Wirtschaft

Warum Klarheit essenziell ist

Warum Klarheit essenziell ist
Attila Wohlrab
Lesezeit: 5 Minuten

Als unabhängiger Unternehmer berät Attila Wohlrab mit seinem Team Kunden mit Immobilien aus allen Segmenten, institutionelle wie Private. Die Beratungstätigkeit hat neben der Vermarktung und Verwaltung von Immobilien stark zugenommen, insbesondere bei Nachfolgeregelungen. Als eidg. dipl. Immobilientreuhänder, Präsident des AGV Kreuzlingen, Vorstandsmitglied der IHK Thurgau und aktives Mitglied der FDP weiss Wohlrab, worauf dabei besonders zu achten ist.

Attila Wohlrab, was sind die Marktfelder Ihrer Immokanzlei AG?
Neben der Vermarktung von Wohn- und Gewerbeimmobilien sind wir auch in deren Bewirtschaftung tätig. Da gehören neben privaten Personen auch institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Kantone und Gemeinden, Banken und Anleger oder Family-Offices zu unseren Kunden. Auf die grosse Breite unserer Kundschaft und deren Vertrauen sind wir natürlich stolz. Es sind ja oft sehr hohe Vermögenswerte.

Zu Ihren Beratungstätigkeiten gehört auch der «grösste Brocken» bei der Unternehmensnachfolge, die Immobilie. Ist es sinnvoll, diese aus der Übergabe herauszunehmen?
Diese Beratungstätigkeit hat in der Tat stark zugenommen. Leider machen sich viele mehr über die Betriebsgesellschaft Gedanken; die Immobilie wird oft nicht wirklich beachtet. Man macht einen einfachen Mietvertrag, weil sich Verkäufer und Käufer einig über die Betriebsgesellschaft sind. Das führt häufig nach einigen Jahren zu Unstimmigkeiten. Ob man die Liegenschaft herausnimmt oder nicht, ist nicht so entscheidend – sondern sich frühzeitig mit Fachleuten zu beraten und die beste Lösung für alle zu finden.

Worauf ist besonders zu achten, wenn ich ein Unternehmen zu übergeben habe, das über einen nennenswerten Immobilienbestand verfügt?
Aus meiner Erfahrung sollte absolute Klarheit herrschen, was mit den Immobilien passieren soll und zukünftig geplant ist. Das braucht oft mehrere vertiefte, offene Gespräche zwischen den Partnern. Und es braucht klare, professionell erstellte Verträge.

 

«Eine gewisse Nervosität macht sich bei sogenannten Spekulanten der letzten Jahre bemerkbar.»

Und spielt es eine Rolle, ob ich das Unternehmen familienintern oder extern weitergebe?
Überhaupt nicht. Oft ist es so, dass familienintern noch weniger auf klare Vorgaben geachtet wird. Das führt dann häufig zu Differenzen in den Familien, wo plötzlich unbeteiligte Familienmitglieder ungewollt in einen Konflikt einbezogen werden. Ich unterscheide in der Beratung aber in keiner Weise, wie die Parteien zueinander stehen.

Oft hört man, dass ein Patron seine Firma zwar übergibt, die Immobilien aber in einer neuen, eigenen Firma behält. Was halten Sie von dieser Lösung?
Das ergibt oft Sinn, da ein Kauf der Immobilie neben der Firma finanziell kaum möglich ist. Es braucht da auch eine klare und faire Lösung. Die Nachfolger orientieren sich sonst mittelfristig an einem neuen Standort – und der Patron sitzt auf einer leeren Immobilie.

Jetzt leben wir in unruhigen Zeiten, eine Krise scheint die nächste zu jagen. Schlägt sich diese Unruhe auch in der Stimmung von Immobilienbesitzern nieder?
Wer solide finanziert und langfristig seriös kalkuliert hat, muss sich weniger Sorgen machen. Eine gewisse Nervosität macht sich bei sogenannten Spekulanten der letzten Jahre bemerkbar, die unbedingt mit Immobilien das grosse Geld verdienen wollten. In einer historischen Tiefzinsphase, wie wir sie erlebt haben, kann man mit fast allem Geld verdienen. Es war jedoch etwas naiv zu glauben, dass es immer so bleiben werde.

