Thurgau

400 Millionen für 7,6 Gigawattstunden

400 Millionen für 7,6 Gigawattstunden
Thomas Lützenrath
Lesezeit: 5 Minuten

Die Swiss Clean Battery AG aus Frauenfeld wollte im Thurgau die erste Gigafactory für Feststoffbatterien aus dem Boden stampfen. Daraus wird nichts. Stattdessen soll in Graubünden gebaut werden. Allerdings fehlt dafür noch das nötige Geld.

Text: Patrick Stämpfli

Es hätte ein Pionierprojekt werden sollen in Wigoltingen: Geplant war eine Batteriefabrik mit bis zu 1000 Mitarbeitern. Doch die Swiss Clean Battery AG befürchtet im Thurgau ein langes Verfahren mit Einsprachen und will deshalb nun in Graubünden bauen, konkret in Domat-Ems. Auch der Firmensitz soll dereinst von Frauenfeld ins Bündnerland verlegt werden.

70’000 Quadratmeter, sieben Stockwerke

«In Domat-Ems können wir bis zur 7,6-GWh-Endausbaustufe an einem Ort bauen. Daher werden wir auch mittelfristig den Firmensitz nach Graubünden verlegen. Ich selbst habe bereits seit Juli eine Mietwohnung in Felsberg, gleich gegenüber des Baugrundstücks», sagt uns Thomas Lützenrath, COO der Swiss Clean Battery AG.

Das Baugrundstück, dass sich Swiss Clean Battery in Domat-Ems gesichert hat, umfasst 70´000 Quadratmeter. Entstehen soll darauf ein 40 Meter hohes Produktionsgebäude mit sieben Etagen, in welchem Feststoffbatterien hergestellt werden, die 50 Prozent besser sind in der Umweltbilanz als herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus. Einsprachen befürchtet Lützenrath hier keine. «Es handelt sich hierbei um eine Industriezone, die vom Kanton verkauft wird, mit Unternehmen wie Ems-Chemie oder Hamilton in der Nachbarschaft. Wir rechnen – nach allen unseren Gesprächen – daher nicht mit Einsprachen.»

Beschäftigen will Swiss Clean Battery am Standort Domat-Ems knapp 800 Mitarbeiter. Also nicht mehr ganz so viele, wie in Wigoltingen vorgesehen waren. «Ursprünglich waren über 1000 Angestellte geplant. Wir haben aber zusammen mit den Maschinenbauern die Produktion weiter optimiert und in die Industrialisierung investiert», erklärt Lützenrath.

«In Domat-Ems rechnen wir nicht mit Einsprachen.»

Von 1,2 auf 7,6 GWh

In einem ersten Schritt soll die Gigafactory Batterien mit einer Leistung von 1,2 GWh produzieren. In den folgenden Jahren soll sie dann schrittweise ausgebaut werden und später jährlich Batterien mit einer Leistung von 7,6 GWh herstellen. Dass nicht gleich von Anfang an so viele leistungsstärkere Batterien hergestellt werden, hat gemäss Lützenrath vor allem finanzielle Gründe. «Abgesehen davon, dass die Lieferzeit der Maschinen 18 Monate beträgt, wollen wir langsam aufbauen, Linie für Linie. Das gesamte Vorhaben ist defensiv geplant; das Risiko soll so gering wie möglich gehalten werden. Zudem können wir aus dem Cashflow des Stufenplans die Investitionskosten senken, denn sonst müssten wir 7,6 GWh auf einmal durchfinanzieren. So läuft das eben im Stufenplan: Sicherheit geht vor.» 

Insgesamt benötigt die Swiss Clean Battery AG rund 400 Millionen Franken, um das Projekt realisieren zu können. Erst wenn die Finanzierung gesichert ist, könne und wolle man loslegen, sagt Lützenrath: «Es wäre unseriös, würden wir erst das Grundstück kaufen und bebauen – und dann fehlt uns später das Geld für Maschinen, Material oder Mitarbeiter. Es geht eben nur ganz oder gar nicht.»

  

«Wir sind und bleiben eine Schweizer Firma.»

Von Bank im Stich gelassen

2022 wollte Swiss Clean Battery das nötige Kapital über eine Anleihe und einen Börsengang beschaffen. Beide Vorhaben sind (vorerst) gescheitert. «Wir hatten mit einer Hamburger Privatbank eine Vereinbarung, die Anleihen einzuwerben. Dazu haben wir extra eine Finanzierungsplattform in Luxemburg gegründet. Diese wurde nach ESG (ökologisch, nachhaltig und gesellschaftlich wertvoll) zertifiziert. Der Zertifizierungsprozess hat uns vier Monate Arbeit gekostet. Die Bank hat dann aber leider das Versprochene nicht geliefert», so Thomas Lützenrath.

Die Verzögerung des Börsengangs habe man aber selbst zu verantworten. «Aufgrund der neuen Option ‹Kaufen statt Mieten› musste alles neu geplant werden. Das Gebäude sieben- statt zweistöckig, neuer Materialfluss, neue Maschinenanordnung: Das bedeutet: neue Zahlen, neuer Business Case, neue Präsentationen.»

Amerikaner wollen investieren – aber …

Wie viel Kapital aktuell noch fehlt, um das Projekt in Domat-Ems zu realisieren, will Lützenrath nicht verraten. Noch im Juli war zu lesen, dass es rund 98 Millionen Franken wären. Man führe derzeit viele Gespräche mit Investoren aus den USA, Asien und Indien. Doch vor allem mit den Amerikanern gibt es offenbar ein Problem: «Die wollen zwar investieren, aber die Fabrik bei sich bauen. Das ist nicht der Sinn unserer Investorengespräche. Wir sind und bleiben eine Schweizer Firma mit Schweizer Standort. Wir wollen die Schweiz als Musterstandort für den weltweiten Rollout», gibt sich Lützenrath kämpferisch. 

Die Schweiz ist aber nicht nur Musterstandort für den Rollout, ohne sie bzw. die Schweizer Aktionäre hätte die Entwicklung der neuartigen Akkus gar nie umgesetzt werden können, sagt Lützenrath: «Wir haben die Entwicklung vor allem dank 250 Aktionären umsetzen können, die mehrheitlich aus der Schweiz kommen.» Eigentlich hätten somit die Schweizer die Entwicklung des Feststoffakkus bezahlt. Das sei ein riesiger Erfolg, so Lützenrath.

Ob die Akkus in Zukunft wirklich in der Schweiz produziert werden, ist derzeit also noch offen. Erhält die Swiss Clean Battery AG hier nicht das nötige Kapital, ist die Schweiz aus dem Rennen um den Produktionsstandort. «Wenn es uns hier nicht gelingt, die Investitionen zur Umsetzung zu beschaffen, dann stirbt dieser Standort leider – und die erste Gigafactory für Feststoffakkus entsteht in den USA oder anderswo, was mir in der Seele wehtäte. Wir kämpfen deshalb wie die Löwen, dass es in der Schweiz klappt», verspricht Thomas Lützenrath.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: zVg

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