Unspektakulär, aber erfolgreich

Unspektakulär, aber erfolgreich
Daniel Wessner
Lesezeit: 10 Minuten

Die Meldung liess aufhorchen: Eine Analyse aller Sitzverschiebungen von Unternehmen in der Schweiz zeigt den Kanton Zürich als grossen Verlierer – und den Thurgau als Gewinner. Der Leiter des Thurgauer Amts für Wirtschaft und Arbeit, Daniel Wessner, möchte trotzdem «den Ball flach halten».

Daniel Wessner, der Thurgau sei der neue «Unternehmensmagnet der Schweiz» – wenn solche Schlagzeilen publiziert werden, darf man dann im AWA einen Champagner auf machen?
Die Statistik über die Zu- und Wegzüge von Firmen, die zu dieser Aussage führte, möchten wir nicht überbewerten …

So bescheiden?
Die reine Zahl der Firmen sagt noch nichts über deren Wertschöpfung aus, auch nichts über die Zahl der Arbeitsplätze, die damit verbunden sind. Es wird nicht unterschieden, ob eine Firma mit 200 Mitarbeitern oder eine Einzelfirma zu- oder wegzieht. 

Einzelfirmen, die eher zufällig zu- oder wegziehen, sollten sich über die Zeit ungefähr die Waage halten. Ein anhaltend positiver Saldo zeigt doch, dass Firmen bewusst in den Thurgau ziehen.
Das ist so, die grösseren dieser Unternehmen kennen wir auch, mit diesen standen wir im Austausch. Es gibt aber auch eine grosse Anzahl von Firmen, mit denen wir keinen Kontakt hatten. Darum halten wir den Ball gerne flach. Aber es stimmt schon: Der Trend seit den vier Jahren, in denen diese Statistik erfasst wird, ist positiv.

Dann stimmt der Eindruck der besagten Statistik also doch?
Für uns ist sie ein Teil vom Puzzle eines – positiven – Gesamtbilds. Der Trend sieht für den Thurgau gut aus, aber wir sind weit davon entfernt, uns nun selbst auf die Schulter zu klopfen.

 

Was gehört noch zum positiven Gesamtbild?
Seit einigen Jahren haben wir überdurchschnittlich viele Firmengründungen und auch viele Ansiedlungen, zudem verzeichnen wir im Thurgau ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum. Auch die Zahl der Erwerbstätigen steigt, die letzte Erhebung von 2021 kommt auf knapp 150’000 Personen, die einer Berufstätigkeit nachgehen.

Steigt diese Zahl analog zum Bevölkerungswachstum?
Ja, die Zahl nimmt etwa proportional zu. Der Thurgau hat eine sehr hohe Erwerbsquote. Das bedeutet auch, dass es hier das entsprechend hohe Angebot an Stellen gibt. Bevölkerungswachstum, Firmenwachstum und das Wachstum von Steuervolumen ergeben ein Gesamtbild, das zeigt, dass wir uns volkswirtschaftlich positiv entwickeln.

Hat der Thurgau aktiv, etwa mit attraktiven Steuern, auf diese Entwicklung hingearbeitet, oder ist das die Wirtschaftsmetropole Zürich, die sich ausbreitet?
Unsere Standortvorteile sind etwa die gleichen wie in der restlichen Ostschweiz. Die Steuern spielen neben anderen Faktoren sicher eine Rolle; der Thurgau ist für Firmen wie für Privatpersonen gut aufgestellt.

Ändert sich das mit der OECD-Steuerharmonisierung?
Wir haben im Kanton vergleichsweise wenige sehr grosse Unternehmen, vor allem kaum börsennotierte Unternehmen, die das betrifft. Wir rechnen dennoch mit Mehreinnahmen, die wir aber noch nicht beziffern können.

 

 

«Ein Teil der Mehreinnahmen aus der Steuerreform ginge so in die Wirtschaft zurück.»

Das freut die öffentliche Hand.
Nur bedingt. Aus liberaler Sicht ist diese Steuerharmonisierung ein Unding. Jetzt beginnt nämlich ein weltweiter Subventionswettbewerb. Bisher war es ein grosser Vorteil der Schweiz, dass wir darauf verzichten konnten.

