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Learnings vom Vorzeige-Start-up

Learnings vom Vorzeige-Start-up
Martin Fengler
Lesezeit: 6 Minuten

Meteomatics ist eine Erfolgsgeschichte aus der Ostschweizer Start-up-Welt. Dennoch würde Gründer Martin Fengler heute einiges anders machen.

Meteomatics, 2012 in St.Gallen gegründet, ist heute ein grosses, international tätiges Unternehmen für hochpräzise Wetterdaten. Und noch immer ist es eine der Lieblings-Start-up-Geschichten der Ostschweiz. Gründer und Mastermind Martin Fengler wird deshalb gerne eingeladen, um seine Geschichte zu erzählen. Kürzlich teilte er seine Erfahrungen als Start-up-Gründer auf Einladung des Startfelds an der Fachhochschule OST. Solche Engagements nimmt Martin Fengler gerne an, er betrachtet es auch als Investment in die Ostschweizer Start-up-Welt. Ein Engagement, dass sich lohnt: Fengler hielt schon vor über zehn Jahren Vorträge an der Kantonsschule am Burggraben, einer der Zuhörer von damals arbeitet jetzt bei ihm.

«Künftig müssen an der HSG naturwissenschaftliche Studiengänge angeboten werden.»

Man gründet da, wo man ist

Sein Unternehmen gründete Martin Fengler auf dem Sofa, «ohne gross zu überlegen, ob es in St.Gallen einen günstigeren Steuertarif gibt als in Zug; ich glaube, man gründet einfach da, wo man ist.»

Das gilt zumindest dann, wenn man als junger Gründer noch tausend andere Dinge im Kopf hat. «Mit dem heutigen Wissen, mit 13 Jahren Erfahrung, würde ich wohl eher in Zürich gründen», sagt Fengler in einem Gespräch nach dem Referat. Ein wesentlicher Grund: Für die komplexen Wettermodelle seines Unternehmens braucht er hochqualifizierte Naturwissenschaftler. Solche Talente sind rar, wenn solche Top-Entwickler an der ETH abschliessen, kommen sie meist nicht weit, weil sie von Google, OpenAI, Apple, Walt Disney und anderen Tech-Firmen in der Nachbarschaft gleich wieder aufgesogen werden.

«Mit dem heutigen Wissen würde ich wohl eher in Zürich gründen.»

Naturwissenschaften an der HSG

Martin Fengler versucht, solche Talente nach St.Gallen zu locken, und seit drei Jahren gelingt ihm das spürbar besser. Natürlich ist das Unternehmen inzwischen bekannter geworden und gilt als cool. Vor allem aber zügelte Meteomatics aus dem Startfeld in eine Liegenschaft in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Raum Zürich fahren allenfalls noch eine Stunde nach St.Gallen, «wenn sie dann nochmals eine Viertelstunde dranhängen müssten, um irgendwohin zu fahren, dann kommen sie einfach nicht». Deshalb rät Fengler künftigen Gründern von technologie-orientierten Start-ups: «Gründet nicht in St.Fiden, gründet nicht im Rheintal, macht es in Gehdistanz vom Bahnhof St.Gallen.» Dem Kanton St.Gallen aber rät er, das grundsätzliche Problem anzugehen: «Künftig müssen an der HSG naturwissenschaftliche Studiengänge angeboten werden.» Auch, damit die Talente von der hiesigen Kantonsschule nicht an andere Hochschulen abwandern und dort hängen bleiben.

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Single Founder wider Willen

Eigentlich wollte Martin Fengler 2012 das Start-up mit einem Partner gründen, «doch der ist mir eine Woche vor Gründung abhandengekommen». Heute würde Fengler das wohl nicht mehr tun. «Single-Founder hat natürlich seinen Charme, man kann überall durchregieren.» Doch die Heldentaten, die man so gerne in Start-up-Biografien hineinliest, seien selten; hingegen gab es in den 13 Jahren, die Meteomatics nun unterwegs ist, zahlreiche schlaflose Nächte. «Und dann ist es cool, wenn du jemanden hast, der mitleidet.»

Den fehlenden Partner in der Firma kompensierte Fengler ein Stück weit mit einem Sparring-Partner von ausserhalb: Roger Dudler, der mit seinem Start-up Frontify in der Entwicklung stets gefühlte zwei Jahre vor Meteomatics lag, gab Martin Fengler wertvolles Feedback und gute Tipps. Roger Dudler riet ihm schon früh, sein Geschäftsmodell als «Wetter-API-SAAS-Ding» aufzuziehen. «Ich hatte das lange nicht verstanden, sagt Fengler heute. Rasch verstanden hatte er aber: «Wenn jemand ein Start-up gründet, braucht man unbedingt interne und externe Sparring-Partner!»

«Es ist cool, wenn du jemanden hast, der mitleidet.»

