Erfolgreiches Wirtschaftsforum TG
Der Thurgauer IHK-Präsident, Christian Neuweiler, freute sich über den schönen Aufmarsch ans 20. WFT. In seiner Begrüssung erinnert Neuweiler daran, dass die Wirtschaft dem neuen Swissnes-Gesetz nicht nur positiv gegenübersteht. Er warnt vor weiterer Bürokratisierung und freut sich auf die Ausführungen im Speziellen von Felix Addor. Mona Vetsch freute sich, wieder als Moderatorin dabei zu sein und hatte mir ihrem Spruch, das Wort Swissness für dieses Gesetz sei ja eigentlich im Thurgau erfunden worden die Teilnehmer gleich auf ihrer Seite. Denn wenn es andernorts geboren worden wäre, hätte man es sicher Suisseness genannt. Der Thurgau habe es aber eher mit dem Früh-Englisch …
Drum prüfe, wer Swissness will …
Die Swissness-Regeln verhindern Trittbrettfahrer aus dem Ausland und die neue Regelung, so Addor, bringe keinen zusätzlichen administrativen Aufwand. Firmen sollen per 1.1.17 abklären, welchen Mehrwert „Swissness“ für sie generiere, anschliessend die Wertschöpfungskette überprüfen, die Marketingstrategie überarbeiten, die Durchsetzungsstrategie angehen und evtl. Spezialisten kontaktieren.
Just seit 86 Jahren Swissness
Nach der Theorie, die Praxis – so könnte man den Auftritt von Marcel Jüstrich, Mitinhaber der Firma Just aus Walzenhausen umschreiben. Mit Marcel und Hansueli Jüstrich hat die dritte Generation die Führung bei Just das 1930 vom Grossvater gegründete Unternehmen übernommen. Die Firma Just stehe zur Schweizer Tradition und Wertewelt, denke und handle aber international. Die JUST Produkte mit dem Schweizerkreuz weisen auf die Herkunft hin. Der Einsatz dieses Zeichens zeige die Identifikation von Just mit der Schweiz und den für dieses Land so charakteristischen Eigenschaften und Werte. Basis der Just-Produkte seien dann im Wesentlichen die unerschöpfliche Pflanzenwelt der Schweizer Heimat. Aus vielen landestypischen Pflanzen und Gewächsen gewinne Just die wertvollen und natürlichen Inhaltsstoffe für unsere wirksamen Produkte. Swissness pur, so Jüstrich, verschmitzt.
Mitbewerber als Schiedsrichter
In der Diskussion mit Felix Addor und Marcel Jüstrich zeigte sich, dass die Verwendung des Schweizer Kreuzes auf den Just-Produkten eigentlich widerrechtlich war. In Zukunft sei es Sache der Mitbewerber, auf Verfehlungen mit Strafanzeigen hinzuweisen. Der Gesetzgeber, so Addor, werde bei Nicht-Lebensmittel nicht automatisch eingreifen. Für Jüstrich bringe das Schweizer Kreuz sehr viel und im Ausland setzen sich Verkäufer auch speziell für diese Produkte ein. Gerade auf dem Markt China, so Addor, habe die Marke Schweiz grosse Bedeutung. So schauen chinesische Unternehmer sehr stark darauf, wie hoch der Anteil Schweiz im Produkt sein müsse – wegen Nachahmungen.
Das Alphorn ist ihre Leidenschaft
Wenn Swissness musikalisch in Szene gesetzt werden kann, dann mit dem Alphorn von Eliana Burki. Sie gehört zu den talentiertesten Alphornspielerinnen der Welt und verzauberte die Teilnehmer vor der Pause mit jazzigen und klassischen Tönen, bei denen sogar das Publikum mitsingen durfte. Burki macht aber nicht nur Musik, sie kümmert sich in Davos auch um lungenkranke Kinder, denen sie das Alphornblasen beibringt.
Die Schweiz der zwei Mentalitäten
Nach der Pause beleuchtete Ludwig Hasler Swissness aus philosophischer Sicht. Swissness, so Ludwig Hasler, habe zwei Mentalitäten - einerseits die Mentalität eines Erlebnisparcours und andererseits die Pioniermentalität im Sinne der Entdeckung, der Innovation, ein Labor der Zukunft. Die Erfolgsstory „Schweiz“ könne zur Achillesferse werden, da es uns so unglaublich gut gehe, dass wir keine Veränderung wollen und Angst vor Verlust haben. Die Schweiz wolle eine „Fristerstreckung“ der Gegenwart. Wohlstand ohne Veränderung – dass dies nicht gehe, wissen wir zwar, aber damit hätten wir die Mentalität noch nicht verändert. Es bleibe nur der Weg, der Verbesserung, der Veränderung.
Wer sind wir?
Dieser Weg führe über Veränderung – zuerst an sich selber. Unser „Berglertum“, unsere Heidi-Falle verschliesst uns aber vor dieser Veränderung und stellt unsere Swissness dar. Die Wirklichkeit unseres Schweizertums beruhe hingegen darauf, dass wir reich und stark geworden seien, weil wir aus den Bergen ausbrechen wollten. Seit 1880 seien wir eine Industriegesellschaft. Technologie, innovative Wirtschaft – davon leben wir.
