«Skills sind die neue harte Währung auf dem Arbeitsmarkt»

Cornel Müller, welches Problem will die Work-ID für die Schweizer Arbeitswelt lösen?
Im zweiten Quartal 2025 gab es in der Schweiz über 220’000 ausgeschriebene Stellenanzeigen. Das Hauptproblem auf dem Arbeitsmarkt ist mangelnde Transparenz, sodass sich Arbeitnehmer und Firmen nicht finden. Wir bringen Transparenz in den Arbeitsmarkt, indem wir sichtbar machen, was Menschen können – sprich, welche Skills sie mitbringen – und was Unternehmen genau suchen – also, welche Skills sie benötigen.
Und darum braucht es einen digitalen Skills-Ausweis?
Ja, weil sich der Arbeitsmarkt in einem massiven Umbruch befindet. Berufe verändern sich, verschwinden oder entstehen ganz neu. Gemäss dem «Future of Jobs Report» des WEF müssen bis 2030 59 Prozent der Angestellten weitergebildet werden, um im Unternehmen bleiben zu können. Viele Recruiting-Prozesse basieren aber auf starren Berufsbildern und Lebensläufen. Darin stehen viele Informationen, teilweise sehr persönliche, aber kaum das, was eine Person wirklich kann. Die Work-ID, der digitale Skills-Ausweis für die Schweiz, zeigt genau das: was jemand kann. Unabhängig von Alter, Herkunft oder Ausbildung. Skills sind die neue harte Währung auf dem Arbeitsmarkt!
Welche Funktionen stehen den Nutzern zur Verfügung?
Arbeitnehmer und alle, die gerne arbeiten möchten, können ihre Skills und persönlichen Werte in der Work-ID (work-id.ch) erfassen. Die Darstellung erfolgt anonymisiert. Basierend auf den Skills werden den Menschen passende Jobs angezeigt, für die sie mit einem Klick ihr Interesse äussern können.
«Die Work-ID gehört der Person selbst, nicht einem Unternehmen oder einer Plattform.»
Wir behalten dabei aber die Kontrolle über unsere eigenen Daten, oder?
Ja. Die Kontrolle über die Daten liegt komplett bei den Nutzern. Die Work-ID gehört der Person selbst, nicht einem Unternehmen oder einer Plattform. Die Nutzer entscheiden, welche Informationen sichtbar sind und für wen. Alle Angaben sind freiwillig, anonymisiert und jederzeit editierbar. Es geht darum, Menschen zu ermächtigen und ihnen eine Stimme zu geben – jenseits von klassischen Bewerbungsunterlagen.
Und was bringt Ihr «Skills-Manager» für Unternehmen im Recruiting und in der internen Mobilität?
Unternehmen erhalten mit dem Skills-Manager (skills-manager.ch) ein Werkzeug, mit dem sie die Skills von Mitarbeitern, Bewerbern und anderen am Unternehmen interessierten Personen sehen. Sie können so ein Inventar der im Unternehmen vorhandenen Skills erstellen lassen und externe potenziell passende Menschen in ihren Talentpool aufnehmen. So entsteht eine neue Sicht auf Potenziale im Unternehmen, die heute gerne übersehen werden: Wer kann mit wenig Upskilling in einer anderen Tätigkeit eingesetzt werden, die zukunftsfähig ist? Wer könnte vorübergehend aufgrund passender Skills in diesem oder jenem Projekt eingesetzt werden? Das ermöglicht gezielte Weiterentwicklung, spart Zeit und verhindert, dass Menschen das Unternehmen verlassen.
Welche KPI oder Effizienzgewinne können Arbeitgeber erwarten?
Laut einer McKinsey-Studie ist das Rekrutieren über Skills fünfmal aussagekräftiger für die zukünftige Arbeitsleistung als das Rekrutieren über Abschlüsse. Eine globale Deloitte-Umfrage zeigt ausserdem, dass skillsbasierte Organisationen um 57 Prozent wahrscheinlicher Veränderungen frühzeitig erkennen und wirksam darauf reagieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Unternehmen Leistungsträger im Unternehmen halten können, liegt bei 98 Prozent.
«Rekrutieren über Skills ist fünfmal aussagekräftiger als über Abschlüsse.»
Gibt es bereits Partner oder Institutionen, die das Skills-Ökosystem mit tragen?
Selbstverständlich, die Work-ID AG baut die Erkenntnisse des Innosuisse-Flagship-Projekts «Swiss Circular Economy for Skills and Competences» An diesem Forschungsprojekt sind mit der HSG, der Universität Zürich, der EPFL, der ZHAW sowie der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung namhafte Partner beteiligt. Zu den Investoren und strategischen Partnern zählen der Kaufmännische Verband Schweiz und der Kaufmännische Verband Zürich – zwei zentrale Akteure im Schweizer Bildungs- und Arbeitsmarkt.
Und wie stellen Sie sicher, dass das Matching zwischen Jobs und Skills fair und transparent abläuft?
Indem wir auf objektive, nachvollziehbare Kriterien setzen und auf algorithmische Transparenz achten. Es gibt bei uns keine versteckten Filter, keine Blackbox. Das Matching basiert auf Skills und Werten, nicht auf Äusserlichkeiten. Menschen sollen verstehen, warum sie auf eine Stelle passen oder nicht.
Welche messbaren Impacts möchten Sie nach dem Launch vorweisen – etwa für ältere Angestellte oder Menschen mit nichtlinearen Lebensläufen?
Ich wünsche mir, dass Menschen mit Lücken im Lebenslauf, Quereinsteiger oder Personen aus weniger privilegierten Kontexten sichtbar werden. Wenn wir es schaffen, dass eine 55-jährige Wiedereinsteigerin wieder eingestellt wird – nicht, weil ihr Lebenslauf glänzt, sondern weil ihre Skills passen –, dann haben wir viel erreicht. Unser Anspruch ist nicht weniger als das: Niemand soll mehr arbeitslos sein.
Wenn ein Unternehmen nun mit der Work-ID loslegen will …
… ist das ganz einfach: Für Menschen gibt es die App unter work-id.ch. Arbeitgeber finden den Skills-Manager unter skills-manager.ch.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer