Thurgau

Bauchgefühl statt KI

Bauchgefühl statt KI
Andreas Riguzzi
Lesezeit: 4 Minuten

Die Riguzzi-Gruppe verlegt einen ihrer drei Thurgauer Standorte nach Baar. Der Geschäftsführer des modernsten Metallbearbeitungsbetriebs der Schweiz, Andreas Riguzzi, über die Industrie 4.0, die Rolle als Pionier und wie die Zukunft der Industrie aussieht.

Andreas Riguzzi, die Riguzzi-Gruppe verlagert einen Geschäftszweig von Felben nach Baar. Warum?
Prozessoptimierungen und schnellere Lieferzeiten standen im Vordergrund dieser Entscheidung. Durch die Verlagerung können wir die gesamte Blechbearbeitung an einem Standort bündeln. Das vereinfacht die Prozesse erheblich und ermöglicht es uns, effizienter und schneller auf Kundenanfragen zu reagieren. 

Inwiefern beeinflusst die Verlagerung die Mitarbeiter in Felben?
Der Umzug war ein wichtiger, aber auch emotionaler Schritt für uns alle. Ich habe mit jedem einzelnen Mitarbeiter gesprochen. Viele ziehen mit uns nach Baar, weil sie die Vision teilen, die hinter dieser Entscheidung steht.

Kehren Sie dem Thurgau damit nicht ein Stück weit den Rücken zu?
In gewisser Weise schon. Die Infrastruktur bei der Gysi AG in Baar bietet uns einfach die besten Voraussetzungen für weiteres Wachstum. Aber der Thurgau bleibt meine Heimat und ein wichtiger Standort für uns, mit vielen langjährigen und grossen Kunden.

 

«Wir zeigen bereits heute, wie die Industrie der Zukunft aussehen wird.»

Was spricht weiterhin für den Wirtschaftsstandort Thurgau?
Die Unternehmenskultur im Thurgau ist einzigartig – kurze Wege, hohe Vernetzung und eine Fülle an engagierten KMU, die täglich Grossartiges leisten.

Kann die Bündelung der Kräfte am Standort Baar dazu beitragen, Geschwindigkeit, Qualität und Termintreue zu steigern?
Ja. Die grösste Effizienzsteigerung wird durch die Einführung einer einheitlichen Software für Fertigungs- und Materialfluss erreicht. Wenn zudem alle Mitarbeiter unter einem Dach arbeiten, vereinfacht und beschleunigt das die Prozesse enorm. Die Verlagerung ist ein Katalysator für unser Wachstum. Sie ermöglicht uns, noch agiler und konkurrenzfähiger zu agieren.

Die Riguzzi-Gruppe hat in den vergangenen Jahren eine starke Präsenz im Schweizer Metallmarkt aufgebaut. Wie tragen Ihre Investitionen und Ihr Engagement zur Förderung des Werkplatzes Schweiz bei?
Wir zeigen bereits heute, wie die Industrie der Zukunft aussehen wird. Die Vorteile der Digitalisierung ermöglichen es, in der Schweiz konkurrenzfähig zu produzieren. Wir hoffen, dass wir auch andere Unternehmen zu einem Bekenntnis für den Werkplatz Schweiz inspirieren. Dass unser Engagement nachhaltig ist. Ebenso hoffe ich, dass es uns gelingt, Produktionen, die ins Ausland abgewandert sind, wieder in die Schweiz zurückzuholen.

 

Netech AG  Tiro Ofenbau  

Die Zukunft wird stark von Just-in-time-Produktion und Durchgängigkeit geprägt sein. Wie werden Sie sicherstellen, dass die Umstellung auf diese Produktionsweise reibungslos verläuft und Kundenbedürfnisse erfüllt werden?
In unseren Smart Factories arbeiten wir bereits seit mehreren Jahren durchgängig digital und Just-in-time. Wir sind in diesem Bereich Vorreiter, dank einer intensiven Partnerschaft mit Trumpf, dem Weltmarktführer für CNC-Maschinen.

Können Sie ein Beispiel machen?
Für unser Swiss Lasercut Center haben wir einen intelligenten Online-Shop entwickelt. Jede Bestellung ist individuell. Blechteile können 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche bestellt werden. Das intelligente Shopsystem berechnet den Preis, disponiert den Auftrag im Logistiksystem und programmiert die Laserschneidmaschine. Die Auftragsdaten werden vom Swiss Lasercut Center direkt mit dem Logistikpartner verknüpft. Die Bestellungen werden individuell und zum vereinbarten Liefertermin beim Kunden angeliefert. Gerade als Pionier gibt es immer Herausforderungen zu meistern und Prozesse zu optimieren. Aber mit einem engagierten Team und der Bereitschaft, täglich unser Bestes zu geben, sind wir gut aufgestellt.

Sie erhalten trotz Fachkräftemangel gute Bewerbungen. Wie sehen Sie die Rolle der künstlichen Intelligenz in diesem Kontext?
Ich setze bei der Personalauswahl lieber aufs Bauchgefühl als auf KI. KI kann zwar Zeugnisse und Weiterbildungen interpretieren, aber eine langjährige Menschenkenntnis kann sie nicht ersetzen. Richtig eingesetzt kann KI aber nützlich sein und wir bleiben offen für neue Technologien – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Gewinnung neuer Fachkräfte.

 

«Diese Verlagerung ist ein Katalysator für unser Wachstum.»

Ihr Unternehmen hat in den vergangenen Jahren neue Kunden gewonnen und den Umsatz gesteigert. Welche Faktoren haben zu diesem Wachstum beigetragen?
Unsere Nähe zum Kunden, schnelle Lieferfristen und modernste Technik haben uns geholfen, neue Kunden zu überzeugen und bestehende Beziehungen auszubauen. Wir schaffen Mehrwert durch individuelle Lösungen. Das wollen wir auch in Zukunft tun.

Zum Schluss: Könnten Sie uns einen Ausblick darauf geben, wie Sie die Zukunft der Riguzzi-Gruppe in Anbetracht der Veränderungen, Digitalisierung und Ihrer Vision von Industrie 4.0 sehen?
In nächster Zeit wird sich sehr viel bewegen, nicht nur in der Riguzzi-Gruppe, sondern in der ganzen Industrie. Wir werden an der Durchgängigkeit unserer Prozesse arbeiten, von der ersten Kundenanfrage bis hin zur finalen Qualitätskontrolle. Aber wir gehen über die blosse Automatisierung hinaus: Unser Ziel ist es, unseren Kunden mehr als nur Produkte zu bieten. Wir wollen Partner sein und innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen bieten. Die digitale Transformation wird uns helfen, in jeder Hinsicht effizienter und reaktionsfähiger zu sein. Das ist der Weg, den wir für zukunftssichere und nachhaltige Veränderungen am Werkplatz Schweiz sehen. Wir sind fest entschlossen, auch in diesen turbulenten Zeiten Chancen für Wachstum und Verbesserung zu finden und zu nutzen. Die Zukunft mag ungewiss sein, aber eines ist klar: Die Riguzzi-Gruppe wird an vorderster Front der Innovation stehen.

Text: Miryam Koc

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

Auch interessant

400 Millionen für 7,6 Gigawattstunden
Fokus Wirtschaftsstandort Thurgau

400 Millionen für 7,6 Gigawattstunden

Betroffene zu Beteiligten machen
Fokus Wirtschaftsstandort Thurgau

Betroffene zu Beteiligten machen

Wie man die Kraft der Natur nutzt
Fokus Wirtschaftsstandort Thurgau

Wie man die Kraft der Natur nutzt

Schwerpunkte