«Ich wollte nie zum Problem werden»

Fredy Lienhard, Sie haben mit 22 Jahren die unternehmerische Verantwortung für die Lista AG übernommen. Welche Eigenschaften haben Ihnen geholfen, das Familienunternehmen erfolgreich auszubauen?
Einerseits der Wille, Verantwortung zu übernehmen und die Erwartungen von Familie, Mitarbeitern sowie Freunden zu erfüllen. Andererseits sicher ein gewisser Ehrgeiz, die Herausforderung zu bestehen und unternehmerischen Erfolg zu haben.
Unter Ihrer Leitung wurde Lista zur internationalen führenden Unternehmung für Betriebs- Büro- und Lagereinrichtungen. Welches Erfolgsrezept steckt hinter diesem Wachstum?
Sportlicher Ehrgeiz, die Freude am Wettbewerb mit den Konkurrenten, die Freude am «Gewinnen» und die Begeisterung für Innovationen im Markt, in der Fabrik (neue Maschinen und Anlagen). Dazu kommt die Freude an der Internationalität mit anderen Sprachen und Kulturen sowie spannenden Märkten und Kunden.
Parallel zur Unternehmensführung gründeten Sie 1968 mit Freunden das Lista Racing Team mit persönlichen Erfolgen in Formel V, Formel 2 und Sportwagenrennen – 2002 etwa der Sieg am 24-Stunden-Rennen von Daytona. Wie haben Sie beide Welten – Business und Rennsport – in Einklang gebracht?
Primär war ich natürlich Unternehmer, aber das Hobby Motorsport hat geholfen, meinen Charakter zu stärken, Team-Erfahrung zu machen, Leistungen zu erbringen sowie Erfolge und Misserfolge zu verkraften. Zudem konnte ich Synergien realisieren, waren doch Teams und die dahinterstehenden Hersteller wie Ferrari, Porsche, BMW grosse Kunden. Der Rennsport hat Beziehungen geschaffen, wir konnten quasi in den Boxen und Transportern der Teams beweisen, dass «Lista-Produkte qualitativ die besten waren» – wie es Peter Sauber einmal formulierte. Nicht zuletzt haben wir unser Logo «Lista – Making Workspace Work» auch optisch auf den Rennwagen bekannt machen können. In den USA war das besonders wichtig, weil Lista anfänglich dort noch nicht bekannt war. Das hat sich dann auch dank den Medienberichten sehr positiv entwickelt.
«Der Rennsport hat Beziehungen geschaffen.»
Ihre Rennsport-Laufbahn endete mit 61 Jahren, unmittelbar nach dem ersten Enkelkind. War das für Sie ein bewusster Abschluss – und welche Bedeutung haben Familie und Stabilität heute?
Mein Abschied beim 1000-km-Rennen 2008 in Silverstone war sehr bewusst, die Botschaft meiner Tochter am Vorabend des Rennens, dass ich Grossvater werden würde, hat den Entschluss nur noch bestätigt. Ich wollte immer so lange fahren, als das Team mit mir als Fahrer noch eine Chance auf das Podium hatte. Ich wollte also nie zum Problem werden und meine Leistung so bringen können wie die Profis. Der Gewinn der Michelin Challenge Trophy hat uns die Qualifikation für das grosse Rennen in Le Mans gebracht. Wir hätten dort also starten können, dann aber freiwillig verzichtet. Es wäre genau der Tropfen zu viel gewesen für mich – in Bezug auf Risiko und Kosten. Dasselbe Prinzip wollte ich auch als Unternehmer anwenden: Rechtzeitig übergeben und nicht erst, wenn es andere erhoffen.
Sehr geholfen hat mir meine Familie: Schon beim plötzlichen Tod meines Vaters konnte ich mich auf meine Mutter und meine Geschwister verlassen. Sie haben mir volles Vertrauen geschenkt. Später durfte ich mit meiner eigenen Familie – meiner Frau Regula und meinen drei Kindern – viel Rückhalt und Kraft erfahren. Ohne dies hätte ich nie die Energie und Resilienz aufgebracht, um die zahlreichen Herausforderungen zu bewältigen.
Im Lokalrennsport fuhren Sie nicht nur selbst als Rennfahrer beim Bergrennen Hemberg mit – schwerer Unfall inklusive –, Sie haben sich seit dessen Neuauflage 2012 auch als Gönner engagiert. Heuer wurden Sie für Ihr Engagement mit der Widmung der Zielgeraden – neu dem «Fredy-Lienhard-Sprint» – geehrt. Weshalb war Ihnen gerade dieses Engagement wichtig?
Mein Engagement als Sponsor bei Veranstaltungen und bei der Unterstützung der Fahrer war natürlich immer auch von meiner Leidenschaft für den Motorsport geprägt, hatte aber durchaus auch einen unternehmerischen Hintergrund: Die Präsenz unseres Logos auf Rennwagen und an Rennstrecken hat immer wieder auch Bekanntheit und Goodwill geschaffen. Viele Teams und ihre befreundeten Unternehmen haben bei Lista gekauft. Sauber ist nur ein Beispiel – wenn auch das grösste. Zu Hemberg hatte ich eine besondere Beziehung, weil ich da ja meinen «zweiten Geburtstag» erlebte. Als dann Christian Schmid mit so viel Leidenschaft eine Neuauflage durchziehen wollte, konnte ich einfach nicht Nein sagen.
