Ist der Innovationspark St.Gallen eine Fehlkonstruktion?

Einen derartigen Platz zu schaffen, macht Sinn. Um tatsächlich die gewünschte Wirkung zu erzielen, fehlt es diesem Konzept aber an visionärerem Inhalt und Kraft. Immerhin ist der Anspruch von Switzerland Innovation, ein Projekt von nationaler Bedeutung zu sein. In St.Gallen hingegen sind die Ziele noch höher gesteckt.
Gemäss Markus Bänziger (IHK) soll sich mit dem Innovationspark Ost «die Ostschweiz zum bevorzugten Lebensraum, Arbeitsort und Unternehmensstandort der Schweiz, ja von Europa entwickeln». David Ganz (WISG) spricht von einem «Leuchtturm der Ostschweizer Innovation».
Hier scheint sich offenbar, wenn man den zahlreichen Wortmeldungen und Presseerklärungen trauen darf, etwas ganz Grosses abzuzeichnen. Warum sollte es sich daher beim Innovationspark Ost um eine Fehlkonstruktion handeln?
«Nicht das Erreichte zählt – das Erzählte reicht»: Dieses Zitat des österreichischen Kabarettisten Alfred Dorfer trifft eher den Punkt, wenn es um die zahlreichen Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Innovationspark in St.Gallen geht. Um eine Antwort auf die Frage, ob es sich um eine Fehlkonstruktion handelt und was die Ursachen dafür sind, müssen wir in das Jahr 2013 zurückgehen – genauer gesagt zum 11. Dezember 2013.
Damals fand ein Parlamentarier-Anlass zum aktuellen Projektstand im Auswahlverfahren der Innovationspark Standorte statt. Insgesamt wurden sechs Standorte darunter auch St.Gallen ausgewählt. Wobei in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen wäre, dass es für den Standort in St.Gallen drei Anläufe brauchte, um gewählt zu werden.
Roman Boutellier (ETH) konstatierte damals eine Mangellage: Gemäss Protokoll fehle es an Raum und Gelegenheit, multinationale Unternehmen und Hochschulen in einen Austausch zu bringen, um Forschungsresultate zu marktfähigen Produkten zu entwickeln.
Diese Mangellage mag vollkommen der Realität entsprechen. Der entscheidende Fehler liegt darin, dass der Fokus für die weiteren Schritte einzig auf dieser Feststellung basierte.
Wenn man ein Projekt in dieser Grössenordnung und einem Anspruch gemäss Eigendefinition «von nationaler Bedeutung» beginnt, dann hätten die Initiatoren des Projektes die Fragestellung erweitern müssen. Die Fragestellung hätte lauten müssen: «Wo haben wir möglicherweise weitere Mangellagen in bereits bestehenden Beziehungen zwischen uns und Unternehmen?» Wo sind weitere Innovationspotenziale in der Gesellschaft vorhanden und mit welchen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und technischen Herausforderungen haben wir es in der Zukunft zu tun?
Diese Fragestellung ist aus meiner Sicht die Grundlage für die inhaltliche und konzeptionelle Ausrichtung von Switzerland Innovation mit den einzelnen Standorten.
Mit der aktuellen strategischen Ausrichtung von Switzerland Innovation und in weiterer Folge dem Innovationspark Ost, wird der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen für die Schweiz NICHT erzielt, welcher möglich wäre und das Ziel sein sollte.
Der Grundgedanke ist grossartig, aber mit diesem Konzept wird gleichsam eine grosse nationale Chance vergeben. Glaubwürdig in seiner Wirkung wird dieses Projekt für mich erst dann, wenn die folgenden Geburtsfehler behoben werden:
- Der erste Geburtsfehler ist das Fehlen einer Publikationsplattform für Forschungsergebnisse
- Der zweite Geburtsfehler ist die zu strikte Standort spezifische Fokussierung
- Der dritte Geburtsfehler ist die Missachtung von Themen mit einem hohen gesellschaftlichen Impact
- Der vierte Geburtsfehler ist das Fehlen einer Infrastruktur von Innovationsvorhaben für Menschen, die sich ausserhalb des universitären Spektrums befinden
- Der fünfte Geburtsfehler ist die fehlende Nachwuchsförderung für TechTalente
- Der sechste Geburtsfehler ist der fehlende niederschwellige Zugang zu einer exzellenten IT-Ausbildung
In den kommenden Wochen werde ich näher auf die einzelnen Geburtsfehler eingehen.
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Doch warum beschäftigt mich dieses Thema überhaupt?
Mit dem Thema Innovation beschäftige ich mich beruflich schon über 25 Jahre. Meiner Erfahrung nach werden Projekte zu oft mit dem Label «Innovation» versehen, obwohl deren Innovationscharakter sehr bescheiden ist.
Mir ist die Wichtigkeit dieses Themas für unsere Gesellschaft sehr bewusst, bin aber gleichzeitig der Überzeugung, dass wir, um adäquate Antworten auf künftige Herausforderungen nur finden werden, wenn wir einen viel breiteren konzeptionellen Ansatz entwickeln. Mit den sechs Innovationsparks hätten wir eine Grundlage für eine zukunftsfähige Schweiz geschaffen; allerdings müssen die vorhandenen Innovationspotenziale ganzheitlicher gesehen und gefördert werden.
Eine Gesellschaft ist dann als wirtschaftlich zukunftsfähig und stabil zu sehen, wenn wir möglichst viele Menschen befähigen, sich aktiv am wirtschaftlichen Geschehen einer Gesellschaft einzubringen.
Peter Vonach lebt und arbeitet als Innovationsberater in Appenzell. Er hat an der HTL in Bregenz Elektrotechnik und an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck Marketing studiert. In verschiedenen Führungspositionen in den Branchen Transportsysteme und Access Control hat Vonach die Expertise entwickelt, wie Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten an gemeinsamen Zielen und Innovationen arbeiten können.