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Wie ein Familienunternehmen aus Bühler zum One-Stop-Shop für Designer weltweit wurde

Wie ein Familienunternehmen aus Bühler zum One-Stop-Shop für Designer weltweit wurde
Matthias Tischhauser
Lesezeit: 5 Minuten

Mit vier Divisionen – Teppichböden, Stoffe, Textilien für den Transportbereich sowie textile Sportbodenbeläge – entwickelt und produziert Tisca Textilien für Kunden auf der ganzen Welt. Matthias Tischhauser, Delegierter des Verwaltungsrates, der das Unternehmen gemeinsam mit seinen Brüdern Andreas und Nick leitet, kennt die aktuellen Herausforderungen – und Chancen.

Was 1940 durch Anton Tischhauser sen. als Kleinstbetrieb gegründet wurde, ist heute ein weltweit tätiger Komplettanbieter mit rund 400 Mitarbeitern: Die Tisca-Gruppe mit Hauptsitz in Bühler bleibt auch in dritter Generation ein unabhängiges, familiengeführtes Unternehmen.

«Wir entwerfen, entwickeln und produzieren hochqualitative Textilien für die Gestaltung von Lebensräumen im Innen- und Aussenbereich unter einem Dach. Hergestellt in der Schweiz», fasst Matthias Tischhauser die DNA des Unternehmens zusammen. «Dazu gehören alle Arten von Teppichen, Sportbelägen, Sauberlaufzonen, Möbelstoffen, Dekorstoffen und Gardinen in sorgfältig abgestimmten Dessins und Farben. Zudem produzieren wir einbaufertige Produkte, etwa dampfplissierte Vorhänge oder konfektionierte Teppiche.»

«Aktuell sehr erfolgreich unterwegs sind die Appenzeller in der Luftfahrt, im Schienenfahrzeug- und im Sportbereich.»

Living, Commercial, Mobility & Sports

Die Mission des Unternehmens? Mit Textilien Räume zu gestalten. «Allen Errungenschaften moderner Technologien zum Trotz – um sich in einem Raum wohlzufühlen, braucht es Teppiche, und es braucht Stoffe und Vorhänge. Textilien steuern die Luftfeuchtigkeit, sie entziehen der Luft Staub und Bakterien, sie dämpfen den Lärm, isolieren, sind angenehm zu berühren und mit ihren Farben und Strukturen geben sie Räumen ihr Gesicht – wo wir wohnen und wo wir arbeiten», bricht Tischhauser eine Lanze für die Materialien aus verflochtenen Fasern.

Mit dieser Ausrichtung gehört Tisca zu den bedeutendsten Anbietern von Transport-, Objekt-, Sport- und Wohntextilien. Die Kundengruppen sind entsprechend vielseitig: «Als Kompletthersteller produzieren wir kundenspezifisch hergestellte Produkte genau nach Vorgabe», so Matthias Tischhauser. Die vier Märkte heissen: Living (Heimbereich und Garten), Commercial (Büro, öffentliche Gebäude, Hotels, Gastro, Shops, Gesundheitswesen), Mobility (Flugzeug, Zug, Bus, Schiff) und Sports (Fussball, Tennis, Golf, Multisport). Geliefert wird weltweit – von Australien über den Nahen Osten bis nach Nord- und Südamerika. «Und natürlich auch in Europa.»

Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist die breit aufgestellte Struktur: «Wir sind weltweit das einzige Unternehmen, das ein derart vielfältiges Sortiment an textilen Bodenbelägen, Sitzbezugsstoffen, Vorhängen und konfektionierten Produkten unter einem Dach entwirft, entwickelt und produziert – ohne Untervergabe an Subunternehmer», sagt Tischhauser. «Das macht uns zum perfekten One-Stop-Shop für unsere Kunden, Designfirmen und Architekten, die ein Flugzeug, einen Zug, ein Hotel oder ein Bürogebäude ausstatten wollen.» Und es macht alles verlässlicher, schneller, nachhaltiger und günstiger für die Kunden der Appenzeller, da sie die Waren direkt ab Produktion beziehen können.

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Diversifikation macht krisenresistent

Zudem profitiert Tisca von ihrer Diversifikation – sowohl in Produkten als auch in Märkten. «Das macht uns nicht nur krisenresistent, sondern bietet auch Synergiepotenziale, die wir an unsere Kunden weitergeben», sagt Matthias Tischhauser. Beim Thema Preisdruck wird Tischhauser deutlich: «Wir gewinnen über Qualität, Funktionalität, Innovation und Service. Wenn der Einkäufer nur den Quadratmeterpreis anschaut, dann sind wir immer die Teuersten – erst recht im Ausland. Wenn die Kunden hingegen die gesamten Lebenszykluskosten berücksichtigen, dann gehören wir zu den Besten.»

