Das Ende des Hooligan-Problems?
Das Forum Gelb-Rot habe die bisherige Handhabe der Hooligan-Bekämpfung analysiert und dabei «eklatante Defizite aufgedeckt», sagt der ehemalige Schiedsrichter und heutige Fussballkommentator Urs Meier. Das FG-R hat daraufhin Verbesserungen entworfen und als zielführende Methoden definiert. Heute bietet es Städten und Clubs Lösungen an und unterstützt sie bei der Behebung ihres Chaoten-Problems. «Unsere Module sind entlang eines ganzen Spieltags adaptierbar und neutralisieren die ewigen Krisenpunkte», präzisiert Meier. Auch in St.Gallen?
Urs Meier, Dan Schindler, als Stadtbewohner und Matchbesucher erleben wir regelmässig die negativen Seiten des Fussballs. Was läuft falsch?
UM: Schon in meiner Zeit als FIFA-Schiedsrichter gab es immer wieder brenzlige Situationen in- und ausserhalb der Stadien. In den vergangenen Jahren wurde das Abbrennen von verbotenen Bengalos, Pyros und Böller aller Art immer häufiger. Dazu kommen wüste Krawallszenen, die weder dem Sport noch den Clubs oder den Mannschaften dienen – ganz zu schweigen von den Fans.
DS: Wer sich an die «Finalissima» im Mai 2006 mit Petarden, Platzsturm, viel Rauch und einer Massenschlägerei – die Schande von Basel – erinnert, weiss in etwa, wann dieses Fan-Getue so richtig vom Fan-Kurs abkam.
Sie sind mit dem Credo «Neu denken – fertig Chaoten» unterwegs. Weshalb haben Sie das Forum Gelb-Rot lanciert?
UM: Noch mehr als die «Finalissima» haben uns die danach einberufenen, gut gemeinten «runden Tische» mit den immer gleichen Leuten und den unbrauchbaren repressiven Vorschlägen nachdenklich gemacht. Als lösungsorientierte Berater, Unternehmer und Steuerzahler schockiert uns dieses ideenlose Agieren der Arbeitsgruppen. «Neu denken» gilt spätestens dann, wenn bisherige Konzepte durchfallen. Es sind die farbigen Choreos, die fröhlichen Fans, der Gesang und die La-Ola-Wellen, welche gute Stimmung ins Stadion bringen, nie die pöbelnden Chaoten.
Wir haben aber doch etwa 99 Prozent friedliche Match besucher …
DS: … und wegen des Rests regelmässig ein Riesentheater und hohe Kosten für eine Stadt. Das fehlgeleitete Fangehabe ist durch all die repressiven Hooligan-Massnahmen seitens der Staatsautoritäten nicht wegzubekommen. Das Forum Gelb-Rot deckt die Fehlleistungen auf, analysiert die Defizite und entwirft adaptierbare Lösungswege für die betroffenen Stadionstädte und die lokalen Fussballvereine.
Und wie wollen Sie das erreichen?
UM: Nach mehrjährigem Monitoring von Funktionären, Clubs, Fans, Politik, Ordnungsdiensten, Sponsoren, Steuerzahlern und Medien wissen wir, was geht, und können eine «Chaoten-freie»-Optimierung eines Spieltags aufzeigen. Wir benennen die Defizite im bisherigen Umgang mit Randalierern und bieten Module zu einem gewünschten «Fertig Chaoten»-Status je Stadionstadt an.
Wo sind denn diese Defizite?
DS: Ein Beispiel: Warum karrt man die Gästefans – durchsetzt mit Chaoten – jedes Wochenende von einem Spielort zum nächsten – und die Fanversteher und Polizeikräfte vor Ort wissen nicht, wer wo einsteigt oder was in deren Taschen ist? Warum hören wir seit Jahren nichts über einen effizienten Modus bezüglich Anreise/Abreise der «gespickten Gästeschar»?
Mit früheren Kontrollen könnten Spiele ohne Krawalle und Pyros ablaufen?
UM: Genau. Wir haben in den vergangenen Jahren das Handling vieler Spieltage analysiert. Unsere Methode erfasst den Matchbesucher, lange bevor er im Stadion sitzt. Dazu bieten wir ein CRM-basiertes Bezugsgruppen-Szenario an und wissen, wer zum Spiel X gegen Y am Tag Z will – und wer kommen darf (CRM = Crowd Relationship Management). Bevor sich die «Kurven-Gänger» (Heimspiel) oder die «gespickte Gästeschar» (Gast-Club) auf die Anreise zum Spiel begeben, wissen wir schon, wer woher kommt.
Dann sind Sie dem offiziellen Kaskadenmodell einen Schritt voraus?
DS: Ja. Im Forum-Netzwerk haben wir einen Ticketexperten, der ein eigenes System betreut und direkt weiss, wer in welcher Arena auf welchem Platz stehen oder sitzen wird. Bevor all die «Pyro-Freunde» aktiv werden, haben wir sie längst auf dem Radar. Das spart aufwendige Videotechnik und teure Suchtrupps. Wir setzen auf anderweitige Kriterien zur Identifizierung und Eliminierung von Krawallanten. Und sparen allen Involvierten Zeit und Geld.
Also wenden Sie sich nicht nur an die Clubs, sondern auch an die Politik?
UM: Richtig. Das Forum Gelb-Rot hat zwei relevante Adressaten: Die Politik, meist die Stadträte für Sicherheit als Bewilligungsbehörde. Dann die Fussballvereine selbst, via oberste Leitung. Wer als Stadt- oder Fussballclub-Präsident ein Chaoten-Problem mitführt, ist eingeladen, diese teure Fan-Unkultur mit uns zu analysieren, zu korrigieren und wegzubekommen. Wer weiterhin seine Steuerzahler das kostspielige und wirkungsarme Konkordat-Regime bezahlen lässt, bekommt irgendwann die Rote Karte – von den echten Fans, den Steuerzahlern oder der Wählerschaft.
