Ziegler: Wer hat, dem wird gegeben

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Die Ostschweizer Löhne liegen unter dem Schweizer Durchschnitt, ebenso wie die Lebenshaltungskosten. Nur eine «Branche» wird hierzulande besser bezahlt als anderswo: die öffentliche Hand. Trotzdem soll der Steuerzahler mithelfen, die St.Galler Pensionskasse zu sanieren.

von Stephan Ziegler*

Die IHK St.Gallen-Appenzell zeigt in einer aktuellen Studie auf, das in der Ostschweiz die zweittiefsten Löhne im Land gezahlt werden. Das ist nicht weiter tragisch, gleichen doch die tiefen Lebenshaltungskosten den Rückstand grosso modo aus: Der Durchschnittslohn in der Region (in der IHK-Studie AR, AI, SG, TG, GL, GR und SH) lag 2014 mit 6027 Franken pro Monat sechs Prozent unter dem Schweizer Schnitt von 6427 Franken. Damit weist die Ostschweiz fast das tiefste Lohnniveau der Schweiz auf – nur im Tessin sind die Löhne noch tiefer. Gleichzeitig mussten Ostschweizer Haushalte für Wohn- und Energiekosten, Krankenkassenprämien und Steuern aber auch deutlich weniger bezahlen als der Durchschnittschweizer: Bei uns liegen die Lebenshaltungskosten um knapp zehn Prozent unter denjenigen der Schweiz.

Das heisst konkret: Der vom Bund definierte Durchschnittshaushalt zahlt in der Ostschweiz pro Monat 2926 Franken für Miete, Steuern und Krankenkasse. Das sind über 300 Franken weniger als der Schweizer Schnitt von 3255 Franken. Ein Ostschweizer Arbeitgeber kann damit einen tieferen Lohn offerieren und im Wettbewerb um Arbeitskräfte trotzdem konkurrenzfähig bleiben.

Die gleiche Logik gälte auch für die öffentliche Hand. Eigentlich. Doch da sieht es etwas anders aus als in der Privatwirtschaft: Wie die IHK in ihrer Untersuchung nachweist, entspricht der durchschnittliche Lohn in der öffentlichen Verwaltung dem schweizerischen Mittel, bei Erziehung und Unterricht liegen die Löhne in der Ostschweiz sogar drei Prozent darüber – obwohl auch Staatsangestellte von den tieferen Lebenshaltungskosten in der Ostschweiz profitieren. Allgemein seien die regionalen Lohnunterschiede in den staatlichen und staatsnahen Branchen viel kleiner als im privaten Sektor. Das sei ein Zeichen für bürokratische Lohnregeln, da es auch gute Gründe für regionale Unterschiede bei den Löhnen gäbe, kommentiert die IHK.

Denn für Beamte und Lehrer ist das Leben in der Ostschweiz natürlich ebenfalls billiger als andernorts. Sie erhalten damit im Durchschnitt höhere Reallöhne als in anderen Regionen. Bei der Sanierung der Pensionskassen des Personals der öffentlichen Dienste, es ist vor allem an den Kanton St. Gallen zu denken, sollte dieser Aspekt auf jeden Fall berücksichtigt werden, meint die IHK: Neben überdurchschnittlichen Löhnen beim Staat sollten die Steuerzahler, die ja selber meist die tieferen Ostschweizer Löhne erhalten, nicht auch noch grosszügige Regelungen bei der St.Galler Pensionskasse schultern müssen.

Damit stellt sich die IHK St.Gallen-Appenzell gegen die Einmaleinlage von 200 Millionen Franken, mit der die St.Galler Regierung das Loch bei ihrer Pensionskasse stopfen möchte. Sie steht nicht alleine: Es könne dem Steuerzahler nicht zugemutet werden, wieder eine so hohe Summe einzuschiessen, findet auch die Finanzkommission des Kantonsrats. Umso mehr, als private Kassen, die in vergleichbaren Situationen steckten, die Probleme selbst lösen müssten. Die Kantonsangestellten wollen aber die Unterdeckung ihrer Pensionskasse nicht wie Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft selber tragen: Sie verlangen, dass dafür der Steuerzahler aufzukommen habe.

*Stephan Ziegler ist Chefredaktor der LEADER-Herausgeberin MetroComm AG.