«Radio ist Magie»

«Radio ist Magie»
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In der Veranstaltungsreihe ‘eiszueis – lebensgeschichten’ plaudern markante Weinfelder Persönlichkeiten aus dem Nähkästchen. Letzte Woche wurde Reto Scherrer eingeladen, um im Gespräch mit Christoph Lanter einige Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben zu teilen. Erzählen kann er! Und da er sich selbst nicht allzu ernst nimmt, war dieser Blick hinter die Kulissen ein witziger und vor allem für Weinfelder Ohren aufschlussreicher Anlass. 

Die Besucher hatten womöglich die Hoffnung, den ‘wahren’ Reto Scherrer, so ganz ohne Entertainer-Maske, kennenzulernen. Diese Erwartung hat er im Gespräch mit Christoph Lanter insofern erfüllt, als dass er alle davon überzeugen konnte, dass es eine solche Maske nicht gibt. Er hat nur seine Fähigkeit, nämlich das Unterhalten von Menschen, zum Beruf gemacht.

Trotz seiner mittlerweile schweizweiten Bekanntheit ist Reto Scherrer in Weinfelden fest verwurzelt geblieben. Am Montag begegnet man ihm zuweilen mit seiner Familie beim Einkaufen– es ist sein Papi-Tag, den er nie versäumt. Heute wohnt er keine fünfhundert Meter vom Gasthaus zur Rebe entfernt, das seine Eltern jahrzehntelang geführt haben und wo er quasi als Einzelkind – sein Bruder ist sieben Jahre älter – aufgewachsen ist. Das Alleinsein habe ihn nie gestört, sondern im Gegenteil seine Kreativität angetrieben. Er erwirbt in der zweiten Klasse sein erstes Mikrophon und nimmt Sendungen auf Kassette auf. So blieb er während des Hochwassers im Jahre 1994 pflichtbewusst im Zimmer, um per Telefon live Bericht zu erstatten und überliess das Stapeln der Sandsäcke den anderen.

Moderator werden war für Reto Scherrer also ein sonnenklares Ziel. Da es in der Schweiz keine entsprechende Ausbildung gab und die Empfehlung des Berufsberaters, nämlich Radio-Fernseh-Elektriker, nun doch keine Alternative bot, machte er eine KV Lehre beim Thurgauer Hof in Weinfelden. Über Umwegen, auf denen er die RS absolvierte und das Wirtepatent, wohlgemerkt als bis dahin Jüngster, erlangte, erhielt Reto Scherrer bei Radio Thurgau zusammen mit Mona Vetsch eine Praktikumsstelle, von wo aus er dann über Radio Top zu DRS1 und schliesslich mit dem Samschtig-Jass ins Fernsehen kam. Radio bleibt aber seine Leidenschaft, sei es doch ein viel geheimnisvolleres, ja gar magisches Medium. Dazu beschreibt er die Erfahrung seiner Kinder, die viel erstaunter über die Stimme aus dem Radio als über das Bild aus dem Fernsehen seien.

Mit dem unwiderstehlichen Flirtspruch «Chani no helfe ufrume?» macht er seine spätere Frau, die damals in der Halle 7 an der Wega arbeitete, als letzter verbleibender Gast auf sich aufmerksam. Mit den drei Kindern habe sich alles geändert. Zuhause in Weinfelden kann Reto Scherrer am besten abschalten. Dass er zur Erholung nicht wegfahren muss, weiss er schon seit seiner einjährigen Weltreise, die er vor allem «zur Wertschätzung des Schweizer Standards» unternahm. Stattdessen macht er lieber lange Spaziergänge mit dem Kleinsten im Kinderwagen oder kürzere mit den älteren zwei.

Loses Mundwerk, Schlitzohr oder Thurgauer Schnorre – mit solchen Schmeicheleien kann Reto Scherrer bestens umgehen, treffen sie ja manchmal auch zu. Es sei allerdings unangenehm, dass Menschen ihn manchmal stumm anglotzen – ein «Hoi, wie gohts?» von ehrlichem Interesse sei doch nie verkehrt. Das ist mitunter auch ein Grund, warum er mit dem Auto zur Arbeit fährt. Bei der Wahl des Autos hat er sich dann doch ein wenig Fame gegönnt und einen Tesla gekauft – sei auch voll öko weil elektrisch, meint er augenzwinkernd.

Text/Bild: Anna Kradolfer