LEADER-Hauptausgabe

Verschlüsse aus dem Appenzeller Vorderland sind international gefragt

Verschlüsse aus dem Appenzeller Vorderland sind international gefragt
Thomas Baselgia
Lesezeit: 4 Minuten

Vom Einmannbetrieb zum internationalen Qualitätsanbieter für Verschlusssysteme: Die Herrmann AG in Walzenhausen blickt auf eine beeindruckende Geschichte zurück und positioniert sich heute mit über 700 Millionen produzierten Teilen jährlich als verlässlicher Partner für Pharma, Kosmetik, Medizin und Industrie.

Der 1. August ist für die Herrmann AG gleich doppelt bedeutend: Während die Schweiz ihren Nationalfeiertag begeht, feiert das Unternehmen jeweils seinen Geburtstag. Gegründet wurde es 1946 von Ernst und Fanny Herrmann als Werkstatt für Präzisionsmechanik. Bereits wenige Jahre später wagte das Ehepaar den Schritt in die Kunststoffverarbeitung – mit der Anschaffung der ersten Spritzgussmaschine. Dieser Entscheid legte den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert: Heute zählt die Firma rund 70 Mitarbeiter und beliefert über 30 Länder mit jährlich etwa 700 Millionen Spritzgussteilen.

«Viele unserer Angestellten sind seit über 30 oder 40 Jahren im Unternehmen tätig.»

Qualität «Made in Walzenhausen»

«Unser Markenzeichen ist konstante und nachhaltige Qualität», sagt Geschäftsführer Thomas Baselgia. «Dazu kommt unser Fokus auf individuelle Kundenlösungen – wir begleiten unsere Auftraggeber von der Idee bis zum serienreifen Produkt.» Ein besonderer Trumpf sei dabei die Inhouse-Konstruktion im eigenen Werkzeugbau, die massgeschneiderte Werkzeuge auf höchstem Niveau ermöglicht.

Die Herrmann AG hat sich über die Jahrzehnte als Spezialist für Kunststoffverschlüsse etabliert – vom klassischen Schraubdeckel bis zum kindersicheren Pharmazieverschluss. In der Pharmabranche ist das Unternehmen besonders stark vertreten: Über 60 Prozent des Umsatzes entfallen auf diesen Sektor, der Exportanteil liegt bei rund 75 Prozent. Doch auch in Bereichen wie Kosmetik, Reinigungsmittel oder Agrochemie kommen die Produkte zum Einsatz. Die Nachfrage steigt – in Europa, in Nord- und in Südamerika. «In Spanien, Deutschland, Italien und Osteuropa registrieren wir besonders starkes Wachstum», so Baselgia. «Aber auch in Übersee – etwa in den USA und Kanada – sehen wir grosses Potenzial, das wir künftig noch stärker ausschöpfen möchten.»

Bergrennen Hemberg 25  Unternehmertag Vaduz  

Zertifiziert und nachhaltig unterwegs

Ein Garant für diesen Erfolg ist die kompromisslose Qualitätsstrategie des Unternehmens: Die Produktion unterliegt strengen Kontrollen, unterstützt von modernsten Prüfgeräten und ausgefeilten Messprozessen. Entsprechend ist die Herrmann AG nach ISO 9001, ISO 13485 (Medizinprodukte) und ISO 15378 (GMP für pharmazeutische Verpackungen) zertifiziert.

Auch in puncto Umweltbewusstsein ist die Herrmann AG auf der Höhe der Zeit. «Wo es technisch und regulatorisch möglich ist, setzen wir Kunststoffmahlgut aus interner Produktion ein», sagt Baselgia. «Zudem kommen aufbereitete Kunststoffe zum Einsatz, sofern dies mit den Kundenanforderungen und den gesetzlichen Vorgaben vereinbar ist.»

Die Herausforderungen, welche neue EU-Richtlinien – etwa zur Reduktion von Einwegplastik – mit sich bringen, betreffen das Unternehmen laut Thomas Baselgia nur am Rande. «Unsere Produkte sind meist mehrteilige Verschlusssysteme für spezifische Anwendungen – da stehen Funktionalität und Sicherheit im Vordergrund.»

«Wir wollen nicht nur als Produzent, sondern als Entwicklungspartner wahrgenommen werden.»

