen vom Verband der Thurgauer Raiffeisenbanken erklären, wo sie Risiken erkennen, wie sich das Verhalten der Unternehmer verändert hat – und welche Strategien sie jetzt empfehlen.

«Die Thurgauer Wirtschaft kann sich den aktuellen Entwicklungen in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik nicht entziehen», sagt Remo Lobsiger, Leiter des Bereichs Geschäftskunden bei der Thurgauer Kantonalbank. Besonders betroffen seien exportorientierte Unternehmen, die sich mit einer schwachen Auslandsnachfrage konfrontiert sehen. Der starke Franken erschwere die Lage zusätzlich. «Vor allem konjunktur- und wechselkursexponierte Bereiche stehen derzeit unter besonderem Druck.»

«Firmen sind vorsichtiger – auch wenn das Zinsumfeld aktuell eigentlich günstig wäre.»

Binnenwirtschaft stabil – Investitionen rückläufig

Auch Reto Inauen, Präsident des Verbands der Thurgauer Raiffeisenbanken, teilt diese Einschätzung: «Das Bild der Thurgauer Konjunktur hat sich zuletzt eingetrübt. Insbesondere exportorientierte Unternehmen stehen unter Druck. Hauptursache sind fehlende Aufträge aus dem Ausland.» Neben der Frankenstärke nennt er die schwache Konjunktur in wichtigen europäischen Märkten wie Deutschland als Belastung. «In der Maschinen-, Elektronik- und Metallindustrie vermeldet sogar jedes dritte Thurgauer Unternehmen eine schlechte Geschäftslage.»

Während der Exportsektor leidet, zeigt sich laut Lobsiger der Binnenmarkt – insbesondere die Bauwirtschaft – noch solide. Trotzdem seien viele Unternehmen zurückhaltender bei Investitionen geworden. «Die Firmen sind in der Tendenz vorsichtiger – auch wenn das Zinsumfeld aktuell eigentlich günstig wäre.» Die Zunahme von Kurzarbeitsanträgen sei ein deutliches Signal. Auch Entwicklungen in den USA und der anhaltende Druck auf die deutsche Wirtschaft wirkten sich dämpfend auf die Erwartungen aus. Inauen verweist auf konkrete Daten: «Eine Sonderumfrage im Rahmen des Raiffeisen KMU PMI zeigt, dass über 60 Prozent der exportierenden KMU ihre Investitionspläne zurückfahren. Jedes fünfte Unternehmen plant sogar, diese stark zu kürzen.» Und auch unter inländisch tätigen Firmen herrsche Unsicherheit – rund ein Drittel plane ebenfalls mit geringeren Investitionen.

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«Über 60 Prozent der exportierenden KMU fahren ihre Investitionspläne zurück.»

Liquidität, Risikoabsicherung und Agilität als Erfolgsfaktoren

Für Lobsiger ist klar: «Flexibilität und Agilität werden immer wichtiger.» Die Unternehmen müssten kurzfristiger auf Veränderungen reagieren können. «Grundvoraussetzung dafür sind essenzielle Tugenden: eine starke Produktpipeline, enge Kundenbeziehungen, hohe Effizienz, eine solide Substanz und gute Liquidität.» Wer über eine solide Basis verfüge, könne neue Chancen besser nutzen, gerade auch in einem unsicheren Umfeld. «Die Thurgauer Unternehmen haben immer wieder bewiesen, dass sie anpassungsfähig sind.» Inauen hebt neben dem Liquiditätsmanagement auch den Umgang mit Währungsrisiken hervor: «Unternehmen sind gut beraten, sich mit den Wechselkursrisiken auseinanderzusetzen und diese durch geeignete Finanzinstrumente abzusichern.» Gleichzeitig seien steigende Rohstoff- und Energiepreise eine Herausforderung. «Gezieltes Kostenmanagement und Effizienzsteigerung sind unerlässlich.»

Besonders besorgniserregend ist aus seiner Sicht die geopolitische Lage: «Der grösste Unsicherheitsfaktor sind die zunehmenden handelspolitischen Spannungen. Unternehmen sollten nicht abwarten, sondern Strategien entwickeln, um die Risiken zu minimieren – etwa durch Diversifizierung von Lieferketten und Märkten.»

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