Spitex-Skandal schwappt in die Ostschweiz

Mit einem Trick kassieren gewisse Spitex-Firmen bei den Krankenkassen ab, berichtet das Branchenportal medinside.ch: Sie schicken schlecht bezahlte Betreuerinnen ohne anerkannte Pflege-Ausbildung zu den Patienten, verrechnen dann jedoch der Krankenversicherung teure Pflegeleistungen.
Privatspitex Seeblick muss Geld zurückzahlen
Die Privatspitex Seeblick mit Hauptsitz in Zürich und Standorten u.a. in Uznach und Rapperswil-Jona ist aufgrund von Recherchen des «Kassensturz» aufgeflogen: Sie bezahlte ihren Betreuerinnen für Rund-um-die Uhr-Einsätze monatlich nur gerade 3'000 Franken bar auf die Hand. Diese Einsätze liess sich die Firma dann von den Krankenkassen vergolden, indem sie dort Pflegeeinsätze geltend machte. Die Spitex Seeblick, die vom ehemaligen Luzerner SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam geleitet wird, entschuldigte sich für die falschen Abrechnungen und versprach, den Kassen das Geld zurückzuzahlen.
medinside.ch weiss: Was die Spitex Seeblick gemacht hat, ist nur die Spitze des Eisbergs. Auch andere Spitex-Unternehmen betrügen die Krankenkassen. Die Krankenkasse CSS hat bereits bei rund einem Dutzend Privatspitex-Organisationen Unstimmigkeiten festgestellt, wie Dieter Siegrist, Leiter Bekämpfung Versicherungsmissbrauch bei der CSS, gegenüber medinside.ch bestätigte. Insgesamt drei Millionen Franken hat die CSS bei diesen Firmen schon zurückgefordert. Den grössten Teil habe sie zurückerhalten.
Kampf gegen Betrüger ist schwierig
Über 20 weitere Spitex-Organisationen stehen bei der Versicherung unter Verdacht. Diese Firmen werden derzeit von der CSS vertieft überprüft. Dieter Siegrist räumte ein, dass der Kampf gegen die Spitex-Betrügereien sehr schwierig und aufwendig sei: «Im normalen Prüfungsprozess ist es unmöglich, zu kontrollieren, ob Spitex-Firmen den Krankenkassen unrechtmässig die Leistungen von nicht qualifiziertem Personal in Rechnung stellen.» Dazu brauche es spezialisierte Ermittlungsabteilungen, die ausserhalb des normalen Prüfungsablaufs vertiefte Abklärungen vornähmen. «Oft sind wir auch auf Informationen von unseren Kunden und Dritten angewiesen», so Siegrist.
Doch die Ermittlungsarbeit der CSS lohnt sich, wie folgendes Beispiel zeigt: «Wir haben vor zwei Wochen eine Organisation mit unseren Informationen konfrontiert. Nun wird sie uns 250'000 Franken zurückerstatten.»
Firmen finden immer wieder neue Betrugsmöglichkeiten
Schon seit Jahren sind die Krankenkassen daran, Spitex-Betrügereien mit mehr Kontrollen vorzubeugen. Oft vergeblich. «Offenbar werden immer wieder neue Vorgehensweisen gefunden, um diese Kontrollen systematisch zu umgehen», stellt Siegrist fest.So verlangt die CSS zur Überprüfung unter anderem, dass die Spitex-Firmen Listen mit den geleisteten Pflegeeinsätzen und der Unterschrift der jeweiligen Pfleger oder Pflegerinnen einsenden. Doch die Spitex Seeblick hat solche Stundenblätter und auch die Unterschriften der Betreuerinnen gefälscht.
Das sei gewerbsmässiges und arglistiges Vorgehen, das nur mit strafrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Mitteln gestoppt werden könne, sagte Dieter Siegrist. Tatsächlich habe die CSS seit 2017 bereits mehrere Strafanzeigen eingereicht. Doch habe es bisher noch keine Anklagen gegeben, so medinside.ch. In gewissen Fällen seien die Verfahren nach jetzigem Kenntnisstand noch nicht einmal konkret an die Hand genommen worden, bedauerte Siegrist.