Durchzogene Wirtschaftslage im Thurgau

Gemäss dem Thurgauer Wirtschaftsbarometer, der vom Kanton Thurgau, der Thurgauer Kantonalbank, der IHK Thurgau und dem Thurgauer Gewerbeverband getragen wird, hat sich in den vergangenen Monaten insbesondere in der Industrie die Lage eingetrübt.
Nachfrageschwäche erstmals stärker als Arbeitskräftemangel
Der Bestellungseingang ging in der Thurgauer Industrie im zweiten Quartal weiter zurück. Entsprechend schmolzen die Auftragsbestände; speziell jene aus dem Ausland sind zu klein. Die Nachfrageschwäche hemmt die Produktion derzeit stärker als der Arbeitskräftemangel – auch wenn dieser nach wie vor einschneidend ist. «Mehr als jeder zweite befragte Industriebetrieb meldete eine ungenügende Nachfrage», erläutert Kantonsstatistikerin Ulrike Baldenweg-Bölle. Angesichts der schwächelnden Nachfrage gelten die Lager an Vor- und an Fertigprodukten als zu hoch. Auch die Produktionskapazitäten werden als eher zu gross eingestuft. Aber: «Der Preisdruck scheint nachgelassen zu haben. Trotzdem verschlechterte sich die Ertragslage.»
Die Erwartungen für das bevorstehende Quartal sind in der Industrie verhalten. Die Betriebe gehen von weiter rückläufigen Bestellungen aus. Der Vorprodukteeinkauf wird zurückgefahren, der Personalbestand dürfte hingegen stabil bleiben. Für den längeren Zeitraum bis Ende 2023 sind die Betriebe ebenfalls wenig zuversichtlich. «20 Prozent erwarten eine schlechtere, nur fünf Prozent eine bessere Geschäftslage», präzisiert Ulrike Baldenweg-Bölle.
«Der Preisdruck scheint nachgelassen zu haben. Trotzdem verschlechterte sich die Ertragslage.»
Bauwirtschaft läuft nach wie vor auf hohen Touren
Die Bautätigkeit blieb im zweiten Quartal lebhaft, wobei viele Betriebe durch einen Mangel an Arbeitskräften eingeschränkt wurden. «Im Juli 2023 meldeten knapp 60 Prozent der befragten Betriebe eine gute, fast alle übrigen eine befriedigende Geschäftslage», freut sich die Kantonsstatistikerin.
Knappheiten bei Materialien und Vorprodukten sind im Baubereich der zweithäufigste limitierende Faktor. «Hier hat sich die Situation in den vergangenen Monaten jedoch deutlich entschärft. Demgegenüber wurden im Juli etwas häufiger als zuvor Engpässe bei technischen Kapazitäten oder finanzielle Restriktionen als Produktionshemmnisse genannt», so Ulrike Baldenweg-Bölle.
Allerdings sind die Auftragspolster nicht mehr ganz so komfortabel wie vor ein paar Monaten. Für das dritte Quartal erwarten die Baubetriebe eine nicht mehr ganz so rege Bautätigkeit und eine schwächere Nachfrage. Bis Ende 2023 wird mit einer unveränderten Geschäftslage gerechnet.
Auch interessant
Im Detailhandel ist man mit der Geschäftslage zufrieden
Die Betriebe erwarten im dritten Quartal steigende Umsätze. Auch für den Zeitraum bis Ende 2023 sind sie positiv gestimmt. «Die Kundenfrequenz war im zweiten Quartal 2023 höher als im Vorjahr. Dies wirkte sich auch auf den mengenmässigen Warenverkauf positiv aus», bilanziert Baldenweg-Bölle. Die Zahl der Beschäftigten wird überwiegend als ausreichend beurteilt. Obwohl knapp die Hälfte der Detailhandelsunternehmen einen höheren Lagerbestand als vor einem Jahr hatte, wird noch mit zunehmenden Einkäufen kalkuliert. «Bei den meisten Thurgauer Detailhandelsunternehmen ist die Ertragslage in den vergangenen drei Monaten gleichgeblieben, bei 13 Prozent hat sie sich verbessert», so Baldenweg-Bölle.
«Mehr als jeder zweite befragte Industriebetrieb meldete eine ungenügende Nachfrage.»
Mehr Hotelgäste, aber noch unter Vor-Corona-Niveau
Im ersten Halbjahr 2023 verbuchte die Thurgauer Hotellerie 3,5 Prozent mehr Logiernächte als im Vorjahr. «Trotz der Zunahme wurde das Vor-Pandemie-Niveau nicht erreicht», gibt die Kantonsstatistikerin zu bedenken. Nach einem starken Jahresauftakt blieben die Übernachtungszahlen im zweiten Quartal 2023 unter den Werten des Vorjahres.
Aber: «Im ersten Halbjahr 2023 übernachteten wieder häufiger Gäste aus dem Ausland in Thurgauer Hotels, vorwiegend die Übernachtungszahlen deutscher Gäste nahmen wieder zu», sieht Ulrike Baldenweg-Bölle Licht am Ende des Tunnels. Bei den Gästen aus der Schweiz lagen die Übernachtungszahlen im Schnitt der Jahre vor der Pandemie.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer