Justiz soll geplatzten Maskendeal prüfen

Justiz soll geplatzten Maskendeal prüfen
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Weil die Grossbank UBS die Netztal AG unter Geldwäscherei-Verdacht stellte, konnte diese Schutzmasken im Wert von 25 Millionen Euro nicht an die Armee liefern. Jetzt geht die Bütschwiler Handelsfirma vor Gericht.

Hans-Christoph Vöhringer, Verwaltungsratspräsident der Netztal AG, habe Klage gegen die UBS in Zürich sowie gegen die Armee in Bern eingereicht, berichtet insideparadeplatz.ch. Vöhringer vermute, einer Intrige und einem Machtkampf an der Militärspitze zum Opfer gefallen zu sein. Dabei seien die Verantwortlichen nicht davor zurückgeschreckt, gegen ihn und seine Partnerin ein Strafverfahren zu initiieren – inklusive Razzia. Die Ermittlungen verliefen im Sand, das Verfahren ist ergebnislos eingestellt.

Der deutsche Unternehmer lässt es damit nicht auf sich beruhen: Vöhringer will wissen, warum er der Armee nicht wie abgemacht Masken über 25 Millionen Euro liefern konnte. So hoch war der Auftrag, den die Netztal AG Anfang April für normale und spezielle Schutzmasken erhalten hatte. Die Armee-Einkäufer und die Netztal AG wollten die Grosslieferung innert weniger Tage durchziehen.

Dann kam die UBS ins Spiel – als Spielverderber: Auf einem Netztal-Konto bei der Grossbank waren 7,5 Millionen Euro Anzahlung eingegangen, um das Geld rasch nach China zum Produzenten zu schicken.

Doch das tat die UBS nicht. Vielmehr torpedierte sie das Geschäft, obwohl sich ein deutscher Grosskunde dafür verbürgte, dass Netztal-Chef Vöhringer und dessen Maskendeal sauber seien: Unmittelbar nach Überweisung der Millionen-Auszahlung ging offenbar ein «anonymer Anruf» bei der UBS ein, der einen «Geldwäschereiverdacht» äusserte. Die Netztal AG vermutet heute aufgrund von Einzelheiten in der späteren Geldwäschereimeldung, dass der Anruf aus dem Umfeld von Beschaffungskoordinator Brigadier Markus Näf (Bild) – früher selbst UBS-Banker – gekommen sei, berichtet das «Tagblatt».

Die UBS liess in der Woche nach Ostern, am Mittwoch, 15. April, durchsickern, dass sie Geldwäscherei hinter dem Ganzen vermute. Sie stützte sich auf Dokumente der Netztal, die zeigten, dass zwischen China und der Schweiz eine rumänische Firma steht. In Absprache mit der Netztal schickte die UBS darauf die 7,5 Millionen Anzahlung zurück auf ein Konto der Armee.

In Bern zeigte sich der stellvertretende Chef des Einkaufs der zuständigen Armee-Apotheke zunächst unbeeindruckt. Der Deal gelte, die Netztal könne liefern. Allerdings dürfe er «für dieses Geschäft, wegen des Vorfalls, keine Vorauszahlung mehr leisten», hielt er in einem Mail an die Partnerin des Netztal-Chefs fest.

Das war am Freitag, 17. April. Die Netztal-Leute waren zu jenem Zeitpunkt weiter guten Mutes, die bestellten Masken innert Tagen zu liefern. Unterzeichnet war die «Bestellung 4590046060» über 20 Millionen Hygienemasken zu 80 Euro-Cents das Stück und zwei Millionen FFP2-Masken zu 4,50 Euro pro Stück von Divisionär Andreas Stettbacher, Oberfeldarzt der Armee, weiss insideparadeplatz.ch.

Am Abend jenes Freitags nach Ostern bestätigte ein Stabsmitarbeiter von Stettbacher gegenüber den Netztalern, dass die Armee an der Lieferung der Masken über 25 Millionen Euro festhalte. Unbemerkt von Stettbachers Leuten war allerdings Stunden zuvor in Bern bei der Geldwäscherei-Behörde eine sogenannte MROS-Meldung (Meldestelle für Geldwäscherei) von der UBS gegen die Netztal AG eingegangen.

