St.Gallen

Das erwarten Frauen von MINT-Berufen in der neuen Arbeitswelt

Das erwarten Frauen von MINT-Berufen in der neuen Arbeitswelt
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Die OST – Ostschweizer Fachhochschule hat ein Forschungsprojekt mit den MINT-Unternehmen Bühler AG, INFICON AG, Linde Kryotechnik AG, Liip AG und RUAG AG durchgeführt, um dem weiblichen Fachkräftemangel in der Schweizer MINT-Branche entgegenzuwirken. Über zwei Jahre wurden die Chancen und Herausforderungen der Unternehmen untersucht und Massnahmen umgesetzt, um mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und langfristig zu halten.

Text: pd/fam

Im europäischen Vergleich hat die Schweiz eine der niedrigsten Frauenquoten in MINT-Berufen. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Trotz Fördermassnahmen entscheiden sich nur wenige Frauen für eine Ausbildung oder ein Studium in diesen Bereichen.

Selbst bei einem erfolgreichen Einstieg verlassen sie die MINT-Berufe häufig wieder. Der weibliche Fachkräftemangel führt dazu, dass der Branche wichtige Fähigkeiten, Kreativität und Potenzial verloren gehen. MINT-Unternehmen müssen deshalb attraktive Arbeitsplätze für Frauen schaffen, um innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Dieses Ziel verfolgte ein Forschungsprojekt des iDNA Institut für Diversität und Neue Arbeitswelten der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Über zwei Jahre hat das Projektteam dafür die MINT-Unternehmen Bühler AG, INFICON AG, Linde Kryotechnik AG, Liip AG und RUAG AG begleitet. Im Zentrum standen die Ideen und Ansätze von «New Work».

Drei Aspekte für weibliche MINT-Fachkräfte zentral      

Um die Bedürfnisse zukünftiger MINT-Fachkräfte zu ermitteln, haben 475 Schülerinnen und Schüler, Lernende, Studierende und Quereinsteigende an einer schweizweiten Online-Umfrage des iDNA teilgenommen. Zudem berichteten 26 erfahrene weibliche MINT-Fachkräfte aus den fünf Partnerunternehmen in Fokusgruppen von ihren Erfahrungen.

«Drei Aspekte wurden immer wieder genannt, die für die Frauen zentral sind, um eine Stelle in einem MINT-Unternehmen anzutreten und im Beruf zu bleiben: eine offene Arbeitskultur, Wertschätzung und flexible Arbeitsmodelle», erklärt Prof. Dr. Alexandra Cloots, Leiterin des iDNA.

 

Frauen wollen als Expertinnen ernst genommen werden

Laut den Befragten zeichnen Kommunikation auf Augenhöhe, Transparenz, Offenheit für Veränderungen und die Möglichkeit zur Weiterentwicklung im Unternehmen eine offene Arbeitskultur aus. Dieses Ziel treibt die Liip AG aktiv voran: «Wir haben das starke Anliegen, Frauen in vielfältigen Rollen in Tech-Berufen zu fördern. Deshalb engagieren wir uns bei der MINT-Studie der OST – um gemeinsam die Zukunft inklusiver und offener zu gestalten», erklärt Josef Kruckenberg, Diversity & Inclusion Advocat der Liip AG.

Einen hohen Stellenwert hat für die Frauen, die am Projekt teilgenommen haben, die Wertschätzung: «Die Frauen erwarten, dass ihre Fachkompetenz anerkannt und respektiert wird. Sie wollen als Expertinnen auf ihrem Feld ernst genommen werden», erklärt Sara Juen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des iDNA. Das entspreche noch nicht der Realität, denn «Frauen in MINT-Berufen müssen sich immer noch mehr beweisen als Männer».

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Frauen nach wie vor entscheidend für die Wahl ihrer Arbeitsstelle. Deshalb werden flexible Arbeitsmodelle über alle Hierarchiestufen hinweg erwartet. Besonders in der Produktion stossen die MINT-Unternehmen dabei jedoch auf Probleme: Der Schichtbetrieb lässt nur wenig Flexibilität zu. Das iDNA nennt als Lösungsvorschläge, dass Schichtpläne besser mit den Mitarbeitern abgestimmt werden und auch aufgeteilte Schichten möglich sein sollten – «Schichtsharing» sozusagen.

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Massnahmen sollen Mitarbeiter befähigen

Die Ergebnisse der Umfrage und der Interviews wurden mit dem Status quo der beteiligten Unternehmen verglichen. Das Projektteam untersuchte, welche Bedürfnisse und Erwartungen die Unternehmen bereits erfüllen und welche nicht. Dadurch konnten sie spezifische Empfehlungen und Massnahmen für und mit den Unternehmen ausarbeiten und umsetzen.

Eine dieser Massnahmen dreht sich zum Beispiel um die wertschätzende Kommunikation. Prof. Dr. Alexandra Cloots erklärt: «Besonders in den Fokusgruppen wurde klar, dass der Ton in gewissen Abteilungen immer noch eher rau ist. Das hat für viele Frauen eine abschreckende Wirkung.» In Workshops mit einem Experten des ikik Institut für Kommunikation und interkulturelle Kompetenz der OST wurden Teilnehmer aller Unternehmensstufen hierfür sensibilisiert.

In einem der Unternehmen bildete sich auf Basis des Workshops eine Arbeitsgruppe, die nun einen Leitfaden zu wertschätzendem Umgang erarbeitet. Das freut Prof. Dr. Alexandra Cloots, denn dadurch «werden die Mitarbeitenden befähigt, wiederum ihre Kolleginnen und Kollegen zu schulen».

Reflexionsrunde zum Führungsstil

Es wurden weitere Workshops zu verschiedenen Themen durchgeführt, darunter Chancengerechtigkeit und Machtverhältnisse in neuen Unternehmensformen sowie die Abbildung von Inklusion im Employer Branding. Basierend darauf leiteten die Teilnehmenden Massnahmen ab, die zum Teil auch dem Management vorgestellt wurden.

In Reflexionsrunden wurde dabei insbesondere der Führungsstil hinterfragt und überdacht. Hinzu kommen komplexere Massnahmen, mit denen sich die Unternehmen nun über einen längeren Zeitraum beschäftigen. Debora Saracino, Employer Branding Specialist der RUAG AG, erklärt: «Die Erkenntnisse bilden eine optimale Grundlage für weitere richtungsweisende Entscheide und Massnahmen, um dem weiblichen Fachkräftemangel im Unternehmen nachhaltig entgegenzuwirken.»

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Nachhaltige Wirkung durch Austausch

«Die Unternehmen haben den gegenseitigen Austausch während des Forschungsprojekts sehr geschätzt», betont Sara Juen. Deshalb möchte das iDNA ein jährliches Treffen der Unternehmens- und Kooperationspartner organisieren. Das soll zu einer nachhaltigen Umsetzung und Weiterentwicklung der Massnahmen beitragen.

«Der Austausch im Rahmen des Forschungsprojekts hat uns wichtige Impulse gegeben und die Aktionspläne, die wir schon in Umsetzung haben, bestätigt sowie weitere Entwicklungsfelder aufgezeigt, in denen wir noch höheren Impact erzielen können. Das Projekt hat uns gezeigt: Fortschritt in diesem Bereich erfordert Teamgeist, Ausdauer und den Willen, gemeinsam am Ball zu bleiben», bestätigt Sebastian Kubik, Head of Engagement, Diversity & Inclusion der Bühler AG. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) unterstützt das Projekt mit Finanzhilfen.

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