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Was steigende Zinsen für KMU bedeuten

Was steigende Zinsen für KMU bedeuten
Cornelius Pretnar, Mike Düsel, Marcel Bischofberger, Philippe Maloberti, Ueli Manser
Lesezeit: 8 Minuten

Steigende Zinsen, CS-Untergang, Inflation und Teuerung setzen Ostschweizer KMU unter Druck – und machen Fremdfinanzierung teurer. Die LEADER-Bankenumfrage zeigt, dass in dieser Situation flexible und langfristige Lösungen gefragt sind, um die Liquidität zu schonen und die Auswirkungen auf den Ertrag zu minimieren.

«Die Lage ist sicherlich angespannt – innovative und gleichzeitig nachhaltige Lösungen sind gefragt, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern», sagt Philippe Maloberti, Regionenleiter Ost der WIR Bank Genossenschaft, zur aktuellen Stimmungslage bei den regionalen KMU. Grundsätzlich befinde man sich aber in der Schweiz nicht auf einem Zins- und Inflationsniveau, das die Stimmung allzu sehr trübe, schätzt Marcel Bischofberger, Vorsitzender der Bankleitung Raiffensenbank Mittelthurgau, ein. Steigende Zinsen könnten auch Chancen für KMU mit sich bringen. «Die aktuelle Inflation ist ein starkes Argument, um in eine Preisdiskussion mit dem Kunden einzusteigen.»

Insbesondere die stark ansteigenden Einkaufspreise haben einige Unternehmen intensiv beschäftigt. Kurzfristig führte dies da und dort zu angespannten Liquiditätssituationen. «Dank der sehr guten Marktpositionierung der KMU im St.Galler Rheintal konnte diese schwierige Situation jedoch gut gemeistert werden», sagt Mike Düsel, Leiter Firmenkunden bei der Alpha Rheintal Bank.

Laut Ueli Manser, Direktor der Appenzeller Kantonalbank, waren die Zinsen über Jahre historisch tief – oder besser gesagt zu tief. Daher sei eine gewisse Normalisierung der Zinsen für alle Akteure von Interesse; Geld bekomme wieder einen Wert. Die momentanen Hypothekarzinsen sind trotz sukzessiver Erhöhung seit anfangs 2022 historisch gesehen noch relativ tief. «Es ist zu hoffen, dass die Nationalbank ihre Leitzinsen zwecks Reduktion der aktuellen Teuerungsrate 2023 nur noch ein- oder zweimal erhöhen muss und anschliessend keine Leitzinserhöhungen mehr notwendig sind. Ich bin überzeugt, dass unsere KMU mit den aktuellen Zinsen weiterhin gut Geschäften können.»

  

«Eine Frage ist, ob man alle Dinge besitzen muss, die man verwendet, Stichwort Leasing.»

Vom CS-Niedergang unbeeindruckt

In einem positiven Zinsumfeld neue Investitionen zu tätigen, sei eine neue und alte Herausforderung. «Die Unternehmer rechnen ihre Liquiditätsplanung, die Szenarien der Investition und die Budgetplanung genauer durch. Das Augenmerk verschiebt sich mehr auf eine aktive Bilanzbewirtschaftung, die strategischen Entscheidungen müssen genauer abgewogen werden», erklärt Cornelius Pretnar, Firmenkundenleiter Ostschweiz bei der Migros Bank.

Ob der CS-Niedergang das Klima zusätzlich verschlechtert oder vielleicht sogar verbessert hat, könne man nur schwer sagen. «Das zu beurteilen, wäre verfrüht. Der Wettbewerb unter den Banken funktioniert. Kunden mit guter Bonität erhalten so oder so Kredite zu guten Konditionen, und ab bestimmten Risiken ist die Aufnahme von Fremdkapital bei Banken ohnehin durch den Regulator beschränkt», sagt Marcel Bischofberger. Im Appenzell spürt man laut Ueli Manser keine Einflüsse auf die Kreditpolitik. Auch Philippe Maloberti sieht keinen direkten Zusammenhang – vielmehr würden das veränderte Zinsumfeld bzw. die Inflation eine Rolle spielen. Im Rheintal hat der CS-Niedergang ebenfalls praktisch keine Wirkung hinterlassen und übe «keinen Einfluss auf die Kreditvergabe» aus, weiss Mike Düsel.