Und wie läuft das Geschäft aktuell? «Dank unserer diversifizierten Produkte und Märkte gibt es immer Bereiche, die gerade sehr gut laufen, während andere harzen», so Tischhauser. Während der Pandemie war die kommerzielle Luftfahrt sprichwörtlich am Boden, während der Heimbereich boomte. Momentan ist es gerade umgekehrt: Aktuell sehr erfolgreich unterwegs sind die Appenzeller im Schienenfahrzeugbereich, in der Luftfahrt und im Sportbereich. «Schwierig ist das Umfeld hingegen schon seit einigen Jahren in Deutschland, unserem grössten Exportmarkt für den Heim- und Objektbereich.» Zunehmend anspruchsvoll gestaltet sich auch die Beschaffung: «Es gibt immer weniger Lieferanten für Rohmaterialien in Europa – etwa Garnhersteller, aber auch Veredelungsbetriebe. Damit wird die ganze textile Kette noch internationaler, was gerade mit Blick auf unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen eine Herausforderung sein kann.»

 

«Geliefert wird weltweit – von Australien über den Nahen Osten und Amerika bis Europa.»

Nachhaltigkeit ist ein gutes Stichwort. Wie sieht es damit in Bühler aus? «Nachhaltigkeit, Innovation und Digitalisierung gehen auch für die Tisca Hand in Hand.» Seit sieben Jahren ist eine Nachhaltigkeitsbeauftragte bei Tisca tätig. «Wir produzieren Teppichböden aus rezyklierten Abfallmaterialien, etwa aus in den Ozeanen eingesammelten Fischernetzen. Und digitalisierte Produktionsprozesse erlauben, Produkte anhand ihrer Chargennummer akkurat zu sortieren und dem entsprechenden Rücknahmeprogramm zuzuordnen», sagt Matthias Tischhauser. Auch auf Unternehmensebene wird Nachhaltigkeit gelebt: «Wir produzieren über 50 Prozent unseres Strombedarfs mit eigenen PV-Anlagen, heizen mit erneuerbaren Energien und haben unsere Gebäudehüllen saniert. Wir berechnen unseren Company-Carbon-Footprint und folgen einem wissenschaftsbasierten Absenkpfad.»

Auch das Engagement im Ausland lässt sich sehen: «In Schottland besitzen wir ein Grundstück, auf dem eine Fläche von rund 20 km² aktiv aufgeforstet wird. So konnten bereits 100´000 Tonnen CO2 gespeichert und ein vielfältiges Ökosystem geschaffen werden.» Ebenso wird dort ein Windpark mit 19 Windenergieanlagen betrieben. Und auch lokal setzt Tisca ein Zeichen: «Als Beitrag für die Gesellschaft im Appenzellerland und darüber hinaus unterstützt die Tisca-Tischhauser-Stiftung seit Jahrzehnten alle Arten von kulturellen und gesellschaftlichen Projekten und Belangen.»

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An liberalen Prinzipien festhalten

Mit Blick auf die Branche zeigt sich Matthias Tischhauser grundsätzlich optimistisch: «Für innovative Unternehmen gibt es immer einen Markt – das gilt auch für den Textilbereich.» Gleichzeitig warnt er: «Die ganze Schweizer Industrie kämpft mit dem starken Franken, zunehmender Bürokratie und vielen komparativen Nachteilen gegenüber Mitbewerbern aus anderen Kontinenten.» Der wirtschaftspolitische Handlungsbedarf sei akut. «Wir sind kurz davor, unseren Wohlstand zu verspielen.» Laufende wirtschafts- und standortschädliche Referenden, Reformstau, steigende Staatsquote und wachsender Sozialausbau gefährdeten das Erfolgsmodell Schweiz. «Um es zu erhalten, müssen wir an den liberalen Prinzipien festhalten, die uns gross gemacht haben: Eigenverantwortung statt staatlicher Bevormundung, Anreize statt Verbote, Marktwirtschaft statt obrigkeitlicher Eingriffe, mehr Freihandel und weniger Abschottung und Protektionismus.»

Ein weiterer Dauerbrenner ist der Fachkräftemangel. «Wir setzen vor allem auf Ausbildung im eigenen Betrieb», so Tischhauser. «Wir achten bei der Einstellung vor allem auf Einstellung, Persönlichkeit und Charakter – und schulen den Rest.» Sorge bereitet ihm jedoch der «Braindrain» aus der Region: «Die Abwanderung von gut ausgebildeten und qualifizierten jungen Menschen in die grossen Wirtschaftszentren verursacht vielseitige negative Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.»

Für Tisca ist das Appenzellerland aber nach wie vor ein idealer Standort: «Es ist vor allem ein äusserst attraktiver Wohnort. Wir ermöglichen unseren Angestellten, diese Wohnvorteile mit einer Arbeitsstelle vor Ort zu verbinden», so Matthias Tischhauser. Die hohe Lebensqualität, lokale Identität und wirtschaftsfreundliche Politik seien klare Vorteile. «Für ein Unternehmen wie Tisca, das Qualität und Tradition mit moderner Technologie verbindet, ist es ein attraktiver Standort, dem wir Sorge tragen müssen.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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