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Konkret: Was bekommen die Verantwortlichen einer Stadionstadt oder der lokale Fussballverein von Ihnen zur Behebung ihrer Chaoten-Problematik?
UM: Einen 3-Phasen-Plan, abgestimmt auf Stadt und Club. In Phase 1 erstellen wir mit den zuständigen Personen den Istzustand und reflektieren den Status quo. Dann überarbeiten wir in Phase 2 gemeinsam die Defizite, formulieren Verbesserungen und zeigen Lösungswege auf. Die Kunden erkennen schnell, dass es nach einer Adaption unserer Module bedeutend besser gelingt, all die Bezugsgruppen eines Spieltags zu lenken. Die Phase 3 dient dann der Umsetzung. Forum-Mitglieder übernehmen die Moderation und das Coaching in diesem Abschnitt. Die Anwender der Stadionstadt und die lokalen Fussballvereine werden entsprechend geschult.
Würden die Sicherheitsdienste dank den Forum-Modulen günstiger?
DS: Ja, Kosten und Einsatzzeiten der Einsatzkräfte gehen signifikant runter. Der heutige Aufwand zur Bewirtschaftung der «Gäste-Chaoten» mit der Polizei ist sehr hoch – je nach Berechnung und Spielplan schnell bei einem Faktor 4 zum Ertrag mit Gäste-Fans. Sagen wir, ein Club nimmt dank Tickets und Catering an einem Spieltag 40´000 Franken ein, dann kostet der Polizei-Sicherheits-Plausch den Steuerzahler rund 160´000 Franken. Man könnte auch sagen: Der Club verdient resp. spart dank des Steuerzahlers.
Auch in St.Gallen?
DS: Ja. Die St.Galler Steuerzahler bezahlen seit Jahren als «Zwangs-Sponsoren» eine wenig wirksame Gangart rund um die FCSG-Heimspiele teuer mit. Es wäre aus Sicht der Steuerzahler sogar günstiger, dem FCSG den Gäste-Sektor je Saison «auszukaufen» und ohne Gäste-Fans zu spielen.
Zu dem finanziellen kommt noch der Image-Schaden.
UM: Natürlich. Image und Reputation sind ein wichtiges Thema für jede Stadtregierung und deren Touristiker, ob als Sport-, historische oder Kongressstadt. Heute gelangen Bilder von Pyro-Exzessen, verwüsteten Bahnhöfen, Zügen oder Innenstädten sofort ins Netz. Und das Schlimmste ist: Das alles müsste nicht sein – wenn die Verantwortlichen wirklich etwas ändern wollten.
Sie denken, wirkliche Änderungen seien gar nicht so sehr gewünscht?
DS: Seit Jahren versteckt sich nicht nur die Direktion Soziales und Sicherheit der Stadt St.Gallen hinter dem Konkordat und weiteren Arbeitsgruppen – und es knallt immer noch. Jeder Verweis auf eine «nationale Vorgehensweise» ist Aufschiebung des Problems. Für jede Stadionstadt sind die Methoden des Forums Gelb-Rot die direkte «Chaoten-freie»-Erfolgspur.
UM: Der FC St.Gallen hat seit Jahren eine grosse Anhängerschaft. Clubleitung und Fanbetreuer kennen «ihre Kurve» aber offenbar ungenügend. Statt immer wieder zu betonen, dass Chaoten und Pyros nicht toleriert würden und diese gleichzeitig seit Jahren zu dulden, könnte der Club konkret etwas tun und das «Flambieren» bei Heimspielen und auswärts abstellen. Eventuell braucht ein Fussballclub aber ein Dutzend Chaoten und Brandstifter, damit das bisherige Sicherheitsdispositiv nicht zur Diskussion steht und weiterhin via Steuergeldern bezahlt wird …
Was könnte der FCSG also besser machen, um die Fan-Unkultur mit Pyros und Krawallen zu eliminieren?
DS: Bei den Heimspielen kann der FCSG als Hausherr sagen, wer an seine Spiele kommen darf und wo dessen Platz ist. Dieser rechtliche Status würde es den Clubverantwortlichen erlauben, spätestens beim Einlass zu den Sektoren eine Notbremse zu ziehen. Nicht nur der FCSG, sondern alle Fussballvereine mit Chaoten-Problemen haben CRM- und Interaktionsdefizite und räumen dem Sachverhalt zu wenig Raum ein. Kurz: Man müsste endlich die Kurve und weitere Problem-Sektoren ausmisten.
Ein «Chaoten-freier» Spielbetrieb würde wohl auch mehr Geldgeber anziehen.
DS: Natürlich. «Wir haben’s im Griff»-Parolen bei abweichenden Ist-Szenarien sind Killerargumente im Sportmarketing. Man könnte auch sagen: Mit der aktuell geduldeten Situation bezüglich Chaoten und Pyros sendet die FCSG-Clubleitung ein ungutes Marketing-Signal an neue Förderer und Sponsoren aus.
UM: Dazu kommt: Im Umkreis von St.Gallen sind einige erstklassige Sportvereine und Events beheimatet, etwa Handball oder Pferdesport, alle «Chaoten-frei», mit TV-Zeit und aktiv auf der Suche nach Partnern. Was denken Sie, wie lange es dauert, bis gewisse Sponsoren umschwenken, wenn es mit den Randalierern so weitergeht?
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg