Zwei St.Gallerinnen erfinden Päckli neu

Mariella Huber und Roberta Zingg nutzten früher normale Versandkartons für ihre Online-Unternehmen stadtlandkind.ch und brauchten dafür immens viel Platz im Lager. Ausserdem nervte es die beiden St.Gallerinnen, dass sie «Luft verschicken mussten», so blick.ch. Sie fanden den Einweggebrauch trotz Recycling noch zu wenig ökologisch. Statt sich weiter zu ärgern begannen sie, nach Alternativen zu recherchieren.
«Wir wollten eine wirklich nachhaltige Verpackung, die möglichst flexibel in der Grösse ist. Zudem muss sie praktisch in der Handhabung sein», sagte Huber zu blick.ch. «Wir bekamen die Kinderkleider von einem Lieferanten in kompostierbaren Plastiksäcken zugeschickt.»
Diese haben sich dann bei kurzer Lagerdauer zersetzt. Eigentlich wie gewünscht, aber trotzdem nicht hilfreich: «Wir hatten überall Plastikbrösmeli auf den Kleidern», erzählt Zingg. Zusammen mit ihrem Ehemann Tobias Zingg hat sie einen Online-Shop für Kindermode und schöne Dinge aufgebaut.
Päckli als Brief retournieren
Die beiden Unternehmerinnen entwickelten eine eigene Lösung: den Kickbag, eine mehrfach wiederverwendbare Versandtasche aus Kunststoff, der aus PET-Flaschen hergestellt wird.
«Eigentlich wollten wir das in der Schweiz produzieren lassen, aber hierzulande fehlt leider die entsprechende Infrastruktur», so Huber und Zingg. Darum werde der «Kickbag» in China hergestellt.
Die Versandhändler können die Tasche füllen und mit einem Klettverschluss in der passenden Grösse verschliessen. Die Kundinnen und Kunden nehmen den Inhalt raus, falten die leere Tasche auf Briefcouvert-Grösse zusammen und werfen sie gratis in den nächsten Briefkasten. So gelangt das Päckli zurück zum Absender.
Auch für Retouren kommt das faltbare Päckli zum Einsatz: «Wer Ware retournieren möchte, steckt sie in die Tasche und schickt sie frankiert zurück», erklärt Huber, die mit ihrem Stoff-Online-Handel eher wenige Waren-Retouren hat.
Auch Armee begeistert
25'000 Kickbags sind bereits in der Schweiz unterwegs. «Aber nicht nur von uns!», erklären die beiden lachend. Die Schweizer Armee, Coop Bau+Hobby, PKZ und andere Versandhändler fanden die Idee des wieder einsetzbaren Päckli bestechend und nutzen den Kickbag für Versände.
Damit dieser richtig funktioniert, haben die Gründerinnen mit der Schweizer Post zusammengearbeitet. Sie musste als Beförderin Bescheid wissen. «So konnten wir alle Eigenheiten beachten», erklärt Huber. «Im Ausland gibt es ähnliche Modelle, aber wenn man sie dann faltet, ist es kein Briefcouvert-Mass der Schweiz», führt Zingg aus.
Porto ist wichtig
«Bis jetzt haben wir keine negative Rückmeldung von unseren Kunden erhalten. Im Gegenteil: Viele finden es toll.» Ab und zu werde nachgefragt, warum man Porto bezahlen müssen, wenn man die Tasche mit einer Retoure zurücksende, nicht aber, wenn diese leer und zusammengefaltet retourniert werde.
«Wir möchten Retouren vermeiden», erklärte Zingg gegenüber blick.ch. «Es ist uns wichtiger, dass unsere Kundinnen und Kunden sich beim Kauf überlegen, was sie brauchen, und gerne im Zweifelsfall bei uns nachfragen wegen einer passenden Kleidergrösse», sagt Zingg. Denn das sei nachhaltiger. «Die Kickbag-Rücksendung ist für unsere Kundinnen und Kunden gratis, weil uns die Nachhaltigkeit wichtig ist – wir bezahlen die Kosten für die Rücksendung», sagt Huber.
«Schwer zu sagen, wie oft der älteste Kickbag bereits retourniert wurde», sagt Zingg lachend und schaut zu Mariella Huber rüber. «Bis zu dreissig Mal haben wir bestimmt schon einzelne Säcke hin- und hergeschickt», schätzt Huber. Bei den Prototypen seien manchmal noch kleine Qualitätsmängel wie schwache Nähte aufgefallen. Die seien in der neuen Produktion aber alle ausgebessert worden.
«Die Taschen sind quasi unkaputtbar», betont Zingg weiter. Aber die Kunden mussten sich zuerst daran gewöhnen, dass neue Ware in einer Verpackung daherkommt, die nicht mehr nigelnagelneu ist. Zingg fragt: «Wie wichtig ist die Optik der Verpackung? Muss sie perfekt neu aussehen? Oder steht im Vordergrund deren Zweck, und dafür ist sie umweltbewusst?». Die beiden haben sich für eindeutig die Umwelt entschieden.
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Zwei Firmen, zwei Familien
Der Anfang mit dem Projekt Kickbag sei «ganz schön intensiv» gewesen. Für die Familie Zingg hiess dies plötzlich: zwei Firmen führen und einen Haushalt mit drei Kindern. Bei Mariella Huber und ihrem Partner dasselbe: Zwei Firmen, den Job ihres Partners und zwei Kinder.
Und was schaut dabei finanziell gesehen raus? Keine Löhne. Kickbag ist ein Herzensprojekt. So hat der Partner von Mariellla Huber ein Jahr lang für Kickbag seinen Job reduzier, die Familie hat seinen Lohnausfall vom Ersparten beglichen. Den Umsatz aus dem Verkauf der Versandbeutel an andere Firmen wird in die Weiterentwicklung und neue Produktion investiert.
Und so soll es auch weitergehen: Die beiden Ostschweizerinnen möchten ihr Produkt möglichst vielen Unternehmen anbieten können – damit sich weniger Kartonschachteln stapeln.