Die Freude am Pilz ist ungebrochen

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Das Wandern ist eine Freude und die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Schweizerinnen und Schweizer. Wer seine Wanderlust mit etwas Sammelleidenschaft verbindet, darf mit einer noch reicheren Ernte rechnen: Pilze. Der Alpstein und sein Vorland sind ein Eldorado.

Text und Bilder: Urs Fitze

Drei Grüne Knollenblätterpilze haben es sich im Schatten einer stattlichen Tanne bequem gemacht. Sie erinnern mit ihrem fast halbkugeligen Hut, dem kerzengeraden Stiel und ihrem eigentlichen Erkennungsmerkmal, der knolligen Verdickung an der Stielbasis, an einen Regenschirm. Es ist der gefürchtetste Giftpilz, vor allem die jungen Exemplare mit kugeligem Hut können leicht mit weissen Champignons verwechselt werden. Erste Enttäuschung macht sich breit. Da hatte doch alles gepasst: Nach einer längeren Trockenperiode gab es regnerisches Wetter, danach Sonne und Wärme: Das sind in etwa die Voraussetzung für gutes Gedeihen von Pilzen.

Steinpilze am beliebtesten

Es finden sich wohl mancherlei Pilze in diesem schönen Wald oberhalb von Urnäsch, aber die, nach denen man lechzt, machen sich rar. Doch dann sind es nur ein paar Schritte ins Pilzsammlerparadies: Ein Grüppchen junger Steinpilze tummelt sich unter einer alten Fichte, beleuchtet vom Sonnenlicht, das sich am Waldrand durch deren weit ausholende Äste drängt. Einige haben sich erst aufgemacht, sich durch den Waldboden zu zwängen, andere zeigen sich schon in ihrer ganzen Pracht und Unverwechselbarkeit. Das macht die leckeren Steinpilze so beliebt. Sie sind kaum zu verwechseln, und wenn, dann mit dem sehr ähnlichen Gallenröhrling, der ungiftig ist, aber so bitter schmeckt, dass er noch jedes Pilzgericht nachhaltig vermiest. Und um den Steinpilz mit dem giftigen, aber schon wegen seines knallroten Stiels ganz anders ausschauenden Satanspilz zu verwechseln, braucht es schon ein gehöriges Mass an Unachtsamkeit – oder Gier.

Denn beim Anblick des Steinpilzparadieses kann man schon schwach werden und alles behändigen, was nach Steinpilz aussieht. Doch das könnte gerade bei den jüngsten Exemplaren fatale Folgen haben. In diesem Stadium sind viele Pilze kugelrund, der Stiel ist nur im Ansatz zu erkennen. Dann lässt sich nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es sich um einen Röhrling oder einen Lamellenpilz handelt. Deshalb lässt man die Finger von den Winzlingen und freut sich an den ausgewachsenen, eindeutig zu bestimmenden Exemplaren.

Der Steinpilz gehört leider auch zu den Pilzen, die besonders gerne von Schnecken, Maden und allerlei Insekten bevölkert werden. Selbst taufrisch aussehende Exemplare können innerlich stark zerfressen sein. Madige, angefressene Pilze sind ungeniessbar. Und Steinpilze verdienen den im Volksmund verbreiteten Gattungsnamen «Schwamm» zurecht. Wenn sie sich einmal vollgesaugt haben, werden sie zu einem schleimigen Klumpen, von dem man die Finger lässt. Des Pilzlers Glück und Pech liegen nahe beieinander.

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Im Pilzeldorado

Der Flecken Waldrand auf dem Weg zur Hochalp erweist sich als wahres Eldorado. Es finden sich Verwandte des Steinpilzes: der netzstielige Hexenröhrling, ein Maronenröhrling und eine Ziegenlippe, dazu ein Rotfussröhrling und ein Kuhpilz. Sie lassen sich alle zielsicher bestimmen, und selbst wenn man die sehr ähnlich aussehenden Kuhpilze und Ziegenlippe verwechseln sollte: Es spielt keine grosse Rolle. Beide bereichern jede Pilzmahlzeit. Und als sich kurz darauf, an anderer Stelle, in einem dunklen, steilen Nadelwald, in stattlicher Zahl die charakteristischen, praktisch unverwechselbaren Semmelstoppelpilze finden, ist es Zeit, aufzuhören. Denn auch wenn es keine wissenschaftlich haltbaren Belege dafür gibt, dass übermässiges Pilzsammeln die Bestände ins Wanken bringt, so gelten in der Schweiz in einigen Kantonen recht strenge Regeln, was die an einem Tag erlaubten Mengen betrifft.

Diese Regeln liegen in der Kompetenz der Kantone, in St.Gallen gar in jener der Gemeinden (siehe Kasten). Generell gilt die Regel, dass Pilze sammeln zu privaten Zwecken grundsätzlich erlaubt ist. Die Sammlerinnen und Sammler handeln dabei eigenverantwortlich. Niemand ist verpflichtet, die Pilze kontrollieren zu lassen. Doch es sei vor allem Anfängerinnen und Anfängern dringend empfohlen: Tox Info Suisse, die offizielle Schweizer Informationsstelle für alle Fragen rund um Vergiftungen, registriert jährlich zwischen 350 und 550 Pilzvergiftungen, mit einem klaren Schwerpunkt im Herbst.

