Abkühlung und Anspannung

Die jüngst erlebten Krisen hinterlassen weltweit immer sichtbarere Spuren. Trotz global eingeleiteter Zinswende verursachen die vielerorts noch immer hohen Inflationsraten weiterhin Kopfzerbrechen. Der Zinserhöhungszyklus vieler Zentralbanken dürfte damit wohl noch nicht zu Ende sein. Bereits jetzt sorgt das höhere Zinsniveau für immer deutlichere Verwerfungen.
Nachdem letztes Jahr die Finanzmärkte im Zuge des Zinsanstieges ordentlich Federn lassen mussten, schüren jetzt auch in der Schweiz Sorgen um die Gesundheit des Finanzsystems gewisse Ängste. Der Gegenwind wird aber auch in der Realwirtschaft immer spürbarer, denn die höheren Zinsen entfalten hier immer mehr ihre dämpfende Wirkung.
Abkühlung am Eigenheimmarkt in Sicht
Der vermeintlich äusserst zinssensitive Immobilienmarkt lässt sich – zumindest in der Schweiz – von diesen Turbulenzen bisher weiterhin kaum aus der Ruhe bringen. Innerhalb der letzten vier Quartale, welche vor allem durch Inflationssorgen und Zinsanstiege geprägt waren, haben sich die gehandelten Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen weiter kräftig erhöht.
Allerdings mehren sich nun die Zeichen einer anstehenden Abkühlung an diesem zuletzt extrem heiss gelaufenen Markt. Mit dem Attraktivitätsverlust von Wohneigentum gegenüber Mietwohnungen kann mittlerweile eine spürbare Abnahme der Nachfrage nach den eigenen vier Wänden festgestellt werden.
Angebotsseitig hat sich der während der Pandemie völlig ausgetrocknete Markt zuletzt zudem wieder etwas erholt. Aktuell werden wieder deutlich mehr Objekte aus dem Bestand zum Verkauf angeboten. Damit könnte sich nun langsam die Schere zwischen Angebot und Nachfrage, welche in den letzten Jahren für das exorbitante Preiswachstum verantwortlich war, schliessen und das von uns prognostizierte Soft Landing einsetzen.
Für mehr als eine Abschwächung der Preisdynamik dürfte es an diesem Markt aber vorerst nicht reichen. Markante Preisrückgänge bleiben aufgrund der weiterhin dominierenden Knappheit unwahrscheinlich.
Mietwohnungsmarkt erhitzt sich weiter
Während sich am Eigenheimmarkt eine spürbare Abkühlung ankündet, hat der Wind am Mietwohnungsmarkt in die Gegenrichtung gedreht. Sämtliche Indikatoren zeugen hier von einem deutlichen Anstieg der Markttemperatur. Immer mehr Haushalte sind auf der Suche nach den in vielen Regionen rasch knapper werdenden Mietwohnungen.
Eine Besserung der vielerorts bereits angespannten Marktlage ist nicht in Sicht. Weder von der Angebots- noch von der Nachfrageseite kann in nächster Zeit mit Entspannungsimpulsen gerechnet werden. Eine dynamische Zuwanderung und die auf dem Wohnungsmarkt immer aktiver werdenden ukrainischen Flüchtlinge werden die Zusatznachfrage hochhalten. Gleichzeitig planen Investoren trotz sinkender Leerstände und bald deutlich steigender Mieten bisher keine Ausweitung der Wohnbautätigkeit.
Im Umfeld steigender Baupreise, erhöhter Finanzierungskosten, immer höherer administrativer Hürden und deutlich gestiegener Opportunitätskosten reichen die Anspannungszeichen noch nicht, um die Attraktivität neuer Bauprojekte genügend zu steigern. Vieles weist darauf hin, dass sich ohne Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen an dieser Situation kurzfristig nichts ändern wird.
Lösungen gegen die Wohnungsnot
Nachdem lange Zeit nur Marktbeobachter vor dem sich akzentuierenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage am Mietwohnungsmarkt gewarnt hatten, ist das Thema in den letzten Monaten endlich ins Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit getreten. Fast täglich äusserten sich Experten, Politiker und Interessenvertreter verschiedener Verbände in den nationalen Medien mit Problemanalysen und Lösungsvorschlägen zur Thematik.
Auch in Bundesbern ist die Wohnungsknappheit mittlerweile angekommen. Einen breiten Konsens und tragfähige Lösungen haben die seither geführten Diskussionen jedoch noch nicht zutage gefördert. Auch bei der Beurteilung der Dringlichkeit und Schwere des Problems herrscht bisher noch wenig Einigkeit.
Auch wenn tatsächlich zahlreiche Stellschrauben gedreht werden könnten, um Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wird vor allem klar, dass es für das Problem keine einfachen Lösungen gibt. Ohne schmerzhafte Güterabwägungen und einschneidende Kompromisse ist der Wohnungsnot nicht beizukommen.
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