 

  

Können Sie hier einen generellen Rat geben: Macht halten oder kapitalisieren mehr Sinn, vielleicht mit anschliessenden Investments an der Börse?
Das ist eine Frage, die mich in den letzten 30 Jahre immer wieder beschäftigt hat. Es gibt viele Investoren, die switchen oft zwischen Immobilien und Börse, einfach immer zum falschen Zeitpunkt … Wenn man noch weitere gute Einnahmequellen besitzt, geht solch eine Kapitalvernichtung. Persönlich bin ich aber überzeugt, dass nur mit einer sauberen Diversifizierung und laufender Überprüfung ein Vermögen gehalten und vergrössert werden kann. Kurzfristige Sprünge in verschiedene Investments können Glückstreffer sein, sind jedoch meist mit Verlusten verbunden.

Und wie sieht es nachfrageseitig aus, wo steht der Markt für Investitionsimmobilien und Gewerbeimmobilien heute?
Derzeit herrscht ein etwas ambivalentes Verhältnis: Einerseits gibt es Angst vor einem Immobiliencrash, anderseits sucht man Sicherheit. Zusätzlich entwickelt sich der Markt noch immer aufwärts, wenn auch weniger schnell als in den Vorjahren. Eine erhöhte Nachfrage erleben wir derzeit bei Industrieliegenschaften.

Sie sind mit Ihrer Immokanzlei AG seit bald zwei Jahrzehnten aktiv. Inwiefern haben sich Angebot und Nachfrage in dieser Zeit verändert?
In der Tiefzinsphase in den vergangenen zehn Jahren war eine erhöhte, gar überhöhte Nachfrage festzustellen. Oft waren dies Menschen, deren Motivation die tiefen Zinsen waren – ohne zu berücksichtigen, dass es auch die andere Richtung gibt. Dies hat sich leicht abgeschwächt, was dem Markt und der Wirtschaft guttut. Eine grosse Nachfrage ist auch wegen der Zuwanderung seit Einführung der Personenfreizügigkeit festzustellen. Diese hat sich nicht nur auf Wohnimmobilien ausgewirkt, sondern auch auf Gewerbe- und öffentliche Immobilien. Mehr Menschen bedeutet automatisch auch mehr öffentliche Liegenschaften wie Schulen, Behörden etc.

 

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«Viele machen sich über die Betriebsgesellschaft Gedanken, die Immobilie hingegen wird oft nicht beachtet.»

Und die Kundenbedürfnisse?
Bei den Wohnimmobilien rufen viele nach günstigem Wohnraum. Gleichzeitig stieg die Wohnfläche pro Person, man will zentral wohnen – und Komfort mit Lift, grossen Nasszellen und moderner Küche sollte es schon auch geben. Das sind natürlich auch Widersprüche. Bei den Gewerbeimmobilien sucht man vermehrt die Nähe zu guter Infrastruktur und eine grössere Flexibilität in der Fläche, da man in Produktion, Lagerung und Dienstleistung eine möglichst grosse Flexibilität wahren möchte.

Wer profitiert denn alles von einem boomenden Immobilienmarkt?
Das sind nicht vorwiegend Bauherren oder Baufirmen, diese riskieren ja auch ihr Kapital. In den vergangenen zehn Jahren haben insbesondere Kantone und Gemeinden sehr stark profitiert; einerseits durch hohe Gebühreneinnahmen, vor allem aber über die Grundstückgewinnsteuer. Wenn Sie die Finanzrechnungen vieler Gemeinden anschauen, wären diese ohne diese Grundstückgewinnsteuer rot. Da ist es für gewisse politische Kräfte schwer, gegen den Bauboom zu wettern und gleichzeitig auf die jährlichen Mehreinnahmen in Millionenhöhe zu verzichten.

Zum Schluss: Was empfehlen Sie als ersten Schritt, wenn ich mich eine Unternehmensübernahme oder -gabe plane?
Eigentlich sollte es wie in jeder Beziehung sein: Prüfen Sie das Unternehmen und sich selbst, sind Sie willens und fähig dafür? Haben Sie eine Chance, den Betrieb weiterzuführen, oder sucht der Verkäufer nur eine schnelle Lösung? Respektive als Verkäufer: Wollen die Neuen wirklich etwas bewirken oder einfach nur «Chef» sein? Ziehen Sie Profis für die verschiedenen Bereiche hinzu und vertrauen Sie da vor allem auf echte Referenzen. Und wenn Sie alle Fakten haben, ist schlussendlich das Bauchgefühl auch nicht zu vernachlässigen – auch wie in einer Beziehung.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Thomas Hary

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