Jüdisches Leben in der Schweiz

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Die Ausstellung «Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung» (16.2.-9.9.18) zeigt: Da gibt es eine grosse Vielfalt an Biografien, Lebenskonzepten und Lebenssituationen. Für das Gastspiel in St.Gallen hat das Historische und Völkerkundemuseum die Ausstellung mit acht Porträts aus der Ostschweiz ergänzt.

Dem HVM ist es ein Anliegen, auch gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Gegenwartsthemen zu beleuchten. 2015 war zum Beispiel Alano Edzerza – ein indianischer Multimediakünstler aus Kanada – artist in residence im HVM. 2016 gab der «Yolda Kiosk» ein Gastspiel – er stellte zehn Menschen vor, die zwischen der Türkei und der Schweiz leben.

Zur Ergänzung ein Ostschweizer Teil

So war das HVM auch sehr daran interessiert, die Ausstellung «Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung» zu übernehmen. Früh war aber auch klar: Es lohnt sich, die 15 Porträts der Wanderausstellung mit Ostschweizer Beispielen zu ergänzen. Mit dem Auftrag betraut wurde die St.Galler Kulturjournalistin und Autorin Brigitte Schmid-Gugler. Sie porträtierte acht jüdische Zeitgenossen. Darunter sind ältere und jüngere in der Ostschweiz lebende und teilweise aufgewachsene Juden wie der Gynäkologe Roland Richter und der Kulturvermittler Jacques Erlanger; hergezogene Persönlichkeiten wie die Musikerin Brigitte Meyer und die Forscherin Chaya Bracha Beit David (Bild). Auch Margrith Bigler kommt zu Wort: Die erste Bundesrichterin der Schweiz ist die Witwe eines Holocaustüberlebenden. Die Biografien der Porträtierten könnten nicht unterschiedlicher sein. Was sie verbindet, ist die Ehrfurcht vor der eigenen Kultur- und Familiengeschichte.

Vielfältiges Jüdischsein

Brigitte Schmid-Gugler hat die Interviews mit grossem Einfühlungsvermögen geführt und persönliche Aussagen erhalten, die vielfältige Blicke ins Jüdischsein in der Schweiz von heute erlauben.

Viele der Porträtierten leben schon seit Generationen in unserem Land. Es sind sehr unterschiedliche Geschichten, was das Alter, den Berufsstand oder das Verhältnis zum Judentum angeht. Einige der Porträtierten leben ihre religiöse Tradition bewusst und gern, sie ist Teil ihres Lebens, andere sind laizistischer. Alle gehen sehr umsichtig damit um und versuchen so gut wie möglich, sich den Lebensumständen in der Schweiz anzupassen und nicht aufzufallen. Aus den meisten Geschichten kann man aber heraushören, dass – wie meist auch in christlichen Familien – religiöse Riten früher mehr gepflegt wurden als heute.

Viele Zeitgenossen – findet eine der Porträtierten – meinten, jüdisch sein sei gleichbedeutend mit israelfreundlich. Dies werde gern vermischt. Zum Staat Israel wie dem Verhalten der Hisbollah oder anderer israel- und judenfeindlicher Organisationen stünden die meisten Juden in der Schweiz aber so unterschiedlich gegenüber wie andere auch.

Doch die lange und wechselvolle Geschichte der Juden ist mannigfach spürbar. Sei dies in den Kindheitserfahrungen einer Porträtierten auf der Flucht nach Israel oder den Erzählungen ihrer heute noch in Israel lebenden Verwandten und deren täglichen Ängsten und Nöten. Es gibt kaum eine Familie, die nicht das Leid der „jüdischen Geschichte“ erfahren musste.

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