Dann ging gemäss insideparadeplatz.ch alles schnell: Laut dem Netztal-Besitzer sprachen Armee-Chef Thomas Süssli und der Toggenburger Brigadier Markus Näf am Samstag bei VBS-Bundesrätin Viola Amherd vor. Mit dem Hinweis auf die MROS-Meldung hätten die beiden bei der Ministerin die Masken-Kommando-Übernahme erwirkt.

Die Leute von der Armee-Apotheke wussten bis zuletzt nicht, was gespielt wurde: Am Dienstag, 21. April, schrieb der stellvertretende Einkaufschef der Netztal-Partnerin in einem Mail noch, dass die Armee «die Ware wie erwähnt» unter gewissen Bedingungen abnehmen würde, nämlich bei genügend guter Qualität und ohne Anzahlung. «Sollte die Ware am Wochenende in Zürich eintreffen, könnten wir diese sicher beurteilen, jedoch könnte die Zahlung nicht vor Montag erfolgen», so der Einkäufer.

Es war das letzte Mail in diesem Sinn. Am gleichen Dienstag trat Brigadier Näf vor die TV-Kameras und erklärte dem Land, dass er von nun an das Sagen in Sachen Maskenbeschaffung habe. Innert Wochen wurde darauf die Führung der Armee-Apotheke ausgewechselt und die Abteilung einem neuen Bereich unterstellt – weg von Divisionär Claude Meier, einem Gegenspieler von Thomas Süssli im Kampf um den Job des Armee-Chefs.

In einem Gespräch bestritt Markus Näf gemäss insideparadeplatz.ch, von der Meldung der UBS gegen die Netztal AG gewusst zu haben. «Um die Versorgung des Gesundheitswesens sicherzustellen, haben wir im Frühling so viele Masken beschafft, wie es auf dem Markt überhaupt möglich war», sagte Näf. «Wer in genügender Menge und mit der erforderlichen Qualität liefern konnte, dem gaben wir den Auftrag.» Im Rahmen dieser Beschaffungen sei auch die Netztal AG eine mögliche Anbieterin gewesen. «Sie konnte aufgrund von Problemen mit ihrer Bank zum geforderten Zeitpunkt jedoch nicht liefern. Die Armee hatte ihren Teil des Deals mit einer Anzahlung bereits erfüllt. Von der Geldwäscherei-Meldung an MROS betreffend die Netztal AG hatten wir keine Kenntnis.» 

Der Netztal-Chef will die Armee im Januar 2021 vor dem Friedensrichter in Bern nun dazu zwingen, bisher unter Verschluss gehaltene Informationen rund um die grossen Masken-Bestellungen offenzulegen, um zu klären, wie und warum es zum Abbruch des Deals kommen konnte. Er glaubt heute, dass man die Netztal AG bewusst ausschalten wollte. Im Zug des Machtkampfs um Armeeapotheke oder um andere Firmen zu begünstigen, die später zum Zug kamen. Oder weil das VBS, das alles über die Lieferkette der Firma wusste, direkt bei deren Lieferanten einkaufen wollte, so das «Tagblatt».

Es ist nicht das erste Mal, dass die Armee bei ihrer Maskenbeschaffung in ein schiefes Licht gerät: Für 22 Millionen Franken kaufte sie im März Schutzmasken bei der Zuger Handelsfirma Emix Trading AG ein – überteuert, wie sich später herausstellte: Sie bezahlte 9.90 Franken pro FFP2-Maske (Marktpreis heute: rund drei Franken). Jetzt sollen die Militärjustiz und die Zürcher Staatsanwaltschaft klären, ob es bei dem teuren Deal zu Unregelmässigkeiten gekommen ist. Der Fall hat einen gemeinsamen Nenner mit dem gescheiterten Netztal-Deal: Brigadier Markus Näf, Beschaffungskoordinator des Bundes für Schutzmaterial. Gegenüber CH-Media betonte Näf, es hätte damals keine andere Firma eine so grosse Menge Masken rasch liefern können.