«Diese Ansicht teilten wir nie»

Alessandro Sgro, was für Folgen hat die Zinswende für den privaten Investor?
Nach all den Jahren des Niedrig- und Negativzinsumfelds ist der positive Zins zurück. Das TINA-Umfeld – «there is no alternative», also die Alternativlosigkeit zu Aktien – ist beendet. Obligationen sind auch aus Ertragssicht wieder attraktiv. Das ist erfreulich und eröffnet in der Konzeption der Portfolios wieder mehr Gestaltungsmöglichkeit. Doch der Weg hierhin war für viele Anleger schmerzhaft.
Weshalb?
Die plötzliche und starke Zinswende führte zu einer kompletten Neubewertung aller Anlageklassen und zu historisch hohen Verlusten, insbesondere bei den Obligationen. Doch die Straffung der Geldpolitik mit den Leitzinserhöhungen war wichtig und richtig, um die sehr hohen Inflationsraten zu bekämpfen. Leitzinserhöhungen sind das einzige wirksame geldpolitische Mittel, um Inflationserwartungen zu dämpfen.
Wie lange müssen wir noch mit steigenden Zinsen rechnen?
Das ist schwierig abzuschätzen. Anfang Jahr rechneten viele damit, dass der Zinserhöhungszyklus im Sommer vorbei sei und gar ein Zinssenkungszyklus eingeleitet würde. Diese Ansicht teilten wir nie.
Warum nicht?
Die Inflation hat an Breite gewonnen und die Inflationsraten sind immer noch viel zu hoch. In den USA sinkt die Teuerungsrate wegen eines sehr starken Arbeitsmarktes noch zu wenig schnell. In der Schweiz ist sie trotz erwarteten Sondereffekten nochmals unerwartet angestiegen. Wir rechnen damit, dass die Inflationsraten auch Ende dieses Jahres noch deutlich über der Zielmarke der Notenbanken von zwei Prozent liegen werden und der Zinserhöhungszyklus global noch länger anhalten wird. Es gibt zudem neben zyklischen auch starke strukturelle Treiber, welche die Inflation länger erhöht halten könnten.
Welche sind das?
Dazu gehören die demografische Entwicklung, die spätestens während Corona eingesetzte Deglobalisierung mit dem Aufbau redundanter Lieferketten sowie die Dekarbonisierung im Zuge der Energiewende. All diese Entwicklungen haben ihren Preis. Auf der Gegenseite wirkt die fortschreitende Digitalisierung deflationär. Ob sie die preistreibenden Entwicklungen aufzuheben vermag, ist fraglich.
Was bedeutet das für die Vermögensverwaltung?
Die Finanzmärkte werden schwankungsanfällig bleiben. Das eröffnet aber auch Chancen. In diesem Umfeld ist eine aktive und selektive Vorgehensweise wichtig. Der Titelauswahl kommt in volatilen Phasen eine besondere Bedeutung zu. Es gilt insgesamt, den Fokus darauf zu setzen, ein robustes Portfolio zu gestalten, das über verschiedene Anlageklassen hinweg breit diversifiziert ist. Geld auf dem Sparkonto zu horten, ist in Zeiten hoher Inflation aufgrund des Kaufkraftverlusts nicht empfehlenswert. Die Praxis hat gezeigt, dass in einem Umfeld hoher, aber fallender Inflation Aktien und Obligationen am besten abschnitten. Gold und Rohstoffe hingegen waren keine einträglichen Anlagen.
«Geld auf dem Sparkonto zu horten, ist in Zeiten hoher Inflation nicht empfehlenswert.»
Edelmetalle scheinen ohnehin an Bedeutung zu verlieren, oder?
Im vergangenen Jahr konnte Gold seinem Ruf als Inflationsschutz und Krisenwährung nicht gerecht werden; es entwickelte sich unerwartet bescheiden. Das hat auch damit zu tun, dass Gold keinen Zins abwirft und nun gegenüber Staatsobligationen mit hohen Opportunitätskosten konfrontiert ist. Das beschränkte Angebot wird das gelbe Edelmetall aber mittel- bis langfristig unterstützen.
Was empfehlen Sie aktuell bei den Aktien?
