Wirtschaft

Der Preis für Liquidität wird teurer

Der Preis für Liquidität wird teurer
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Der Bundesrat beschloss Ende März, die Zinssätze für ausstehende Covid-Kredite zu erhöhen. Bis 500’000 Franken sind neu 1,5 Prozent (statt 0) und für Kredite über 500'000 Franken 2 Prozent (statt 0,5) zu entrichten. Er trage damit «der Zinsentwicklung Rechnung». Gewerbeverbände und Handelskammern sind nicht begeistert.

Das Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz sieht vor, dass der Bundesrat jeweils per 31. März die Zinssätze der Covid-19-Kredite an die Marktentwicklungen anpasst. Bei der Lancierung der Finanzhilfen im März 2020 betrugen die Zinssätze 0,0 Prozent für Kredite unter 500'000 Franken oder 0,5 Prozent für Kredite über 500'000 Franken. Die Überprüfungen in den Jahren 2021 und 2022 hatten keine Anpassung der Zinssätze zur Folge, da sich die massgebenden Zinssätze im negativen Bereich befanden. Bei der Festlegung der Zinssätze für die Covid-19-Kredite berücksichtigt der Bundesrat unter anderem die Höhe des SNB-Leitzinses. Dieser beträgt neu 1,5 Prozent. An seiner Sitzung vom 29. März 2023 hat der Bundesrat beschlossen, die Zinsen für Covid-19-Kredite zu erhöhen: auf Krediten bis 500'000 Franken wird ab dem 1. April 2023 ein Zins von 1,5 Prozent fällig, auf Krediten über 500'000 Franken ein solcher von 2 Prozent.

Die Anpassung der Zinssätze biete einen Anreiz, «Covid-Kredite nicht länger als notwendig zu beanspruchen», so der Bundesrat. Dies entspreche sowohl dem ursprünglichen Zweck des Kreditprogramms – der Überbrückung von coronabedingten Liquiditätsengpässen – als auch dem Interesse der Steuerzahler an «möglichst geringen Kreditausfällen».

«Ungünstiger Zeitpunkt»

KGV-Geschäftsführer Felix Keller hält wenig von der Zinsanpassung: «Für den Kantonalen Gewerbeverband St.Gallen ist dieser Entscheid nicht gerechtfertigt und kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt.» Die Banken hätten, als die Idee der Covid-Kredite erarbeitet wurde, öffentlich verkündet, mit diesen Krediten kein Margengeschäft machen zu wollen. «Die Zinserhöhung stellt aber ein Margengeschäft dar.»Zudem seien diese Kredite über das Bürgschaftswesen gesichert, was ihnen eine übermarktliche Qualität verleihe, die sich in weniger Risiken und damit auch tieferen kalkulatorischen Zinsen niederschlägt. Kellers zweiter Kritikpunkt: «In enger zeitlicher Abfolge werden mehrere Milliarden Franken für die Korrektur von Versagen von Grossbanken gesprochen, aber KMU zur Kasse gebeten. Das ist störend.» 

  
Felix Keller, Marc Wilder, Jérôme Müggler, Jan Riss
Felix Keller, Marc Wilder, Jérôme Müggler, Jan Riss

Marc Widler, Geschäftsführer des Thurgauer Gewerbeverbands, sieht das ähnlich: «Damit vollzieht der Bundesrat zwar geltendes Recht, er beweist aber wenig Fingerspitzengefühl für die Situation in den Betrieben.» Die Zinssituation am Kapitalmarkt sei heute eine andere als vor drei Jahren. Aber: «Viele Unternehmen kämpfen nach wie vor mit steigenden Kosten und sinkenden Erträgen. Ein Blick auf die jüngste Konkursstatistik genügt.» Für Kreditnehmer, die während der Pandemie mit einem Covid-Kredit Arbeitsplätze erhalten haben, müsse sich der Zinsentscheid des Bundesrates «wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen». Die Landesregierung begründet den Entscheid auch damit, dass mit der Anpassung der Zinssätze ein Anreiz für die Unternehmen geschaffen wird, die Covid-Kredite nicht länger als notwendig zu beanspruchen. «Dabei scheint er vergessen zu haben, dass die Kredite ohnehin in acht Jahren, also bis 2028, vollständig zurückbezahlt sein müssen», so Widler.

«Nachvollziehbar, aber belastend»

Für Jérôme Müggler, Direktor der IHK Thurgau, ist die Erhöhung der Zinssätze für die ausstehenden Covid-19-Kredite hingegen «ein nachvollziehbarer und zu erwartender Schritt». Zur Sicherstellung der Liquidität konnten Unternehmen, die durch die Covid-19-Krise betroffen waren, zwischen 26. März 2020 und 31. Juli 2020 vom Bund verbürgte mÜberbrückungskredite beantragen. Knapp 137'000 Unternehmen haben diese Möglichkeit damals genutzt – im Umfang von 17 Milliarden Franken. «Eine Massnahme, die international Beachtung fand, weil sie umgehenden und unkomplizierten Zugang zu notwendigen finanziellen Mitteln ermöglichte.»

Der Bundesrat berücksichtige verschiedene Kriterien bei der Festlegung der Zinssätze für Covid-Kredite. «Dazu gehört der Leitzins der SNB, der seit Herbst 2022 in mehreren Schritten erhöht wurde – letztmalig im vergangenen März auf 1,5 Prozent», so Müggler. Dies habe direkte Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen für Zinsen auf Kredite oder Einlagen. Folglich seien nun auch die Covid-Kredite betroffen. «Es bleiben bis dato verhältnismässig günstige Kredite, die in dieser Form auf den Kapitalmärkten nicht zu haben gewesen wären.» Dass die Zinsen auf die Kredite jetzt angepasst werden, sei nachvollziehbar, auch wenn dies «im Einzelfall neben der aktuellen Inflation eine weitere finanzielle Belastung darstellen kann».

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«Keine Gratiskredite»

Jan Riss, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell, sieht das ähnlich: «Dass der Bundesrat die Zinsen auf die Covid-Kredite angehoben hat, ist für zahlreiche Unternehmen ärgerlich, aus ordnungspolitischer Sicht aber richtig.» Anfangs kamen Zinssätze von 0.0 Prozent für Kredite unter 500'000 Franken und 0.5 Prozent für Kredite über 500'000 Franken zur Anwendung. «Grund für diese tiefen Zinsen war das deflationäre Umfeld mit negativem Leitzins – und nicht etwa die Idee von ‚Gratiskrediten’ in Form von zinslosen Darlehen», so Riss. In der Zwischenzeit habe sich die beinahe tot geglaubte Inflation wuchtig zurückgemeldet. «Das Geld verliert an Wert, die SNB reagierte richtigerweise mit mehreren Leitzinserhöhungen. Für die Banken, die die Covid-Kredite vergaben, verteuerte sich also die Geldbeschaffung bei der Nationalbank», so Riss. Es sei daher angebracht, dass auch die Zinsen auf die Covid-Kredite – also der Preis für Liquidität – angehoben wurden. Selbst mit 1.5 resp. 2.0 Prozent befinden sie sich noch deutlich unter der Inflationsrate von derzeit 2.6 Prozent. «Unschön ist hingegen das Argument des Bundes, wonach die Zinsanhebung Anreize zur beschleunigten Rückzahlung der Kredite liefern soll. Kommuniziert wurde ursprünglich eine Laufzeit von acht Jahren. Die Unternehmen haben sich darauf eingestellt. Dass sie nun vom Bundesrat nahezu als säumige Zahler gebrandmarkt werden, geht nicht an», sagt der IHK-Chefökonom.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Archiv, zVg

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