Im Zweifelsfall verzichten

Ein eigentlicher Trend lässt sich daraus aber nicht ablesen. Denn die zu erwartenden Pilzmengen sind stark wetterabhängig: In guten Pilzjahren gibt es deshalb tendenziell auch mehr Vergiftungsfälle. Die Zeiten amtlicher Pilzkontrollen in jeder Gemeinde sind zwar vorbei. Doch es gibt nach wie vor ein, wenn auch recht loses Netz an Kontrollstellen, wo zertifizierte Expertinnen und Experten sich der Ernte annehmen. Ein Besuch kann sich dabei auch für jene lohnen, die unsicher sind. Mancher Pilz, den man als ungeniessbar eingestuft hätte, weil er, wie etwa der Hexenpilz mit seinen bunten Farben, geradezu unnatürlich ausschaut, erweisen sich dann als ausgezeichnete Speisepilze.

Es lohnt sich, sein persönliches Repertoire an Pilzen, die man sicher auch selber bestimmen kann, zu erweitern. Dann kommt man immer seltener ohne Ernte aus dem Wald. Eine Regel gilt es dabei aber immer zu beachten: Im Zweifelsfall, und sei es auch nur der geringste Zweifel, gilt es, Verzicht zu üben. Wie bei dem mutmasslichen Perlpilz, einem der besten Speisepilz überhaupt. Sein Doppelgänger, der Pantherpilz, ist sehr giftig. Wer da nicht todsicher ist, lässt die Finger davon.

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Suche am Waldrand

Pilze können grundsätzlich das ganze Jahr, auch im Winter, gesammelt werden. Die grosse Zeit der Pilze ist aber eindeutig der Spätsommer und Herbst. Doch es bleibt stark vom Wetter abhängig, wie gut sich die Pilze entwickeln. Die besten Standorte sind in aller Regel das wohl gehütete Geheimnis der Sammlerinnen und Sammler. Etwas generell lässt sich sagen, dass vor allem Waldränder mit ihrem charakteristischen Licht- und Schattenspiel von vielen Pilzen bevorzugt besiedelt werden. In Nadelwäldern mit wenig Unterbewuchs fällt das Pilzesammeln generell etwas einfacher. Deshalb eignen sich besonders die etwas höheren Lagen im Alpstein und im Hügelland besonders gut auch für Anfängerinnen und Anfänger. Dort fängt man sich nicht selten den Nachteil ein, rasch in steilerem Gelände oder einem Tobel zu landen: Gut besohltes, festes Schuhwerk ist spätestens dann unabdingbar.

Es empfiehlt sich, einen Pilzführer dabei zu haben, der die Bestimmung erleichtert. Es reicht dabei vollkommen aus, wenn nur die wichtigsten Pilze vertreten sind. Wichtiger ist eine detaillierte Beschreibung inklusive jener Pilze, mit denen Verwechslungsgefahr besteht. Das Bestimmen macht gerade mit Kindern grossen Spass. Eine gute Suchfunktion zu Pilzkontrollstellen und deren Öffnungszeiten findet sich auf der Webseite der Schweiz. Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane: www.vapko.ch, dort unter der Rubrik «Pilzkontrollstelle finden». Auf der Webseite gibt es auch gute Tipps zum Pilzesammeln. Pilze sind übrigens schwer verdaulich und sollten deshalb in der Regel eher als Beilage denn als Hauptspeise gekocht werden.

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Das Regelwerk

In der Ostschweiz gelten folgende Regeln zum Pilzesammeln:

Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden:

1 kg pro Tag. Nur ausgewachsene Pilze von Hand gepflückt.

Kanton St.Gallen:

Gemeinden Thal, Rheineck, St.Margrethen, Berneck, Au, Widnau, Balgach, Diepoldsau, Rebstein, Marbach, Altstätten, Eichberg, Oberriet und Rüthi: Es gilt eine Sammelbeschränkung von 2 kg pro Person und Tag.

In den Gemeinden Sennwald, Gams, Grabs, Buchs, Sevelen, Wartau, Sargans, Vilters-Wangs, Bad Ragaz, Pfäfers, Mels, Flums, Walenstadt, Quarten, Amden, Weesen, Schänis, Kaltbrunn, Gommiswald, Uznach und Eschenbach gilt:

1) Jeweils vom 1. bis 10. Tag jedes Monats Sammelverbot, maximal 2 kg an den anderen Tagen.

In allen übrigen Gemeinden gibt es keine Vorschriften.

Kanton Thurgau:

1 kg pro Tag und Person, ausgenommen Rote-Liste-Arten.

Kantone Glarus und Graubünden:

Sammelverbot vom 1. bis 10. Jedes Monats, maximal 2 kg an den anderen Tagen.