Wirtschaftsraum Thurgau

«Unsere Nische ist unser Trumpf»

«Unsere Nische ist unser Trumpf»
Erwin Dreier
Lesezeit: 4 Minuten

Die 3R AG in Sulgen verbindet traditionelles Wagnerhandwerk mit moderner Fertigungstechnologie: Seit den 1930er-Jahren setzt der Familienbetrieb auf dampfgebogenes Holz – besonders sichtbar bei den legendären Davoser Schlitten. Inhaber Erwin Dreier richtet das Unternehmen konsequent auf neue Märkte aus. Denn der Klimawandel, schwankende Winter und internationale Konkurrenz fordern nicht nur Anpassung, sondern auch Ideen.

Als klassischer Wagnerbetrieb gegründet, hat sich die 3R AG im Lauf der Jahrzehnte stark verändert. «Wie fast alle Wagner in der Schweiz mussten wir uns auf ein Gebiet spezialisieren», sagt Erwin Dreier. Die Wahl fiel früh auf das Dampfbiegen von Massivholz – eine Technik, die bis heute das Rückgrat des Betriebs bildet. In den 1960er-Jahren kamen Schlitten hinzu, insbesondere der «original Davoser», der sich zur bekanntesten Produktlinie des Unternehmens entwickelte. «Unser Sortiment umfasst inzwischen nicht mehr nur den klassischen Davoser mit Holzsitz, sondern auch moderne Rodel mit Textilsitzen, unterschiedlichen Kufen und reichlich Zubehör.»

«Wir besetzen eine Nische, die technisch anspruchsvoll ist und Zukunft hat.»

Schlitten bleiben, aber der Fokus verschiebt sich

In der Vermarktung hat sich seit den Anfängen vieles verändert. Was einst ausschliesslich über inhabergeführte Sportgeschäfte lief, wurde später durch Filialisten wie Ochsner Sport oder Athleticum ergänzt. Heute setzt die 3R AG auch auf eine starke Präsenz im Internet. Sogar Onlineplattformen wie Brack oder Galaxus gehören zu den Vertriebspartnern – doch der wichtigste Kanal ist inzwischen der Direktverkauf über die eigene Website schlitten.ch. «Eine eigene Homepage und Social-Media-Aktivitäten sind heute unerlässlich», sagt Dreier. Während der Corona-Jahre erwies sich dieser Direktvertrieb als echter Glücksfall – es waren die umsatzstärksten Winter in der Geschichte der 3R AG.

Der Schlittenmarkt ist allerdings längst nicht mehr stabil. «Im Moment sind noch etwa 50 Prozent unserer Tätigkeiten dem Bereich Schlitten zuzuordnen», so Erwin Dreier. «Aber im Zuge der Klimaerwärmung und mit Blick auf verschiedene Szenarien im Wintersport ist absehbar, dass dieser Anteil weiter abnehmen wird.» Die Nachfrage unterliegt starken saisonalen Schwankungen. Auf extreme Spitzen oder Flauten muss das Unternehmen flexibel reagieren können. «Das ist nicht immer einfach – aber wir sind es gewohnt», sagt der Inhaber.

KB Zertifikat  Unternehmertag Vaduz  

Neue Märkte für dampfgebogenes Holz

Parallel dazu hat sich das Unternehmen gezielt auf neue Anwendungsbereiche für dampfgebogenes Holz konzentriert. Die einst umsatzstarke Schweizer Möbelindustrie ist praktisch verschwunden. Stattdessen werden heute Projekte im Aussenbereich umgesetzt – etwa in Zusammenarbeit mit Burri Public Elements aus Glattbrugg. «Unsere Kernkompetenz, das Dampfbiegen von Massivholz, ist zwar eine Nische – bietet aber eine klare USP gegenüber anderen Techniken», erklärt Erwin Dreier. Diese Nische wolle man bewusst ausfüllen. Trotz rückläufigem Schlittenmarkt entwickelt die 3R AG ihr Sortiment weiter. Mit dem Modell «Gams» wurde jüngst eine neue Generation Sportrodel eingeführt. «Die Gams ersetzt langfristig unsere Produktfamilie der Z-Series-Sportrodel und strafft das Sortiment», sagt Dreier. Doch er schränkt ein: «Im Schlittenbereich dürfte technische Innovation in Zukunft weniger wichtig sein. Viel entscheidender ist es, neue Produkte mit dampfgebogenem Holz für andere Märkte zu entwickeln.»