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«Wenn man seine Fähigkeiten nicht mehr braucht, wird man unglücklich.»
Apropos Engagement: 2007 gründeten Sie mit Ihrer Frau Regula die Lienhard-Stiftung, um in der Ostschweiz Kultur, Bildung, Sport und Soziales zu fördern. Welche Erfolge machen Sie besonders stolz?
Wir haben in unserem Leben viel Erfolg gehabt – und natürlich auch viel Glück. Es entspricht unserem Credo, dass man Erfolge auch teilen soll. Anderen eine Freude machen, macht auch uns Freude. Zudem ist es sehr sinnstiftend, was gerade in der letzten Lebensphase nicht unwichtig ist. Wir sind es uns ja gewöhnt, etwas zu bewegen – also zu «unternehmen». Wir brauchen eine Herausforderung, um fit und glücklich zu werden oder zu bleiben. Es ist nicht der Stolz, der uns treibt, sondern die Genugtuung, etwas Sinnvolles zu machen. Seit der Gründung unserer ersten Stiftung 2007 konnten wir Hunderte von Gesuchen in Sport, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sozialem positiv beantworten. Und seit 2024 haben wir auch die Talenticum-Stiftung, die sich für die Förderung der Talente von Jugendlichen einsetzt.
2009 eröffneten Sie den «Autobau» in Romanshorn – ein Automuseum mit Erlebniswelt. Was war Ihre Motivation, dieses kulturelle Erbe öffentlich zugänglich zu machen?
Die Motivation für den Autobau wurde konkret, als ich einer Primarschulklasse meine Autos auf Anfrage ihrer Lehrerin zeigen konnte. Das Strahlen der Kinder, als sie in einen Ferrari oder Porsche sitzen durften, hat mir bewusstgemacht, dass ich meine Faszination nicht für mich alleine – quasi hinter verschlossenen Türen – leben, sondern eben auch mit anderen teilen sollte. Ganz besonders mit Jungen, die noch davon träumen können, selbst einmal so ein Auto zu fahren oder gar besitzen zu können. Mir ging es ja auch so; die Autos meines Vaters haben mich immer fasziniert.
Mit Ihrem Family Office sind Sie heute im Privatinvestment aktiv. Wie wählen Sie Projekte aus, die wirtschaftlich sinnvoll und gesellschaftlich wirkungsvoll zugleich sind?
Unser Family Office setzt die Mittel bei Immobilien, Firmenbeteiligungen, Start-ups und natürlich an der Börse ein. Es ist wichtig, dass die Mittel arbeiten und produktiv eingesetzt werden. Wenn man ein Vermögen hat, hat man auch eine Verantwortung, damit neue Werte zu schaffen – auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Zudem kann man nur spenden und grosszügig sein, wenn man dazu auch die Mittel hat oder generieren kann. Auch unsere beiden Stiftungen (Lienhard und Talenticum) sind nachhaltig; das heisst, sie haben genug Mittel, um damit die Ziele längerfristig erreichen zu können.
«Sehr geholfen hat mir meine Familie.»
Sie stehen hinter Projekten wie Berufsbildung oder Nachwuchsförderung im Rennsport. Warum halten Sie diese Weichenstellungen für die Gesellschaft für unverzichtbar?
Die Nachwuchsförderung im Motorsport ist auch ein Beitrag zur Bildung der Rennfahrer und ihrer Teams. Es ist eine Plattform, auf der sie sich bewähren können, Herausforderungen annehmen, aus Fehlern lernen und nicht zuletzt eben Leistung erbringen, Teamfähigkeit entwickeln und vieles mehr. Investitionen in die Bildung, wie sie unsere beiden Stiftungen leisten, sind eine sehr wichtige Sache für die Zukunft unserer Jugend – und letztlich auch unseres Landes.
Sie leben heute in Niederteufen und engagieren sich in der Ostschweiz. Was bedeutet für Sie lokal verankertes Engagement – und welchen Rat geben Sie anderen «Golden Agern», die sich nach der Karriere für die Gesellschaft und/oder die Wirtschaft einbringen möchten?
Wenn man keine starke «Heimbasis» hat, kann man auch nicht in der «grossen Welt» erfolgreich sein. Das war mir auch als Unternehmer immer bewusst: Nur wenn ich in der Schweiz den Beweis erbringen kann, habe ich auch Chancen im Ausland. Denn dort hängen die Trauben noch höher und es braucht sehr viel Ausdauer und Mittel. Anderen «Golden Agern» gebe ich gerne den Rat, sich ebenfalls auch in der zweiten Lebensphase zu engagieren, Herausforderungen anzunehmen und auch etwas zu riskieren. Denn nur so bleibt man fit und zufrieden. Wenn man seine Fähigkeiten oder seinen Körper nicht mehr braucht und herausfordert, wird man träge, schwächer – und letztlich unglücklich. Natürlich muss man sich den Grenzen bewusst sein, die Kräfte also gut einteilen und sich der Entwicklung anpassen. Und last but not least bin ich sehr dankbar, dass ich in meinem Leben so viel Glück hatte – und die perfekte Frau gefunden habe. Denn ohne sie wäre das alles so nicht möglich gewesen. Dann durfte ich auf viele gute Freunde sowie treue Angestellte vertrauen. Mein Wirken in meiner «goldenen» Lebensphase soll auch als Zeichen meiner Dankbarkeit verstanden sein.