Fremdkapitalbeschaffung wird teurer

Die steigenden Zinsen wirken sich dämpfend auf die Investitionstätigkeiten von KMU aus. Einerseits werden die Finanzierungskosten höher, was den Ertrag schmälert. Andererseits verlängern sich die Debitorenausstände. Gleichzeitig erhöht sich der Materialaufwand, was sich ebenfalls negativ auf die Liquidität auswirkt.

Erschwerend dazu kommt, dass die Covid-Darlehen nun verzinst und zurückbezahlt werden müssen. Alle diese Faktoren bewirken laut Maloberti, dass das wirtschaftliche Umfeld für die KMU noch anspruchsvoller wird als bisher. Investitionen, die nicht vollumfänglich mit eigenen Mitteln finanziert werden, verteuern sich dadurch. «Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass KMU tendenziell mehr Zurückhaltung bei der Investitionstätigkeit ausüben werden», sagt Düsel.

Und Manser erklärt: «Vor grösseren Investitionsentscheiden macht ein KMU in der Regel eine mehrjährige Finanzplanung. Bei diesen Planerfolgsrechnungen hat ein KMU bisher schon mit einem Zinssatz zwischen drei und fünf Prozent kalkuliert, sodass bei einer allfälligen Zinserhöhung Investitionen weiterhin getragen werden können. Die höheren Zinsen bewirken allenfalls, dass gewisse Projekte (noch) nicht an die Hand genommen werden. Damit sollten die höheren Zinsen eine dämpfende Wirkung auf die teils überhitzte Wirtschaftstätigkeit haben.»

Bei der Migros Bank plant man Investitionen hinsichtlich der Veränderung des Unternehmenswertes, wenn Projekte umgesetzt werden, Lager sich verändern und das Forderungsmanagement aktiv gelebt wird. Dieser ganzheitliche und nachhaltige Blick auf die Planung und die Auswirkungen auf die Firma werde von den Kunden geschätzt, so Pretnar.

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«Das Augenmerk verschiebt sich auf eine aktive Bilanzbewirtschaftung.»

Gunst der Stunde genutzt

Aber welche Massnahmen können Unternehmer ergreifen, um mögliche finanzielle Belastungen zu minimieren? «Weil die Zinskurve sehr flach verläuft, gibt es langjährige Zinsabsicherungen heute fast ohne Aufpreis. Warum also keinen Festkredit auf mehrere Jahre eingehen?», schlägt Marcel Bischofberger vor. Bei der Appenzeller Kantonalbank werden von den Kunden Hypotheken in der Regel auf Festhypotheken mit verschiedenen Laufzeiten verteilt, um die Planbarkeit zu erhöhen. Somit glätte sich der Effekt bei auslaufenden Festhypothekartranchen.

«Wir empfehlen die Nutzung der Komplementärwährung WIR. Gerade bei Finanzierungen in Kombination mit WIR offerieren wir unschlagbare Zinsen. Dazu bieten wir ein grosses KMU-Netzwerk mit unzähligen Geschäftsmöglichkeiten. Seit bald 90 Jahren schreiben wir uns die KMU-Förderung auf die Fahnen und sind in diesem Gebiet die absoluten Spezialisten», betont Philippe Maloberti.

Die Möglichkeiten zur Investition seien mannigfaltig und müssen zum Kunden, zu den Verhältnissen und dem verfolgten Ziel passen. Cornelius Pretnar ergänzt: «Eine Frage ist, ob man alle Dinge besitzen muss, die man verwendet, Stichwort Leasing. Möchte man Cashflows glätten, eine Produktion neu aufbauen oder einen neuen Markt erobern? Hier gibt es variable Antworten, die wir mit unseren Kunden gemeinsam erarbeiten, sodass die Lösung zum unternehmerischen Ziel passt.»