Auf dem Weg zum Systemanbieter

Gleichwohl treibt die Herrmann AG die Entwicklung neuer Technologien voran: «Ein Trend sind patientenfreundliche Verschlüsse, die sich auch für Menschen mit eingeschränkter Motorik einfach öffnen lassen», sagt der Geschäftsführer. Kindersicherheit und Erstöffnungsgarantien seien ebenfalls wichtige Innovationsfelder.

Trotz aller technologischen Trends bleibt die Serienproduktion im klassischen Spritzgussverfahren das Rückgrat der Produktion. Additive Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck kommen – wenn überhaupt – nur bei Prototypen oder Kleinserien zum Einsatz. «Für die industrielle Massenfertigung gibt es aktuell keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zum Spritzguss», sagt Baselgia.

Ein zukunftsträchtiger neuer Bereich ist für die Herrmann AG jedoch das sogenannte Spritzblasen – eine Technologie, mit der kleine Hohlkörper wie Fläschchen hergestellt werden können. «Wir sind vor etwa einem Jahr in diesen Bereich eingestiegen», so Thomas Baselgia. «Die Vision ist, als Systemanbieter aufzutreten und dem Kunden komplette Lösungen – vom Behälter über den Verschluss bis zum Trockenmittel – anzubieten.»

Auch interessant

Hightech aus Herisau
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

Hightech aus Herisau

Wie ein Familienunternehmen aus Bühler zum One-Stop-Shop für Designer weltweit wurde
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

Wie ein Familienunternehmen aus Bühler zum One-Stop-Shop für Designer weltweit wurde

Stark verwurzelt, klug vernetzt
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

Stark verwurzelt, klug vernetzt

Fachkräftemangel? Nicht im Appenzellerland!

Dass der Firmensitz seit Gründung in Walzenhausen geblieben ist, ist kein Zufall. «Wir haben hier stets gute Fachkräfte gefunden – viele unserer Angestellten sind seit über 30 oder 40 Jahren im Unternehmen tätig», freut sich Baselgia. Die Loyalität und Erfahrung im Team seien unbezahlbar – und ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg.

Auch den Wirtschaftsstandort Appenzellerland weiss der Geschäftsführer zu schätzen: «Der Austausch mit den Behörden ist unkompliziert, Anliegen werden effizient bearbeitet, und der Arbeitsmarkt funktioniert gut.» Verbesserungspotenzial sieht er lediglich bei der Anbindung an den öffentlichen Verkehr – sowie beim Freizeit- und Gastroangebot in Walzenhausen, sagt Thomas Baselgia mit einem Augenzwinkern.

«Für die industrielle Massenfertigung gibt es keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zum Spritzguss.»

Nordamerika im Fokus

Für die kommenden Jahre hat die Herrmann AG ambitionierte Ziele: Neben dem weiteren Ausbau des Produktsortiments – etwa im Bereich von Trockenmittel-Verschlüssen – steht die Internationalisierung im Fokus. Insbesondere die USA und Kanada sollen künftig stärker bearbeitet werden. «Wir sind bereits auf Messen in den USA präsent und suchen Partner, die uns beim Markteintritt unterstützen», erklärt Baselgia.

Auch intern wird kontinuierlich investiert: in moderne Maschinen, Automatisierung, aber auch in die Ausbildung der Mitarbeiter. «Denn wir wollen nicht nur als Produzent, sondern als Entwicklungspartner wahrgenommen werden – mit Know-how, Innovationskraft und Verlässlichkeit», so Thomas Baselgia.

Das Erfolgsrezept der Herrmann AG ist letztlich einfach, aber wirkungsvoll: Qualität, Kundennähe und ein klares Bekenntnis zum Standort und zur Region. «Wir sind überzeugt: Hochwertige Verpackungslösungen ‹Made in Walzenhausen› haben weltweit eine Zukunft», sagt Baselgia – und beweist mit seinem Unternehmen täglich, dass diese Überzeugung keine leere Worthülse ist.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

Auch interessant

Von Ikea bis Amazon
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

Von Ikea bis Amazon

«Die Übernahme schafft Sicherheit»
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

«Die Übernahme schafft Sicherheit»

Herr der Drohnen
Fokus Wirtschaftsraum Appenzellerland

Herr der Drohnen

Schwerpunkte