Ostschweiz

Passen ältere Arbeitnehmer in die neue Arbeitswelt?

Passen ältere Arbeitnehmer in die neue Arbeitswelt?
Lesezeit: 4 Minuten

Die Bedeutung der älteren Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt steigt angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels. Trotz dieser Entwicklungen haben es ältere Arbeitnehmer zum Teil schwer in der neuen Arbeitswelt. Passen ältere Arbeitnehmer und «New Work» zusammen?

Text: Nora Lüthi, OST

Junge dynamische Menschen in modernen Co-Working-Spaces, die in Start-ups mit Vier-Tage-Woche ihren Leidenschaften nachgehen – dieses Bild prägt die moderne Arbeitswelt. Ältere Arbeitnehmer passen kaum in diese Vorstellung. «Im Rahmen von New Work ist überwiegend von den Veränderungen für jüngere Arbeitnehmer die Rede», stellt Susanne Bill, Absolventin des Executive MBA an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, fest. «Während meiner Recherche für die Masterarbeit fand ich keine klare Antwort darauf, was New Work für ältere Arbeitnehmer bedeutet.»

Diese Forschungslücke interessierte die langjährige Marketing-Spezialistin, weshalb sie sich in ihrer Masterarbeit mit der Entwicklung, Bindung und Förderung der Arbeitnehmer 50+ im Kontext von New Work befasste.

Der Begriff «New Work» bezeichnet ein neues Verständnis von Arbeit im Kontext von Globalisierung und Digitalisierung. New Work ist in vielen Unternehmen bereits ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags und zeichnet sich durch neue Arbeitsformen aus. Beispiele für die praktische Umsetzung sind Teilzeitarbeit, Homeoffice, mobiles Arbeiten, Wissenstransfer und flache Hierarchien.

Ältere Mitarbeiter wollen flexible Arbeitsmodelle

Die neuen Arbeitsbedingungen von New Work werden auch von älteren Mitarbeitern geschätzt. Dies zeigt eine qualitative Befragung, die Susanne Bill mit Arbeitnehmern 50+ aus verschiedenen Branchen und Unternehmensgrössen durchführte. «Das Klischee, dass ältere Arbeitnehmer unflexibel sind, trifft nach meinen Ergebnissen nicht zu. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Auch ältere Arbeitnehmer haben ein Bedürfnis nach flexiblen Arbeitszeiten und -orten», erklärt sie.

In einer Befragung von Führungskräften verschiedenen Alters stellte sie zudem fest, dass Vorurteile bezüglich der schlechteren Leistung und Fähigkeit von älteren Personen im Bereich der Digitalisierung nicht zutreffen. «Bis zum Pensionsalter gibt es ein grosses Interesse an digitalen Technologien.» Mehr noch: Einige befragte Mitarbeiter wünschen sich sogar, dass ihr Unternehmen stärker auf digitale Technologien und Innovationen setzt.

Viele ältere Arbeitnehmer kämpfen dennoch mit Vorurteilen in ihren Unternehmen. Arbeitstempo, Belastbarkeit, Lernfähigkeit, Kreativität sowie Interesse an neuen Herausforderungen werden eher jüngeren Mitarbeitern zugeschrieben und den älteren mit zunehmendem Alter abgesprochen. Bill stellt fest, dass Vorurteile und Stereotype gegenüber älteren Mitarbeitern überwiegen und ihr Potenzial von den Unternehmen nicht ausgeschöpft wird.

  
Susanne Bill
Susanne Bill

Unternehmen machen zu wenig

Ältere Arbeitnehmer können durch den demografischen Wandel zukünftig eine wertvolle Ressource für den Arbeitsmarkt sein. Denn die Menschen werden nicht nur älter, sie bleiben auch länger fit. Zudem können die Veränderungen in der Arbeitssituation durch New Work laut Susanne Bill auch bei Älteren dazu beitragen, dass sie gerne länger in der Arbeitswelt bleiben und weiter aktiv mitgestalten können und möchten.

«In den Unternehmen konnte ich ein Bewusstsein feststellen, dass ältere Arbeitnehmer wichtig sind. Trotzdem wird für die Entwicklung, Bindung und Förderung dieser Altersgruppe in der Praxis wenig oder nichts gemacht und auf die jüngere Generation fokussiert», erläutert die Autorin der Masterarbeit.

Man könnte behaupten, dass es sich für ein Unternehmen schlicht nicht mehr lohnt, Arbeitnehmer ab einem gewissen Alter zu fördern. Bill widerspricht: «Eine 53-Jährige arbeitet noch zwölf Jahre bis zur Pensionierung. Das ist eine lange Zeit und ältere Personen haben eine starke Loyalität zum Unternehmen. Für die Unternehmen lohnt es sich finanziell, wenn sie in diesen zwölf Jahren keinen Personalwechsel haben, denn die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern ist aufwendig und teuer.»

Als Grund für die Tatenlosigkeit der Unternehmen nennt Susanne Bill neben den Vorurteilen gegenüber älteren Menschen und der Ansicht, dass deren Leistungen selbstverständlich sind, auch ihre kurzfristige Sicht. «Wir werden alle älter, das Pensionsalter wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zukunft noch erhöhen – Unternehmen sollten also langfristig planen und auf diesen Wandel eingehen.»

Führungskräfte hätten oft die Vorstellung, dass nur junge Mitarbeiter Innovation in ein Unternehmen bringen könnten, erläutert Bill. «Frischer Wind kommt nicht nur von jüngeren Mitarbeitern. Wenn ein Unternehmen auch älteren Arbeitnehmern eine Chance gibt, ist das eine Win-win-Situation für beide Seiten.»

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Weniger Altersdiskriminierung – mehr Lernkultur

Eine faire Förderung aller Mitarbeiter kann durch Veränderungen in den Unternehmen eingeführt werden. Dafür stellt Susanne Bill verschiedene Handlungsempfehlungen vor. In der Personalpolitik solle der Förderungsprozess altersunabhängig stattfinden und basierend auf individuellen Stärken und Schwächen geschehen.

«In der Karriereentwicklung und Beförderung sollten auch ältere Mitarbeiter in Betracht gezogen werden», betont die EMBA-Absolventin. Zudem sollten Unternehmen die Zusammenarbeit von jüngeren und älteren Mitarbeitern aktiv fördern und dadurch eine Lernkultur frei von Vorurteilen schaffen.

Wichtig sei auch, dass in Projektteams eine Altersdiversität beachtet werde, damit unterschiedliche Perspektiven und möglichst viel Know-how aufeinandertreffen. Führungskräfte nehmen in dieser Diskussion eine Vorbildfunktion ein und sollten eine aktive Begleitung der Entwicklung und Bindung von älteren Mitarbeitern anstreben. Die Sensibilisierung der Führungskräfte spielt dafür laut Bill eine bedeutende Rolle.

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