Einige Unternehmer haben bei der Zinswende im letzten Jahr die Gunst der Stunde genutzt und variable Zinsverpflichtungen in fixe umgewandelt – also zum Beispiel Saron-Hypotheken in langjährige Festhypotheken. Diese profitieren nun im höheren Zinsumfeld von den damals günstig abgeschlossenen Zinskonditionen. «Bei Kontokorrentkrediten, die kurzfristige und schwankende Finanzierungsbedürfnisse abdecken, ist diese Massnahme jedoch nicht umsetzbar. Hier empfehlen wir eine Liquiditätsplanung, die ein optimiertes Kreditoren- und Debitorenmanagement voraussetzt. So lässt sich durch die geringere Kreditbeanspruchung der Zinsaufwand reduzieren», sagt Mike Düsel.

  

«Grundsätzlich reagieren vor allem Branchen mit grosser Investitionstätigkeit auf höhere Zinsen.»

Langfristige Lösungen suchen

Geraten KMU doch in eine Schieflage, ist auch die Kulanz der Bank gefragt. «Wenn ein KMU in Schieflage kommt, schaut der Kunde, in der Regel zusammen mit seinem Treuhänder, was der Auslöser ist. In der Regel ist es eine Kumulation von Themen, z.B. Marktfähigkeit der Produkte/Unternehmenstätigkeit oder deren Lebenszyklus, allfällige nötige Grossinvestitionen in moderne Infrastruktur oder die Zusammensetzung der Mitarbeitercrew. Die Bank kann kurzfristig kulant sein. Wichtig ist aber, dass das KMU zusammen mit dem Treuhänder und der Bank langfristige, nachhaltige Lösungen findet», sagt Ueli Manser.

Die Raiffeinsbank Mittelthurgau rechnete die Tragbarkeit während der ganzen Tiefzinsphase immer mit fünf Prozent. Das aktuelle Zinsniveau allein versetze laut Marcel Bischofberger deshalb keinen Kunden in eine Schieflage. Auch in Appenzell sei man in schwierigen Phasen sehr nahe beim Kunden und agiere auf Augenhöhe. «Es ist ja in unserem Interesse, gesunde KMU zu betreuen und sie in schwierigen Situationen zu unterstützen», sagt auch Philippe Maloberti.

Mit entsprechenden Simulationsanwendungen bespreche man bei der Migros Bank Zinsänderungsrisiken aktiv mit den Kunden. Zudem habe man klare Standards und Erfahrungswerte, wie unerwartete Situationen gehandhabt werden können. Bei intakter Langfristperspektive werden gemeinsam individuelle Massnahmen und Erleichterungen erarbeitet. Und auch bei Alpha Rheintal Bank suche man eine individuelle Lösung und verhalte sich partnerschaftlich.

Bei finanziellen Problemen gilt es also immer, die Gesamtsituation zu beachten und den Schaden so gut wie möglich zu begrenzen. Was hilft, sind Offenheit, Transparenz und frühzeitige Information. Wichtig sei gemäss Ueli Manser, dass das KMU in solchen Situationen in Varianten denke.

Cornelius Pretnar erklärt, dass die Kundenberatung als «erste Risikomanager», Projekte und Investitionen partnerschaftlich begleitet, immer auch mit Augenmerk auf wirtschaftliche Risiken, die man über die Kreditvergabe ja mittrage. «Während der Covid-Phase haben wir umgehend mit Stundungen und Sistierung von Ratenzahlungen unterstützt. Unterstützung beim Working Capital Management, Neuordnung von Finanzierungsstrukturen sind weitere Elemente, mit denen wir Krisensituationen kundenindividuell begegnen.»

Bei der WIR Bank registriert man momentan eine hohe Nachfrage nach Hypotheken seitens Firmen- und Immobilienkunden. «Neben den herkömmlichen Banklösungen erklären wir gerne die Vorteile der Komplementärwährung WIR. Im aktuell schnell ansteigenden Zinsumfeld erhöht sich die Attraktivität unserer Produkte noch mehr. Durch den Einsatz von WIR wird ausserdem die Liquidität in Schweizer Franken geschont», sagt Maloberti.

