Mehr Qualität durch Diversität im Verwaltungsrat?
An der Vergabe von Verwaltungsratsmandaten ist in der Regel ein ausgewählter, kleiner Kreis von Personen beteiligt. Um die Nachhaltigkeit für ein Unternehmen zu sichern, ist die Zusammensetzung der Gremien von entscheidender Bedeutung.
Studien aus verschiedensten Disziplinen wie Management, Psychologie oder Kommunikation zeigen, dass eine diversifizierte Gremienzusammensetzung die erfolgreichste Variante darstellt. Dabei geht es nicht nur um Genderdiversität, sondern auch um Alters- und Kompetenzdiversität.
Ein Projektteam der OST – Ostschweizer Fachhochschule unter der Leitung von Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock hat nun untersucht, wie Unternehmer bei der Besetzung von VR-Mandaten vorgehen und welche Schwierigkeiten ihnen dabei im Wege stehen. Da sich die Befragung direkt an Unternehmen unterschiedlicher Grösse richtete, kamen für die Zielgruppe einerseits die Firmeneigentümer in Frage, aber auch die Mitglieder beziehungsweise Präsidien der Verwaltungsräte.
CEOs wurden ebenfalls angesprochen, da diese in engem Austausch mit ihrem Verwaltungsratsgremium stehen. Das Projekt «Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen mittelgrosser Unternehmen: Eine nachhaltige Förderung» wurde vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) gefördert.
Diversität bekommt hohe Priorität
Die Ergebnisse der Befragung zeigen deutlich, dass die Unternehmer tatsächlich die Diversität des Gremiums als sehr wichtig einschätzen. Die Diversität nach Branche, Geschlecht und Alter stellt sich in der Befragung als am häufigsten genanntes Qualitätssicherungsinstrument heraus. Doch wie schätzen die Befragten den eigenen Verwaltungsrat ein?
Die Hälfte der Studienteilnehmer erachtet den eigenen Verwaltungsrat als einigermassen divers. Ein deutlich geringerer Anteil von knapp 18 Prozent bezeichnet ihn als divers beziehungsweise sehr divers. Fast ein Drittel (30 Prozent) spricht hingegen von kaum oder gar nicht vorhandener Diversität.
Diversität scheint ein eher wichtiger Aspekt, was unterstrichen wird bei den Kriterien: «unterschiedliche Charaktere», «Haltungen», «Einstellungen» und «Normen». Etwas weniger wichtig, aber dennoch mit einer gewissen Bedeutung für die Befragten, sind die Kriterien «ähnlichen Haltungen», «Einstellungen» und «Normen» der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder einzustufen.
Das Verständnis zu Diversität wird an erster Stelle dem unterschiedlichen Hintergrund und Fachkenntnissen zugeschrieben. Unterschiedliche Geschlechter und unterschiedliches Alter liegen etwas zurück – und weisen damit einen Wert zwischen neutral und eher starker Zuschreibung zu Diversität auf. Hier zeigt sich eine gewisse Zurückhaltung bei den Befragten, denn dieser Wert ist durchaus weit entfernt von einer sehr starken Zuschreibung zu Diversität.
Privates Netzwerk kommt vor dem professionellen
Die Befragten vergaben in der Studie unter den angegebenen Beschaffungsmöglichkeiten drei Prioritäten. Die Auswertung in der untenstehenden Abbildung zeigt klar, dass die drei Prioritäten mit grossem Abstand für das professionelle wie auch das private Netzwerk gesetzt wurden.
Dem privaten Netzwerk wird dabei mehr Beachtung geschenkt (über die Hälfte stuft es als Priorität eins ein), während das professionelle Netzwerk mit über der Hälfte auf Priorität zwei steht. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Mehrheit zuerst das private und in einem zweiten Schritt das professionelle Netzwerk angeht, wenn ein VR-Mandat neu zu besetzen ist.
Zwar liegen die Familienmitglieder mit grossem Abstand auf Platz vier, auffällig ist aber, dass der Grossteil davon als Priorität eins vergeben wurde und dabei einen höheren Wert erreicht als die Priorität eins beim professionellen Netzwerk. Zählt man die Familienmitglieder ebenfalls zum privaten Netzwerk, verstärkt sich dessen Bedeutung noch weiter.
An dritter Stelle folgt erst ein Beschaffungsweg unter Zuhilfenahme externer Quellen: Berater und Executive-Search-Unternehmen werden bereits deutlich weniger oft in Anspruch genommen wie das private und professionelle Netzwerk.
Möglicherweise dient diese kostenintensive Besetzungsmöglichkeit nachrangig in solchen Fällen, wo das private und berufliche Netzwerk nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung führen oder es wird für Fälle genutzt, in denen sehr spezifische Fähigkeiten für eine Besetzung als Kriterium festgelegt sind.
Alle anderen Beschaffungswege werden hingegen nur marginal priorisiert. Dies bestätigt das allgemein bekannte Bild, dass hauptsächlich das persönliche Netzwerk den Weg in ein Mandat ebnen kann.