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Prozesse unter realistischen Bedingungen optimieren

Prozesse unter realistischen Bedingungen optimieren
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Das neue Lebensmittel-Innovations-Zentrum am Bühler-Hauptsitz in Uzwil ermöglicht es Kunden, komplette Herstellungsprozesse vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt zu entwickeln.

An weltweit 23 Standorten betreibt Bühler bereits Anwendungs- und Trainingszentren zu bestimmten Themen. Dort können Bühler-Kunden neue Herstellungsverfahren oder neue Produkte statt unter Labor-Bedingungen in einem kleinen industriellen Massstab ausprobieren und verbessern. Ein so entwickelter Prozess lässt sich problemlos in reale Produktionsvolumen skalieren.

Am Hauptsitz des Unternehmens wird nun eine ganze Reihe solcher bestehender und neuer Anwendungs- und Trainingszentren in einem Lebensmittel-Innovations-Zentrum zusammengefasst. Das hat den Vorteil, dass ganze Abläufe, also eine künftige Produktionslinie, ausprobiert werden können.

Alles in einer Einrichtung

In der Verarbeitung von proteinreichen Pflanzen gibt es viele Möglichkeiten zur Handhabung der Rohstoffe, Trockenmahlung oder Nassverarbeitung, Isolierung, Fraktionierung bis hin zur Formung und Umformung und der Texturierung, um beispielsweise Fleisch auf pflanzlicher Basis herzustellen.

«Unsere Kunden können Konzentrate und Isolate herstellen, Fraktionen in flüssiger Form oder in Pulverform herstellen, sie können sie entweder trocknen oder direkt die Fleisch- oder Milchanaloga herstellen – alles innerhalb einer Einrichtung», erklärt Bühler-CTO Ian Roberts. «Das bedeutet, dass ein Kunde an der Optimierung des Gesamtprozesses arbeiten kann und nicht nur an der Optimierung einzelner Abschnitte.»

Bisher konnte ein einzelner Herstellungsschritt optimiert werden, es wurde aber nicht erkannt, dass dies allenfalls unerwünschte Konsequenzen für einen vorhergehenden oder folgenden Arbeitsschritt hat, weil eine Gesamtprozessoptimierung fehlte. «Das können wir nun in Uzwil anbieten», freut sich Ian Roberts, «ich bin überzeugt, dass dies die einzige Einrichtung auf der Welt ist, die über diese Fähigkeit verfügt.» Roberts sieht denn auch einen Hauptnutzen des Food Creation Centers darin, den Kunden zu demonstrieren und zu versichern, dass die gewählte Technologie geeignet ist, um die vorgesehenen Produkte in der gewünschten Qualität herzustellen.

 

«Je näher wir unseren Kunden sind, desto besser bedienen wir sie.»

Das Innovationszentrum für Lebensmittel in Uzwil besteht aus folgenden Anwendungs- und Trainingszentren:

Im Flavor Creation Center wird das langjährige Know-how von Bühler in der Verarbeitung, Röstung und Vermahlung von Kakaobohnen, Nüssen und Kaffee vereint, um unvergleichliche Aromen und exquisite Produkte zu kreieren. Hier kann der Weg von einer rohen Kakaobohne bis zu einer fertig geformten Schokolade ausprobiert werden.

Im Protein Application Center können Kunden ihre Ideen im Bereich der Proteinverarbeitung entwickeln und validieren. Das Zentrum ist ausgestattet mit den neuesten Nassisolationstechniken für die Trennung von Proteinen, Stärke und Fasern. Dafür ist Bühler 2022 eine strategische Partnerschaft mit dem deutschen Maschinenbauunternehmen Endeco eingegangen.

So kann Bühler dazu beitragen, die Verarbeitung von Hülsenfrüchten voranzutreiben, um die wachsende Nachfrage nach alternativen Proteinquellen zu befriedigen und Komplettlösungen «von der Bohne bis zum Burger» für die Hülsenfrüchteverarbeitung mit einem deutlich geringeren CO2-Fussabdruck zu entwickeln.

Im Mehrzweck-Labor des Extrusion Application Center können Kunden neue Rezepte, Produkte und Texturen testen. Es ergänzt die bestehende Infrastruktur von Bühler für die Verarbeitung von Pflanzen und wird zusammen mit dem Protein Application Center betrieben.  Das Food Creation Center unterstützt die Entwicklung von Snack-Riegeln, Waffeln, Keksen, Crackern oder Backwaren aller Art während des gesamten Innovations- und Produktionsprozesses.

Testen, ohne Produktion zu stoppen

Kunden, die neue Lebensmittel entwickeln, können dank der Anlagen auf dem Bühler-Campus ihre angestammte Produktion ohne Unterbruch und ohne Störung weiterlaufen lassen. «Sie können zu uns kommen und ein paar Tage lang Ihre Entwicklung und Tests durchführen, ohne Ihr Kerngeschäft zu beeinträchtigen», erläutert Ian Roberts das Konzept. Anschliessend können die künftigen Bediener einer neuen Anlage im Anwendungs- und Trainingszentrum geschult werden. «Wenn der Kunde die neue Linie in Betrieb nimmt, ist sein Team bereit, sie zu betreiben.»

Bei neuen Produkten, die in einem Anwendungs- und Trainingszentrum entwickelt werden, gehört die Rezeptur anschliessend den Kunden. Da meistens Standard-Technologie aus dem Bühler-Portfolio in einer allenfalls neuen Konfiguration eingesetzt wird, gehört das Technologie-Know-how ohnehin bereits Bühler.

In der gemeinsamen Entwicklungsarbeit erfährt Bühler aber viel darüber, wie der jeweilige Kunde denkt. «Die Anwendungslabore ermöglichen es uns, eine viel engere Beziehung und ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden aufzubauen. Je näher wir unseren Kunden sind, desto besser bedienen wir sie», betont Ian Roberts.

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Aus Biomasse wird Energie

In allen Anwendungs- und Trainingszentren in Uzwil fallen jährlich etwa 550 Tonnen Biomasse an, die in Energie umgewandelt wird. Auch dazu ist Bühler eine strategische Partnerschaft eingegangen, «wir arbeiten mit dem Unternehmen Vyncke zusammen, das sich auf die Umwandlung von Biomasse in saubere Energie spezialisiert hat» erklärt Ian Roberts. Die Vyncke-Biomassekessel sollen Ende Jahr in Betrieb genommen werden.

Auch dieses Energy Recovery Center dient der Inspiration der Kunden: Die Nebenströme ihrer Produkte sollen optimal genutzt werden, indem Wärme für ihre Prozessanlagen erzeugt wird. «So werden sie unabhängiger von der Energieversorgung und sie schaffen aus den Nebenströmen einen Mehrwert für sich.»

Text: Philipp Landmark

Bild: zVg, Pixabay

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