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Mehrere Branchen betroffen

Besonders betroffen von den steigenden Zinsen sei die Immobilienbranche, erklärt Marcel Bischofberger. Dies, weil sich die individuellen Hypothekarkosten meist nicht vollständig und zeitnah auf die Mieterschaft abwälzen lassen.

Auch die Baubranche ist aufgrund der steigenden Materialkosten besonders anfällig. Ebenso Branchen oder Unternehmen, die schon früher mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen hatten. Anlageintensive Geschäftsmodelle würden dazu beitragen, dass der Zinsanstieg stärker zum Tragen kommt. Die Bilanz- und Investitionsstrategie ist laut Cornelius Pretnar jedoch eine individuelle Entscheidung, sodass auch innerhalb einer Branche die Unterschiede stark sein können.

«Grundsätzlich reagieren vor allem Branchen mit grosser Investitionstätigkeit auf höhere Zinsen. Wichtig ist immer, dass jeder Betrieb periodisch Investitionen tätigt, um auch in einigen Jahren noch konkurrenzfähig zu sein. Nebst der modernen Infrastruktur muss vor allem auch genügend Fachpersonal vorhanden sein. Jeder Betrieb, der Lehrlinge ausbilden kann, wird weiterhin den Fokus darauf legen, um in den nächsten Jahren genügend Fachkräfte zu haben», so Ueli Manser. Und Mike Düsel ergänzt: «Branchen mit traditionell tiefen Margen bekunden die meisten Herausforderungen mit dem Zinsanstieg. Hier können die steigenden Zinsen eine Strukturbereinigung einleiten und Überkapazitäten beseitigen.»

Liquidität schonen

Welche Alternativen haben KMU also, um die Auswirkungen steigender Zinsen abzumildern? «Höhere Finanzierungskosten werden in der Regel in der Kalkulation der Verkaufspreise mitberücksichtigt. Wenn der Markt das nicht zulässt, führen höhere Zinskosten unweigerlich zu betrieblichen Sparmassnahmen oder zu einer Reduktion des Gewinnes. Viele KMU verfügen aber über eine hohe Eigenfinanzierung oder über Festzinskredite, was die Auswirkungen von Zinserhöhungen abfedert», sagt Marcel Bischofberger. Die Eigenfinanzierung als Opportunität zum Fremdkapital ist gemäss Mike Düsel bei einer ehrlichen Renditeerwartung des Eigenkapitalgebers nicht kostengünstiger.

In der Zeit seit Corona und den unterbrochenen Lieferketten sind Aufbau und Unterhalt eines grossen Lagerbestandes sinnvoll und wichtig. Cornelius Pretnar schlägt deshalb vor: «Nun, da sich die Lieferketten normalisieren und die Preise für knappe Güter sich wieder anpassen, kann man durch aktive Lagerbewirtschaftung sicherlich die Liquidität schonen. Unterschiedliche Zusammenarbeit mit Kunden, Finanzierung gemeinsamer Projekte, Kreditoren- und Debitorenmanagement, sowie eine möglichst genaue Liquiditätsplanung rücken unseres Erachtens wieder mehr ins Bewusstsein.»

Gute Kommunikation zwischen Bank und KMU sei das A und O. Denn nur eine frühzeitige, zielgerichtete und transparente Kommunikation sowie ein Vertrauensverhältnis zwischen Bank und KMU gewährleisten laut Philippe Maloberti eine konstruktive Zusammenarbeit. Dem stimmen alle befragten Finanzexperten zu.

«Offene Kommunikation und enge Zusammenarbeit fördern das gegenseitige Vertrauen. Das gilt nicht nur bei Herausforderungen durch steigende Zinsen, sondern in jeder Situation», sagt Bischofberger. Und Pretnar zitiert einen Kunden: «Wir haben in der Migros Bank einen Partner gefunden, der wie bei einer guten Pizza, wo der Mozzarella mit dem Sugo verschmilzt, mit uns verschmilzt. Kommunikation, gemeinsames Denken und gute gemeinsame Planung sind essenziell.»

 

Text: Miryam Koc

Bild: zVg

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