Investoren schauen das Team an

Wenn Martin Fengler Einblick in andere Start-ups erhält, dann erkennt er durchaus, dass seine Situation als Single Founder auch Vorteile hat. Beziehungen zu Geschäftspartnern können sich auch mal verändern, etwa aus privaten Umständen heraus. Es könne zum Beispiel sein, dass ein Partner nach einigen Jahren meint, die Firma müsse gar nicht weiterhin wachsen, und dafür das Arbeitspensum reduzieren will. «Es ist ein ziemliches Dilemma, wenn du zum Mond fliegen willst und dein Partner meint, es reicht, wenn wir bis zur Startrampe fahren.» Dennoch empfiehlt er, ein Start-up mit Partnern aufzubauen. «Unter dem Strich ist es mit Partnern oft einfacher.»  Das sei insbesondere beim Fundraising so: «Investoren reden immer davon, dass sie Risikokapital geben. Das ist Quatsch. Sie hassen Risiken wie die Pest.» Am Anfang würden Investoren die Power-Point-Präsentationen anschauen, «sie finden vielleicht das Design cool, den Case verstehen sie sowieso nicht», sagt Fengler. «Die Zahlen sind erstunken und erlogen, das wissen auch die Investoren, aber die schauen sich ohnehin vor allem das Team an.»

Das war ein Handicap für Meteomatics: «Bei uns gab es kein Team, da gab es nur mich. Wir haben deswegen unfassbar lang keine Investoren bekommen», erinnert sich Fengler. Trotzdem war es für ihn einfach, neue Kunden zu gewinnen. «Irgendwann hat sich dann ein Investor gesagt, wenn der jetzt schon 100 Kunden hat, dann scheint es ja irgendwie zu funktionieren.»

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Businessplan für die Tonne

2012 gab es in St.Gallen noch keine Start-up-Szene, die diesen Namen verdient hätte, «das Startfeld gab es schon, es war aber selbst noch ein Start-up.» Also wusste niemand so genau, wie ein Start-up eigentlich funktioniert. Martin Fengler ging in einen Buchladen und kaufte ein Buch: «Wie mache ich einen Business-Plan?» Tatsächlich habe er dann ein 100-Seiten-Dokument gebastelt – «alles für die Tonne, das brauche ich nicht mehr», sagte er am Start-up Breakfast an der OST. «Aber es ist durchaus unterhaltsam, da nochmals reinzuschauen.»

Eine erste Finanzierung erhielt Meteomatics damals über die gerade entstandenen Startfeld-Strukturen. Das war damals aber noch keine Finanzierung über Eigenkapital, sondern ein Darlehen. «Zinslos, immerhin», sagt Fengler, doch das Darlehen ging nicht an die Firma, sondern an ihn als Privatperson, er war persönlich dafür haftbar.

«Solch geliehenes Geld gibt man nicht so freudig aus, wie wenn es fremdes Geld wäre, das man von Investoren hat.» Der jungen Firma mit kaum Geld auf dem Konto half das Darlehen durchaus. «Aber es war nicht besonders angenehm – ich bin dankbar, aber ich war heilfroh, als ich alles zurückbezahlt hatte.»

Knallharte Kriterien

Bei späteren Finanzierungsrunden geht es nicht mehr um das Team, es geht nur noch um KPIs, um die wesentlichen Kennzahlen. «Investoren kaufen keine Projektidee und schon gar keine Idee, um die Welt zu retten. Es geht um Wachstum, und das kann man messen», hält Martin Fengler fest. Es gebe knallharte Kriterien, «wenn ein Start-up im Bereich Software as a Service am Anfang nicht mindestens 60 oder 70 Prozent Wachstum aufweist, wird es keine Finanzierung bekommen». Wer ein Start-up gründet, muss sich darüber im Klaren sein, dass es im Minimum zehn Jahre dauert, «bis das Ding so richtig abhebt», wie es Fengler formuliert. «Früher stand in jedem Buch, nach den ersten drei Jahre habe man es geschafft.» Dann stiess er auf einen Blog vom Ostschweizer Gründer und erfahrenen Start-up-Investor Andreas Göldi.

«Er schrieb, es brauche zehn Jahre. Wir waren noch keine fünf Jahre unterwegs und ich dachte, das sei Blödsinn, es geht viel schneller.» Doch Göldi sollte recht behalten. «Es braucht zehn Jahre, bis das Geschäftsmodell gefestigt ist, bis man Kunden hat, ein Netzwerk, bis es dann auch einfacher wird, Leute anzuziehen.» Was Martin Fengler potenziellen Gründern ebenfalls mit auf den Weg gibt, ist die Empfehlung, ein einfaches Geschäftsmodell zu wählen, «etwas, das leicht zu verstehen ist». Den Techies legt er nahe, Sales und Marketing ernster zu nehmen, als er es tat. «Ich hatte als Naturwissenschaftler natürlich immer so meine Meinung zu Sales- und Marketing-Menschen. Ich dachte, wenn ich ein super Produkt habe, dann verkauft sich das von allein. Ja, auch da hatte ich mir eine blutige Nase geholt.» Sein eigenes Geschäftsmodell würde Fengler heute nicht nur einfacher formulieren, sondern auch anders aufziehen. Er würde am liebsten voraussetzen, dass es die Daten einer Meteomatics gibt, und dann mit einer neuen Firma darauf aufsetzen und nur noch Daten veredeln. «Heute sind wir eine Firma, die rund ein Drittel ihrer Gesamtkosten aufwendet, um diese riesige Datenmenge zu generieren.»

Text: Philipp Landmark

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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