«Im Schlittenbereich dürfte technische Innovation künftig weniger wichtig sein.»

Ein Rohstoff unter Druck

Ein besonderes Augenmerk gilt der Materialbeschaffung. Die 3R AG verwendet für ihre Schlitten bevorzugt Eschenholz aus der Ostschweiz. Noch ist der Rohstoff verfügbar – doch die Eschenwelke, eine Pilzkrankheit, bedroht die Bestände langfristig. «Nachdem schon die Ulme bei uns praktisch nicht mehr vorkommt, wird es auch bei der Esche zunehmend schwieriger», warnt Erwin Dreier. Die Substitution durch andere Hölzer sei im Schlittenbau kaum möglich.

Im Wettbewerb mit internationalen Anbietern setzt die 3R AG auf Individualisierung und Qualität. «Billigstlieferanten aus Osteuropa stellen keine echte Konkurrenz dar – die Produkteigenschaften sind teilweise so miserabel, dass man sie nicht vergleichen kann», sagt Dreier. Anspruchsvoller sei der Wettbewerb mit Anbietern aus Österreich oder Südtirol.

Die Antwort darauf: Swiss Made mit klarem Mehrwert. «Wir bieten freie Farbwahl, Gravuren und zusätzliche Serviceleistungen – das kann ein reiner Importeur nicht leisten.»

 

Auch interessant

Stabilität mit Vorbehalt
Start-up-Landschaft Ostschweiz

Stabilität mit Vorbehalt

«Wir produzieren, was die Schweiz in Krisenzeiten braucht»
Wirtschaftsraum Thurgau

«Wir produzieren, was die Schweiz in Krisenzeiten braucht»

Zwischen Exportdruck und Innovationsstau
Wirtschaftsraum Thurgau

Zwischen Exportdruck und Innovationsstau

«Unsere Organisation muss flexibel auf Nachfragespitzen und Flauten reagieren können.»

Tradition braucht Nachwuchs

Ein weiteres Erfolgsrezept ist das stabile Team – und die eigene Lehrlingsausbildung. «Dank sehr wenig Fluktuation gibt es bei uns kaum freie Stellen», so der 3R-Inhaber. Die Arbeit mit Massivholz, kombiniert mit modernen Technologien, sei für viele Berufsleute attraktiv – auch dank dem Gesamtarbeitsvertrag im Schreinergewerbe. Besonders wertvoll für die Lehrlinge: die Ausführung klassischer Wagnerarbeiten. «Wir führen immer wieder Arbeiten an historischen Gegenständen wie Kutschen aus – das sind perfekte Projekte für unsere Lernenden.»

Die 3R AG pflegt langjährige Partnerschaften – mit Lieferanten im Thurgau ebenso wie mit internationalen Zulieferern und Kunden. «Für die Distribution ist die Zusammenarbeit mit Schweizer Partnern essenziell», betont Erwin Dreier. Gleichzeitig bleibt der Direktverkauf über die Website ein zentrales Standbein. «Multichannel ist unser Weg – online, stationär, mit eigenen und externen Vertriebskanälen.»

Auch wenn die Bedeutung der Schlitten im Gesamtumsatz sinkt, will Dreier am Produkt festhalten. «Die Original-3R-Davoser-Schlitten werden auch künftig erfolgreich angeboten werden – auch wenn unklar ist, welchen Anteil sie am Umsatz noch haben werden.» Entscheidend sei die klare Spezialisierung des Unternehmens. «Unsere Nische ist unser Trumpf. Und den spielen wir mit Überzeugung aus.»

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

Auch interessant

Wegen Unwettern: Stadler macht zehn Prozent weniger Umsatz
Thurgau

Wegen Unwettern: Stadler macht zehn Prozent weniger Umsatz

Den Thurgau fit für die Zukunft machen
Thurgau

Den Thurgau fit für die Zukunft machen

Zuversicht in der Thurgauer Wirtschaft
Thurgau

Zuversicht in der Thurgauer Wirtschaft

Schwerpunkte