Der Fokus liegt auf Unternehmen, die solide finanziert sind, über eine stabile Marge verfügen und ein innovatives, zukunftsgerichtetes Geschäftsmodell haben. Das sind Unternehmen, die sich durch Preissetzungsmacht auszeichnen. In einer Phase mit erhöhter Inflation ist diese Eigenschaft von grosser Bedeutung. Allerdings können nur sehr wenige Unternehmen mit einer erhöhten Inflation umgehen. Wir versuchen, mit unserer Methodik jene Titel auszuwählen, welche die genannten Kriterien erfüllen und zudem in der Lage sind, das Kursmomentum aufzunehmen.
Wie sieht diese Cronberg-Anlagemethodik konkret aus?
Cronberg unterscheidet sich im Ansatz deutlich von traditionellen Herangehensweisen in der Titelselektion. Wir verfolgen einen Growth-Ansatz. Das heisst, der Fokus liegt auf Unternehmen, die über einen starken Wachstums-Case verfügen. Als Beispiel: Swisscom ist weniger in unserem Fokus, weil die Wachstumsmöglichkeiten regional beschränkt sind, wohingegen VAT von einem starken globalen strukturellen Wachstum profitiert. Unser USP ist es, Unternehmen zu selektieren, die bewiesen haben, dass sie bei minimiertem Risiko konstant wachsen und über das Potenzial einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung an den Finanzmärkten verfügen.
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Sie arbeiten mit zwei eigenen Fonds, dem Cronberg Strategy Fund Balanced und Cronberg Global Equity Fund, beide in Schweizer Franken. Wie haben diese in den letzten vier Jahren performt?
2022 konnten wir uns, wie viele andere, der negativen Entwicklung nicht entziehen, zumal wir den Fokus auf Wachstumstitel legen. Diese Unternehmen sind an den Finanzmärkten letztes Jahr besonders abgestraft worden. Über einen längeren Zeitraum haben wir aber bewiesen, dass die Selektionsmethode sehr gut funktioniert. Unsere Fonds sind bereits mehrmals mit dem Lipper-Award ausgezeichnet worden – einem Gütesiegel in der Fondsbranche. Allerdings stehen die Fonds in der Verwaltung unserer Kundenvermögen nicht im Zentrum. Sie sind wichtige Bausteine, um – je nach Kundenvermögen – eine Quote oder Anlageklasse diversifiziert abzudecken. In der Gestaltung der Mandate verfolgen wir aber einen Best-in-Class-Ansatz und sind in der Lage, die Kundenportfolios diversifiziert mit Einzeltitel zu investieren.
Warum soll ich mein Vermögen von einem spezialisierten Vermögensverwalter betreuen lassen, das könnte ich doch auch bei meiner Bank tun?
Das ist richtig. Der Entscheid hängt von den Bedürfnissen und Wertvorstellungen des Kunden ab. In einer sich immer schneller wandelnden und komplexeren Welt steigt das Bedürfnis nach Kontrolle, mehr Individualität und einer näheren persönlichen Beziehung. Im Vergleich zu Banken sind unabhängige Vermögensverwalter viel freier und in der Umsetzung haben sie weniger Interessenkonflikte. Entsprechend sind sie in der besseren Position, um persönlicher, individueller und ganzheitlicher auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Dank unserer langjährigen Erfahrungen als Family-Office und durch die Kombination von Kompetenzen im Bereich Vermögensverwaltung und Treuhand ist Cronberg sehr gut positioniert, unsere Kunden im Sinne dieses gestiegenen Bedürfnisses nach einer ganzheitlichen und persönlichen Begleitung zu betreuen. Am Schluss bleibt der entscheidende Faktor der Mensch – und ob sich die Beteiligten gegenseitig vertrauen.
Zum Schluss: Sie kennen das Vorurteil: «Wenn Vermögensverwalter wirklich gut wären, liessen sie sich nicht anstellen, sondern würden selbstständig arbeiten.» Steckt da ein Körnchen Wahrheit drin?
An dieser Aussage ist in der Tat etwas Wahres dran. Wir bei Cronberg verstehen uns auch nicht als reine Angestellte, sondern als Unternehmer, die gemeinsam mit unseren sehr unternehmerisch denkenden Kunden eine erfolgreiche Zukunft gestalten wollen.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Thomas Hary