55+ und schon auf dem Abstellgleis?

«Es fehlt an allen Ecken und Enden!», brachte es AGV-Präsident Klaus Brammertz in seiner Begrüssung auf den Punkt. Die Rede war vom Fachkräftemangel, der derzeit der Wirtschaft zu schaffen macht. Denn die Konjunktur im Rheintal brummt und gute Arbeitnehmer sind gefragt. Doch sind damit auch jene über 55 Jahre gemeint?
«Silver Ager» gegen Fachkräftemangel?
Ein spannendes Thema, wenn man bedenke, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern 81,5 und bei Frauen 85 Jahre beträgt. So waren es sieben Vortragende, die aus allen Richtungen beleuchteten, ob die auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren «Silver Ager» tatsächlich geeignet sind, den Fachkräftemangel zu beheben.
Prof. Sibylle Olbert-Bock von der Fachhochschule OST stellte ihr «Late Career» -Projekt vor, das sich mit der Gestaltung später Berufskarrieren befasst und in dem Massnahmen zur Unterstützung nachhaltiger Laufbahnförderung erarbeitet wurden. Zur erfolgreichen Umsetzung benötige es die Abschaffung expliziter und verdeckter Altersnormen.
Nur einmal zum Bewerbungsgespräch geladen
Spannend war der Vortrag von Karl Geisser, einem erfahrenen und erfolgreichen Chemieingenieur mit Führungserfahrung und besten Voraussetzungen, der mit 55 Jahren seine Stellung verloren hatte und sich auf die Suche machen musste. Erschreckend seine Schilderung, wie er zunächst trotz vieler Bewerbungen nur einmal wenigstens zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Kaum zu glauben, dass er dann nach längerer Suche erst über den Hinweis eines ehemaligen Arbeitskollegen wieder eine Anstellung fand. Natürlich musste er dabei eine Lohneinbusse in Kauf nehmen.
Maurus Oehler, Leiter der Human-Resources bei Stadler Rail schockte mit der These, dass die +55-Arbeitnehmer den Fachkräftemangel noch verschärfen würden. «Die 55+ sind heute Teil der Arbeitnehmer und sollten weder gewonnen noch verloren werden.» Denn ein Patentrezept für das Gewinnen oder Halten ganzer Arbeitsgruppen gebe es nicht. Vielmehr müsse immer individuell Behandlung des Einzelfalls stattfinden. «Das Alter kann man nicht an der Zahl festmachen.»
Das Alter könne sich aber sehr wohl im Einzelfall biologisch limitierend auswirken, aber dürfe nicht per se diskriminierend sein. Damit sind vielleicht auch die Zahlen erklärbar, die Roland Schleith vom Arbeitgeberservice präsentierte. So habe es einen niemals zuvor zu beobachtenden massiven Rückgang der Arbeitslosenzahl in den letzten eineinhalb Jahren gegeben. Aber während insgesamt ein Rückgang um 40 Prozent feststellbar, ging im selben Zeitraum die Zahl der arbeitslosen Ü-55-Jährigen nur um 25 Prozent zurück.
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Gelassenheit und Übersicht
Die von Reto Halter, Chef von Halter Personal, beschriebenen Einzelfälle aus der Praxis zeigten auf, dass ältere Arbeitnehmer grosse Vorzüge aufweisen. Grösste Gelassenheit, Übersicht, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit waren die Schlagworte. Man dürfe nicht in Generationenschubladen denken.
Originell war der Vergleich, mit dem Thomas Pfeifer von den Sozialen Diensten Au in sein Referat einstieg. Der Vergleich mit den Rolling Stones nämlich, die mit über siebzig Jahren noch immer die grössten Stadien der Welt füllen. «Unterschätzt nicht den Wert der älteren Arbeitnehmer!» Zu Thomas Pfeifer ins Sozialamt kommen jene Arbeitnehmer, die als arbeitslos schon zwei Jahre beim RAV waren, die schon viele Bewerbungen verschickt haben, die wütend auf das System sind.
Frustration, Ärger, Wut und Resignation
«Was diese Leute mitbringen sind Frustration, Ärger, Wut und Resignation. Sie bemängeln das die Absagen bei der Jobsuche unkonkret und schwammig sind. Und glauben Sie mir, die, die Sozialhilfe beantragen sind nicht glücklich, sondern werden von der Situation dazu gezwungen.»
Last but not least erläuterte Nationalrat Roland Rino Büchel, weshalb es unbedingt ein JA zur AHV-Vorlage brauche. «Immer weniger Arbeitnehmer müssen für immer mehr Pensionisten zahlen.»