Digital oder analog: Was ist effizienter?

Digital oder analog: Was ist effizienter?
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Ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung? Unser Gastautor Noah Werder von der St.Galler Outvision GmbH vergleicht analoge und Online-Assessments.

Die letzten Monate und Wochen haben uns aufgezeigt, wie wenig wir unsere digitalen Möglichkeiten nutzen und wie gross das Potenzial digitaler Hilfsmittel ist. Doch immer, wenn es um menschliche Interaktion geht, stellen wir uns quer. In der Entscheidungsfindung im Bereich Human Resources setzt man schon längst Assessments ein. Ist die analoge oder die digitalisierte Variante überlegen und effizienter? Ein Vergleich:

Um das Thema sachlich abwägen zu können, müssen wir sicherstellen, dass die Begriffe sauber definiert sind:

Was ist ein Assessment oder ein Assessment-Center?

Assessment in diesem Sinne bedeutet Bewertung oder Einschätzung. Ein Assessment untersucht entweder einzelne Personen (Bewerber oder Mitarbeiter) oder ganze Gruppen und dauert meistens einen halben bis drei Tage. Mit verschiedenen und unterschiedlichen Analysen, Gesprächen und Simulationen wird ein Kandidat von verschiedenen Assessoren subjektiv beurteilt. Das Ziel des Assessments ist die Einschätzung eines Kandidaten im Bezug auf ein Anforderungsprofil und entsprechenden Kriterien bzw. das Erlangen von relevanten Informationen, um die richtige Personalentscheidung zu treffen. Assessments werden oftmals in einem Assessment-Center durchgeführt.

Was ist ein Online-Assessment?

Das Ziel des Online-Assessments ist identisch mit dem des analogen Assessments, allerdings ist der Weg, um ans Ziel zu gelangen, grundlegend verschieden. Ein Online-Assessment ist nicht einfach ein analoges Assessment, welches per Skype (oder ähnlichem) durchgeführt wird. Online-Assessments arbeiten mit verschiedenen Umfragetools, um Informationen eines Kandidaten zu erhalten, die in einem zweiten Schritt ausgewertet werden. Die Umfragedauer beträgt hier meistens weniger als eine Stunde und ist unabhängig vom physischen Standort des Kandidaten.

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Was ist besser?

Vorwegnahme: Alle Assessments verlangen professionelle Experten, die sie durchführen und die geeignete Methodik. Jedes Assessment ist nutzlos, wenn es nicht valide und reliabel ist d. h. wenn es nicht das misst, was es soll und dies auch zuverlässig und aussagekräftig tut.

Im Folgenden soll das jeweilige Assessment unter die Lupe genommen werden, wie gut es in den nachkommenden Kriterien abschneidet.

Objektivität: Der Punkt für Objektivität geht klar an Online-Assessments, da hier der Experte keinen direkten Kontakt zum Kandidaten hat, keine Empathie aufbauen kann und so, frei von seinem Bauchgefühl und dem persönlichen Eindruck, eine Empfehlung an die Rekrutierer abgeben kann.

Umfang: Analoge Assessments-Center sind hier im Vorteil. Sie führen nicht nur Analysen, sondern auch Simulationen durch. Ein guter Assessor kann so in einem Rollenspiel beispielsweise erkennen, wie gut ein Kandidat eine schwierige Führungssituation meistert, Gestik und Mimik einbaut oder wie er oder sie kommuniziert. Den Kandidaten ist natürlich bewusst, dass sie beobachtet werden, was ihr Verhalten beeinflussen könnte. Allerdings sind kompetente Assessoren sehr gut darin, das richtige Setting aufzubauen und korrekt zu interpretieren, weshalb die Verzerrung in dieser Diskussion vernachlässigbar ist. Allerdings ist anzumerken, dass auch der Auftraggeber des Assessments Informationen dazugewinnen kann, wie ein Kandidat kommuniziert oder wie er gesamthaft wirkt - dazu dienen Vorstellungsgespräche. Dennoch geht der Punkt Umfang an die analogen Assessments.

Kosten: Ein Assessment kostet immer, es kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit für den Kandidaten. Wenn dieser noch angestellt ist, kann es durchaus schwierig sein, ein bis drei Tage im Betrieb zu fehlen, um ein Assessment durchzuführen. Das Online-Assessment ist hier der klare Gewinner. Die finanziellen Kosten der digitalisierten Version sind durchs Band geringer und die Kandidaten profitieren von Flexibilität in höchstem Masse. Die Kandidaten sind frei, wo und wann sie das Assessment durchführen, und brauchen maximal eine freie Stunde.

Effizienz: Dies bedeutet den grösstmöglichen Ertrag, mit dem geringsten Aufwand zu erlangen. Der Ertrag ist im Fall der Assessments aussagekräftige Informationen, die man braucht, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Aufwand, die zeitlichen und finanziellen Kosten, die man tragen muss.

Die Kosten für ein Online-Assessment sind um einiges tiefer als jene für analoge. Die Qualität der Analysen ist aber vergleichbar, wobei Online-Assessments objektiver sind. Analoge Assessments können umfangreicher sein (müssen es aber nicht). Es ist aber nicht immer nötig, noch umfangreichere Analysen zu erstellen und daher auch nicht ein massgebender Faktor, um die richtige Personalentscheidung zu treffen. Aus diesen Gründen ist das Online-Assessment klarerweise der Sieger in dieser Kategorie: Die Leistung ist vergleichbar und objektiver, obwohl die Kosten geringer sind. Der zusätzliche Umfang eines Assessments im herkömmlichen Sinn wird nicht immer benötigt, weshalb es sich nicht lohnt, dort immer mehr zu investieren.

Fazit: Insgesamt haben analoge Assessments bzw. Assessment-Center in wenigen Fällen noch Berechtigung. Beispielsweise wenn die umfangreichste Analyse, die möglich ist, verlangt wird oder wenn der Auftraggeber gerne die gesamte Rekrutierung delegieren möchte. Allerdings ist Letzteres in meinen Augen, niemals wirklich gerechtfertigt, wenn man sich überlegt, welche Ausmasse eine falsche Personalentscheidung haben kann.

Generell überwiegen die Vorteile des Online-Assessments die des analogen: Sie sind objektiver, kostengünstiger und effizienter, als herkömmliche, analoge Assessments.