Hasler fragt sich, ob wir bereit seien, diese Vorrangstellung auch in Zukunft zu behaupten. Nicht Brüssel mache uns kaputt, das könnten wir auch selber schaffen. Freiheit brauche auch Lücken und jede Freiheit bringe Missbrauch mit sich. Dies müssen wir hingegen einkalkulieren. Mehr Sicherheitsmassnahmen erhöhen aber nicht unbedingt die Sicherheit, sondern schränken oft nur die Freiheit ein. Die Schlacht am Morgarten wurde nach Hasler gewonnen, weil wir mobil, beweglicher gewesen seien. Heute seien wir unbeweglich, hoch gerüstet. Trotz allem sei Ludwig Hasler zuversichtlich. Der Schweiz sei es immer wieder gelungen, sich mit anderen zusammenzutun. Einwanderer hätten uns weiter gebracht – Nestle, Boveri, Hugenotten etc. Die Schweiz sei alltagskulturell „italienisiert“ worden – Pizza, Chianti. Diesen Schub brauchen wir auch jetzt wieder. Kareim Hussein und Heidi Diethelm zusammen – dies wäre eine ideale Kombination.
Schweiz als eine einzige Stadt
Mona Vetsch, Ludwig Hasler, Hermann Hess diskutierten im Anschluss Haslers philosophische Gedanken. Dabei zeigte Hermann Hess am eigenen Beispiel, wie man aus Krisen – Abbau des Familienbetriebes in fünfter Generation – herauskommen und Hunger nach Erfolg haben kann. Auch der Umgang mit Ausländern sei eine Stärke der Schweiz. Swissness sei Offenheit und Innovation. Kein Land, so Hess, tätige mehr Auslandsinvestitionen als jedes andere Land. Hess sei zuversichtlich für die Schweiz. Sehr viele Branchen, so Hasler, brauchen ausländische Talente – und diese seien dann halt da und müssen integriert werden. Je mehr jedoch der globalisierte Wind blase, desto mehr würden wir zum nationalen Lagerfeuer blasen. Wir wollen oft Feuer ohne Rauch.
Als Lösungsvorschlag zum Aufbruch meinte Hess, dass die Schweiz eigentlich eine einzige Stadt mit acht Millionen Einwohner sei und auch so begriffen werden sollte. Dann hätten wir auch keinen Dichtestress. Dem stimmte Hasler insofern zu, als dass dies schon so sei – nur nennt man es nicht mehr Schweiz, sondern Zürich! Nach der Diskussion reiste Hess direkt wieder zur Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative. Es gebe, so Hess, eine schwache Annäherung zur Initiative. Nach dem Nationalrat gehe das Geschäft in den Ständerat und komme wahrscheinlich verschärft zurück. Aber wir dürften im Moment die EU auch nicht zu sehr mit einer strengen Auslegung verärgern.
Das AFG-Kreuz mit dem Schweizer Kreuz
Alexander von Witzleben, Verwaltungsratspräsident und CEO der AFG, zeigte auf, wie er eine praktisch überschuldete AFG-Gruppe im August 2015 restrukturiert habe. Die Fehler, so von Witzleben, seien aber weit vor 2015 in den Jahren 2008/09 gemacht worden. Man sei zu sehr auf die Schweiz fokussiert gewesen. Die Idee war, Ego Kiefer zu einem europäischen Unternehmen umzubauen: durch Verlagerungen der Produktionsstätten ins Ausland. Trotzdem hätte EgoKiefer nach wie vor 20 – 30 % teurere Holzfensterproduktion, die in der Schweiz verblieben sei. Daher müsse auch dieses Fensterproduktion per Ende 2017 ins Ausland verlagert werden.
Auch bei anderen Divisionen sei es so, z. B. in der Gebäudetechnik. Die Schweiz habe, so von Witzleben, viele Nachteile – aber einen grossen Vorteil: die niedrigen Kapitalkosten. Daher könne man auch gut investieren, in modernste Fabrikation, was gerade bei EgoKiefer wichtig sei. Der Benchmark sei nicht mehr die Schweiz, sondern Deutschland. Dank Skaleneffekten – tiefe Produktionskosten, hohe Entwicklungskosten, hohe Verkäufe in ganz Europa – könne auch EgoKiefer wieder ertragsreich werden.
Ausland links liegen gelassen
Die AFG habe sich im Fensterbereich bereits auf den zweiten Platz in Europa geschoben. Im Jahr 2018 wolle man nach wie vor in der Schweiz die Nummer eins sein, in Europa in wesentlichen Ländern auch. Europa, so von Witzleben, habe man praktisch links liegen gelassen. Das müsse sich ändern. Wertbau in Thüringen werde dabei zur modernsten Holzbau-Fenster-Produktionswerkstätte ausgebaut. Dadurch sei der Nr.-1-Status der EgoKiefer in der Schweiz gesichert.
Looser-Kauf
80% der Transaktion werde über AFG-Aktien abgewickelt. Dadurch halten die Looser-Aktionäre ca. 30 % an der AFG. Dadurch bekommen RWD Schlatter über Nacht Zugang zum wichtigen Markt Deutschland. Diese Transaktion habe, anders als EgoKiefer, keine Schliessungen zur Folge. Als neue Gruppe, als Arbonia AG, sei die Gruppe in Kern-Produkten Markt-Leader in Europa. Man spreche damit von einem neuen Konzern mit 1.4 Mia. Umsatz. Auch nach 2018 werde man wieder Dividendenfähig. Der Rückkauf der Konzernzentrale in Arbon beweise das Bekenntnis zu Arbon, zur Schweiz. „Wenn man zu einem Standort steht, so sei es besser, im eigenen Haus zu wohnen, anstelle es teuer zu mieten“, beendete Alexander von Witzleben seine eindrückliche Präsentation.
Schlussworte
Hansjörg Brunner war es vorbehalten, den intensiven Nachmittag Revue passieren zu lassen sowie der tollen Moderation und den Referenten zu danken. Urs Keller konnte den Hauptgewinn, ein Wochenende mit Maserati im Kulm Hotel Arosa, in Empfang nehmen. Mit dem Dank an den Hauptsponsor, UBS, und die anderen Co-Sponsoren und Partner, schloss Brunner dieses erfolgreiche Wirtschaftsforum.