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«Tiefe Steuern sind oft ein Türöffner»

«Tiefe Steuern sind oft ein Türöffner»
Martin Geiser
Lesezeit: 3 Minuten

Mit 65 Firmensitzverlegungen belegte Appenzell Ausserrhoden 2024 Rang drei unter allen Schweizer Kantonen. Der Aufwärtstrend setzt sich fort. Martin Geiser, Leiter Standortförderung, über die Gründe für das Interesse am Standort, den Einfluss der Verwaltung und das neue Bundesgesetz gegen missbräuchliche Konkurse.

Martin Geiser, wie fällt Ihr Fazit zu den Sitzverlegungen im Jahr 2024 aus?
Appenzell Ausserrhoden ist ein attraktiver Standort für KMU. Gründe dafür sind tiefere Fixkosten, günstige steuerliche Rahmenbedingungen und eine effiziente Verwaltung. In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl juristischer Personen im Kanton um über 12 Prozent gestiegen. Die Zuzüge betreffen häufig kleinere Unternehmen mit wenig Personal – darunter auch Domizilgesellschaften. Die Gründe werden von uns nicht systematisch erhoben, sind aber meist vielschichtig.

Gibt es Branchen oder Regionen, aus denen die Zuzüger besonders häufig stammen?
Ein Monitoring dazu führen wir nicht. Doch die meisten neuen Unternehmen stammen aus den Nachbarkantonen St.Gallen und Thurgau oder aus dem Raum Zürich. Auch bei den Branchen führen wir keine systematische Erhebung; tendenziell beobachten wir jedoch eine leichte Verschiebung hin zum Dienstleistungssektor.

Wie ordnen Sie die Entwicklung im nationalen Vergleich ein?
Wir führen kein nationales Ranking über Sitzverlegungen und stehen auch nicht in direkter Konkurrenz mit anderen Kantonen. Entscheidend ist für uns nicht die Anzahl der Verlegungen, sondern die Stärkung einer breit abgestützten Wirtschaftsstruktur im Kanton.

«Reine Sitzverlegungen verlaufen meist reibungslos.»

Was macht Ausserrhoden dennoch besonders attraktiv für Unternehmen?
Unsere überschaubare Grösse und die schlanke Verwaltung erlauben eine schnelle, kundenorientierte Abwicklung. Das Handelsregister ist als Abteilung direkt dem Amt für Wirtschaft und Arbeit zugeordnet – diese Nähe sorgt für kurze Entscheidungswege. Das Register ist bekannt für seine kompetente und speditive Arbeitsweise. Die Unternehmen schätzen genau diese Effizienz. 

Welche weiteren Faktoren beeinflussen die Standortwahl?
Neben der Verwaltung zählen auch tiefere Lebenshaltungs- und Betriebskosten – etwa bei Mieten oder Bauland – zu den häufig genannten Argumenten. Auch die Lage im Vierländereck, das Arbeitskräftepotenzial in der Region und die gute Erschliessung der Gewerbe- und Industriestandorte spielen eine wichtige Rolle. Hinzu kommt die hohe Lebensqualität: In Appenzell Ausserrhoden kann gearbeitet werden, wo andere Ferien machen.

Wie wichtig ist die Verkehrsanbindung für Unternehmen?
Gewerbe- und Industriebetriebe messen dem Warentransport, der Mobilität und der passenden Infrastruktur eine zentrale Bedeutung zu. Die wesentlichen Standorte in Appenzell Ausserrhoden sind gut erschlossen. Ein leistungsfähiges Strassen- und Autobahnnetz in der gesamten Region bildet auch künftig das Rückgrat von Gewerbe und Industrie.

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Welche Rolle spielt die Steuerbelastung tatsächlich?
Tiefe Steuern sind oft ein Türöffner in Gesprächen, bei der konkreten Standortwahl aber selten ausschlaggebend. Entscheidend sind meist die Gesamtbedingungen: Infrastruktur, Erreichbarkeit, Arbeitskräfteangebot und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

Gibt es aktuelle Entwicklungen, die sich auf die Anzahl juristischer Personen auswirken könnten?
Ja. Seit dem 1. Januar 2025 ist das neue Bundesgesetz zur Bekämpfung missbräuchlicher Konkurse in Kraft. Unternehmen, die ihre Jahresrechnung nicht einreichen, können dem Handelsregister gemeldet und bei Organisationsmängeln gerichtlich aufgelöst werden. Es ist deshalb mit einer gewissen Bereinigung zu rechnen – nicht nur bei uns, sondern schweizweit.

Wie läuft eine Sitzverlegung in der Praxis ab?
Die Verlegung erfolgt über das Handelsregister des Zielkantons. Entweder werden eintragungsfähige Belege eingereicht oder es beginnt mit dem Entwurf neuer Statuten und weiteren Dokumenten zur Vorbereitung der Beurkundung. Nach der Prüfung wird ein Beurkundungstermin angesetzt.

Wie unterstützt der Kanton Unternehmen dabei?
Reine Sitzverlegungen verlaufen überwiegend reibungslos – dabei sind Unterstützungsleistungen in der Regel kaum gefragt. Bei grösseren Unternehmensentwicklungsprojekten hingegen sind individuelle Begleitungen gefragt. Hier bringen wir uns bedarfsgerecht ein.

Welche Massnahmen sind geplant, um den Standort weiter zu stärken?
Das Regierungsprogramm 2024–2027 legt den Fokus auf die Weiterentwicklung des Kantons als attraktiven Wohn- und Arbeitsstandort. Geplant sind Massnahmen zur Förderung von Innovation, Digitalisierung und Fachkräftesicherung. Auch die Weiterentwicklung von Arbeitszonen, eine gezielte Arealentwicklung und ein unkomplizierter Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen stehen im Zentrum.

Wie möchte die Standortförderung diese Ziele konkret umsetzen?
Wir setzen auf kurze Wege und eine flexible, bedarfsgerechte Unterstützung. Ziel ist es, die Bedürfnisse von Unternehmen und Bevölkerung noch besser zu erfassen und unsere Dienstleistungen laufend zu verbessern. Der direkte Kontakt und die lösungsorientierte Haltung bleiben zentrale Pfeiler.

Wo sehen Sie Appenzell Ausserrhoden in fünf Jahren im Standortwettbewerb?
Wir verfolgen unseren Weg konsequent weiter. Der Kanton bleibt eine Region, in der sich Wirtschaft, Verwaltung und Politik unkompliziert austauschen. Mit seinen natürlichen Vorzügen, der Lebensqualität und der guten Erreichbarkeit wird Appenzell Ausserrhoden auch künftig zur positiven Entwicklung der Ostschweiz beitragen.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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