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Betroffene zu Beteiligten machen

Betroffene zu Beteiligten machen
Antonella Mussoi, Salvatore Bisognano
Lesezeit: 5 Minuten

Ein effektives Employer Branding kann dazu beitragen, die besten Talente anzuziehen und zu halten, die Unternehmenskultur zu stärken und so zum Geschäftserfolg beizutragen. Die Allevia GmbH aus Kreuzlingen unterstützt KMU bei ihrer Personalarbeit – besonders auch beim Employer Branding. Die Geschäftsleiter Antonella Mussoi und Salvatore Bisognano wissen, worauf es in Zeiten des Fachkräftemangels besonders ankommt, um sich als Arbeitgeber gegenüber seinen Mitbewerbern abzuheben.

Antonella Mussoi, Salvatore Bisognano, um die besten Talente anzuziehen, muss ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Ein starkes Employer Branding kann dabei helfen, sich positiv von Wettbewerbern abzuheben. Wie wird man als Firma «zur Marke»?
AM: Kurz gesagt durch Authentizität und Präsenz – ähnlich wie bei allen Marken. Firmen müssen leben, was sie versprechen. Die Zeit der inhaltslosen und mit Floskeln besetzten Hochglanzbroschüren und -leitbilder ist vorbei. Die Mitarbeiter erwarten und verlangen, dass der Arbeitgeber hält, was er verspricht. Auf Dauer kann das ein Unternehmen nur einhalten, wenn das, was es verspricht, zu seinen Werten passt und im Alltag auch gelebt wird.
SB: Ausserdem ist eine gewisse Präsenz auf verschiedenen Kanälen und Portalen ein Muss für Unternehmen. Nicht nur Produkte und Dienstleistungen wollen beworben werden, auch um Angestellte muss heute geworben werden – ganz nach dem Motto «Tue Gutes und sprich darüber». Noch besser ist es, wenn man darüber sprechen lassen kann, nämlich seine Mitarbeiter.

Die jüngeren Generationen legen oft mehr Wert auf Kultur und Werte eines Unternehmens als aufs Gehalt, sagt man. Wie wichtig ist das Employer Branding für die Generationen Y und Z?
SB: Wir sind nicht sicher, ob jüngere Generationen wirklich so wenig Wert auf ihr Gehalt legen. Wir denken eher, dass es noch den gleichen Stellenwert hat. Was wir aber aus unserer Erfahrung aus diversen Ad-Interim-Mandaten und Organisationsentwicklungsprojekten bestätigen können, ist, dass die Kultur, die Werte und ein Miteinander immer wichtiger werden.
AM: Das heisst aber nicht zwingend, dass es für ein gutes Employer Branding eine Rutschbahn oder einen «Töggelichaschte» braucht. Nach wie vor sind sinnvolle Arbeitsinhalte, Entscheidungsspielräume und Mitsprachemöglichkeiten hoch im Kurs. Flache Hierarchien und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe scheinen immer wichtiger zu sein. Das bedeutet nicht, dass keine Führung mehr gewünscht ist, sie soll nur mehr in Richtung Mentoring, Unterstützung und Coaching gehen. Menschen wollen wertgeschätzt werden und sich weiterentwickeln können, zumindest die meisten. Leider werden viele Führungskräfte aus unserer Sicht viel zu wenig, wenn überhaupt, auf die neue Führungsrolle(n) vorbereitet oder geschult.

 

«Wir sind nicht sicher, ob die Jungen wirklich so wenig Wert auf ihr Gehalt legen.»

Auf Plattformen wie Kununu oder Google, aber auch auf Social Media können Mitarbeiter ihre Erfahrungen und Meinungen über ihren Arbeitgeber öffentlich teilen. Kann ein gutes Employer Branding dabei helfen, das Image eines Unternehmens positiv zu gestalten?
AM: Davon sind wir überzeugt. Social Media gehört nicht mehr nur bei jungen Arbeitnehmern zum Alltag. Genauso wie Hotels und Restaurants aufgrund von Bewertungen auf Social-Media-Portalen gebucht werden, werden auch Arbeitgeber so «unter die Lupe» genommen.
SB: Kürzlich habe ich von einer HR-Kollegin sogar gehört, eine Kandidatin hätte einen Termin für ein Bewerbungsgespräch abgesagt, weil die Kununu-Bewertungen des Unternehmens so schlecht seien. Wer weiss, wie oft das geschieht, der Grund der Absagen aber nicht genannt wird. 

