Raubkunst im Kunstmuseum?
Die Bestände der ursprünglich 175 Werke umfassenden Schenkung wurden 1926 von Eduard Sturzenegger (1854–1932) der Stadt St.Gallen übergeben, jedoch in den Folgejahren im Einverständnis der Donatorenfamilie und in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Dr. Walter Hugelshofer weitgehend umgestaltet. Ziel des laufenden Forschungsprojektes ist es, die 1998 publizierten Sammlungsbestände konsequent auf eventuelle Verdachtsfälle zu überprüfen und diese möglichst zu klären. Die Arbeiten im Rahmen des Projekts werden vom Sammlungskurator Matthias Wohlgemuth und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Samuel Reller durchgeführt.
In der ersten Phase werden die Grundlagen geschaffen
Ein erster wichtiger und durchaus umfangreicher Schritt betrifft die Digitalisierung der im Stadtarchiv St.Gallen aufbewahrten Akten zur Sturzeneggerschen Gemäldesammlung. Ziel dieser Phase ist die digitale Verfügbarkeit nicht nur für die Forschenden im Haus, sondern auch für andere Museen und Forschungseinrichtungen. So soll künftig ein effizienter Informationsaustausch zum Thema Provenienzforschung sowohl national als auch international erleichtert werden und zur Klärung möglichst vieler offener Fragen beitragen.
Die städtischen Akten zur Sturzeneggerschen Gemäldesammlung umfassen 35 Aktenkonvolute, sogenannte Faszikel, die sich in ihrem jeweiligen Umfang stark unterscheiden. Bis heute sind rund 2000 Blätter digitalisiert und in einem ersten Durchgang gesichtet worden. Dies entspricht ca. 90 % des Gesamtumfangs. Der Abschluss der Digitalisierung erfolgt Ende dieses Jahres.
Auf Basis der Akten erfolgt eine erste Klassifizierung
Ein weiterer Schritt innerhalb der wissenschaftlichen Recherche zur Provenienz der Werke betraf in den vergangenen Monaten die Klärung der Eingangsdaten der Werke. So können nach aktuellem Stand diejenigen Werke, die bereits mit der ursprünglichen Schenkung 1926 an das Kunstmuseum St.Gallen gelangten und sich noch heute in der Sammlung befinden, hinsichtlich ihrer Provenienz als unbedenklich eingestuft werden. Zu diesen 48 bislang eruierten Werken kommen weitere 5 Werke, die noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1933 in die Sammlung gelangten und dort auch verblieben sind.
Die Umgestaltung der Sammlung war tiefgreifend. 127 Werke der ursprünglich 175 Werke umfassenden Schenkung von 1926 verliessen die Sammlung, während rund 120 Werke nach 1933 hinzukamen. Davon befinden sich 94 Werke heute noch in der Sammlung. Neben der laufenden Digitalisierung konzentriert sich die Arbeit auch auf die Prüfung der innerhalb der kritischen Zeit von 1933 bis 1945 nachweisbaren Eingänge in die Sammlung. In der ersten Sichtung konnten erste Werke bereits entlastet werden, darunter das Gemälde «Landhaus in der Hermitage» (1873) von Camille Pissarro, das 1936 von der Nationalgalerie Berlin abgegeben wurde. Konkrete Verdachtsfälle haben sich bis jetzt nicht ergeben, jedoch gibt es eine Reihe von Werken, deren Herkunft noch unbekannt ist. Die Klärung dieser Provenienzen wird eine herausfordernde und zeitaufwendige Aufgabe. Der geplante Austausch mit anderen Museen und Forschungsinstitutionen kann dabei sehr hilfreich sein.
Das weitere Vorgehen steht und fällt mit der Finanzierung
Das BAK hat den Zeitpunkt für den Schlussbericht des laufenden Projektes auf Frühjahr 2018 verschoben. Das Kunstmuseum St.Gallen wird zu diesem Zeitpunkt erneut über den aktuellen Stand der Forschung und Ergebnisse informieren.Das Kunstmuseum St.Gallen hat im Rahmen seiner personellen und finanziellen Möglichkeiten bereits vor dem aktuell laufenden Projekt Abklärungen zur Herkunft seiner Sammlungsbestände vorgenommen. So wurden 1998 bereits erste Ergebnisse dieser Forschung publiziert. Es ist unumstritten eine der wichtigsten Aufgaben von Museen, Eingänge in die Sammlung zu prüfen, um eine einwandfreie Provenienz voraussetzen zu können. Die auch aus aktuellem Anlass notwendige systematische Untersuchung der Sammlung ist jedoch im Rahmen des normalen Betriebsbudgets nicht möglich.
Zurzeit ist die Fortführung des aktuellen Forschungsprojektes aufgrund von kurzfristigen Änderungen in der Projektfinanzierung seitens des BAK nicht gesichert. Das Kunstmuseum St.Gallen will die Forschungsarbeiten unbedingt weiterführen und engagiert sich auf verschiedenen Ebenen für eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung.