Sonderfall Schweiz

Im 19. und 20. Jahrhundert forderten diese Kriege um die kontinentale Vormacht bei allen Beteiligten einen derart hohen Blutzoll, dass dabei auch die historische Vormachtstellung Europas in der Welt verloren ging.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die in der Schweiz verwirklichte Idee durch, dass ein friedliches, gleichberechtigtes Miteinander trotz unterschiedlicher Sprachen und Traditionen die besten Zukunftsoptionen offeriert. Aber dieser immer noch vielfältige Kontinent kann seinem Wesen nach nicht zentral regiert und administriert werden, und es zeigt sich heute immer deutlicher, dass es besser ist, im friedlichen Wettbewerb voneinander zu lernen, als utopische Einheitslösungen anzustreben.
Die Wirtschaftspolitik der Schweiz ist generell nicht wesentlich liberaler als die unserer Nachbarn. Auch in der Schweiz wächst die Staatsquote – einzig bei der Staatsverschuldung fallen wir glücklicherweise positiv aus dem Rahmen. Unser politisches System ist dank den Volksrechten nicht sprunghaft veränderbar. Wir begehen daher viele Irrtümer und Fehler etwas langsamer und non-zentraler als andere.
Jedes politische System, jedes Gesellschaftssystem und jedes Wirtschaftssystem ist ein Experiment. Im Unterschied zur Schule ist in der Politik und in der Wirtschaft «Abgucken» erlaubt und sogar erwünscht. Man sollte im freien Systemvergleich und ohne Zwang von oben herausfinden, was andernorts besser ist und besser funktioniert. Je kleiner die Gemeinschaften sind, welche mit der besten Form des Zusammenlebens – und damit auch mit der besten Wirtschaftspolitik – experimentieren, desto kleiner sind die Risiken grosser und fundamentaler Irrtümer.
Text: Robert Nef