Employer Branding soll nicht nur nach aussen wirken – können ein positives Arbeitgeberimage und eine starke Unternehmenskultur dazu beitragen, dass Mitarbeiter sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren und länger bleiben?
SB: Gerade bei den Generationen Y und Z ist eine gute Unternehmenskultur das A und O. Dazu gehört nicht nur eine gute Work-Life-Balance. Ein starkes und einander unterstützendes Miteinander, gemeinsam Ziele zu erreichen und eine offene und faire Kommunikations- und Konfliktkultur unterstützt die Identifikation ebenso stark. Schliesslich verbringen wir täglich viele Stunden bei der Arbeit; dabei soll es den Leuten gut gehen und sie sollen auch Spass an ihrer Arbeit haben.
AM: Aber auch heute noch gilt die Aussage: «Menschen nehmen einen Job wegen einer Firma an, kündigen dann aber wegen der Führungskraft». Die Art und Weise der Führung nimmt in der Wahrnehmung von Mitarbeitern einen immer höheren Stellenwert ein. Und die Führungsrolle ist nicht einfacher geworden, ganz im Gegenteil: Es werden sehr hohe Erwartungen an sie gestellt, reines Fachwissen reicht schon lange nicht mehr aus.

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«Gerade bei den Generationen Y und Z ist eine gute Unternehmenskultur das A und O.»

Wenn ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird, kann dies die Anzahl der eingehenden Bewerbungen erhöhen und die Notwendigkeit teurer Rekrutierungsbemühungen verringern. Sehen Sie das auch so?
AM: Ja, das sehen wir auch so. Dazu gehört für uns auch ein starkes Human-Resources-Management. Die Personalabteilung wird von den Angestellten nicht mehr nur als reine Personaladministration wahrgenommen, die ihre Löhne pünktlich zahlt und bei arbeitsrechtlichen Fragen Unterstützung bieten kann. Von einer HR-Abteilung wird heute viel mehr erwartet – Personalentwicklung, Konfliktlösung, innovative Programme und Projekte sowie transparente, klare Regelungen und Prozesse. Ich habe neulich in einer HR-Zeitschrift gelesen, dass jede dritte Absage von Kandidaten aufgrund eines unbefriedigenden oder schlechten Rekrutierungsprozesses erfolgt: Sie bekommen teilweise lange oder gar keine Antwort auf ihre Bewerbung, das Bewerbungsgespräch gleicht mehr einem Verhör als einem gegenseitigen Kennenlernen – und danach hören sie nichts mehr, nicht einmal eine Absage. Das ist schlecht fürs Image. Und da schlechte Erfahrungen bekanntlich viel schneller und öfter weitererzählt werden als gute, verbreiten sich solche negativen Eindrücke auch entsprechend.
SB: Gerade für kleinere Unternehmen lohnt sich allenfalls ein Outsourcing. Dass z. B. ein Fachspezialist tageweise ins Unternehmen kommt und dort das HR-Management übernimmt. Die Vorteile: Die Unternehmen zahlen lediglich für die Zeit, in der die Fachspezialisten auch tatsächlich gebraucht werden. Es fallen keine 13. Gehälter an; Ausfallzeiten für Ferien oder bei Krankheit belasten das Unternehmen finanziell nicht. Ebenso sparen sie die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherer. Wir merken bei uns in der Firma, wie das Bedürfnis nach outgesourctem HR-Management zunimmt.

Zum Schluss: Wer sollte alles beigezogen werden, wenn sich eine Firma dazu entschliesst, ihr Employer Branding ernsthaft anzugehen – also aus der Firma und vielleicht von extern?
AM: Dass wir für externe Unterstützung plädieren, mag auf der Hand liegen. Allerdings möchten wir das nicht pauschal so werten. Wie bei allem kommt es auf den Kontext an: Wie wird die Projektleitung wahrgenommen, ist sie entsprechend ausgebildet, bestehen Interessenkonflikte, wie eng steht sie zur Geschäftsleitung? Was aus unserer Sicht viel wichtiger und entscheidend ist, ist die Beteiligung der Mitarbeiter. In welcher Form auch immer, sind wir der Meinung, dass diese für ein solches Projekt an Bord geholt werden müssen. Man muss Betroffene zu Beteiligten machen. Nur dann hat ein solches Projekt gute Chancen.
SB: Und ein Unternehmen sollte ein Employer-Branding-Projekt nur angehen, wenn es auch bereit ist, wirklich etwas zu verändern. Das muss nicht zwingend teuer sein; manchmal reichen schon wenige kleinere Anpassungen.

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