Tiefe Steuern waren transparenter und ehrlicher.
Es war definitiv ehrlicher. Die Wirtschaftsförderungskataloge unserer deutschen Nachbarn sind dicke Bücher: Unternehmen bekommen alle erdenklichen Zuschüsse, etwa dafür, dass sie Lehrlinge haben, ein paar Solarzellen auf dem Dach installieren oder Frauenquoten einführen. Dazu gibt es eine branchenabhängige Industriepolitik. Das alles führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Das hatte die Schweiz bis jetzt zurecht nicht mitgemacht.

Jetzt müssen wir mitmachen?
Es wird spannend, zu sehen, wer was machen wird. Bis jetzt halten sich die Kantone noch bedeckt. Zug, Basel oder in der Ostschweiz Schaffhausen, die vermutlich stärker betroffen sind, haben schon gewisse Ideen und Pläne.

Sie machen sich bestimmt auch Gedanken, was Sie mit Mehreinnahmen machen könnten.
Der Wettbewerbsindikator der UBS zeigt auf, dass der Thurgau in vielen Bereichen sehr gut positioniert ist, etwa bei den Staatsfinanzen, bei der Verwaltung oder beim Arbeitsmarkt. Bei einem Parameter dieser Studie schneiden wir jedoch ziemlich schlecht ab, nämlich bei Innovation und Forschung. Hier wird unter anderem die Zahl der Patente als Grundlage genommen, ein Wert, der natürlich auch branchenabhängig ist. Trotzdem steht fest: Hier haben wir Handlungsbedarf.

 

Sollen Mehreinnahmen aus den Steuern in die Forschung fliessen?
Im Thurgau ist das auf Initiative von Gewerbeverband, Industrie- und Handelskammer, Kantonalbank und dem Kanton entstandene Technologieforum bereits seit einiger Zeit aktiv. Dieses bietet Veranstaltungen, Workshops, Innovationscoachings sowie Beratungen. Künftig soll ein neuer Pfeiler des Technologieforums auch Finanzierungen machen können. 

Auf welcher Grundlage?
Vor einem Jahr hat der Grosse Rat eine überparteiliche Motion zur «Einrichtung eines kantonalen Fonds für Innovation und Fortschritt» erheblich erklärt. Unser Amt hat inzwischen einen Innovationsfonds konzipiert, der nun in die vorberatende Kommission und dann wieder ins Parlament kommt. Mit einem Teil der Mehreinnahmen aus der OECD-Steuerreform würde der Innovationsfonds gespiesen, aus dem Fonds soll dann insbesondere bei kleineren Unternehmen Innovation und Forschung unterstützt werden. 

Wie könnte eine solche Unterstützung aussehen?
Es sollen konkrete Entwicklungs- und Forschungsprojekte von Thurgauer Unternehmen finanzielle Unterstützung erhalten. Neben Produktinnovationen fallen vor allem die Unterstützung der Geschäftsentwicklung, Kooperationen, Technologie- und Prozessinnovationen unter das Förderspektrum.

Forschung, die von der öffentlichen Hand finanziert wird.
Ein Teil der Mehreinnahmen aus der Steuerreform ginge so in die Wirtschaft zurück, allerdings nicht allein und direkt zu den grossen Unternehmen, die mehr zahlen, sondern als Förderbeitrag an den ganzen Wirtschaftsstandort.

 

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Der Thurgau versucht also nicht, denjenigen Unternehmen, die mehr Steuern abliefern müssen, etwas zurückzugeben. Um wie viele Firmen handelt es sich dabei?
Wir gehen davon aus, dass etwa 40 bis 50 Unternehmen von der neuen Regel betroffen sind. Die OECD-Steuerreform geht von einer konsolidierten Betrachtung aus, doch bisher wusste das Steueramt nicht von jeder Gesellschaft, ob sie in ein Konzernverhältnis eingebettet ist, das insgesamt die Umsatzschwelle von 750 Millionen Euro erreicht. Neu müssen die Unternehmen das in der Veranlagung angeben.

Diese Firmen zahlen nun mehr Steuern als bisher fällt damit aus Unternehmenssicht ein Argument für den Thurgau weg?
Für diese grossen Unternehmen fällt das steuerliche Argument weg. Aber dieses Argument fällt bei sämtlichen rund 140, also praktisch in der ganzen westlichen Welt. 

Also wurde einfach ein Faktor von mehreren aus der Betrachtung herausgenommen.
Genau.

Das scheint Sie nicht sonderlich zu beunruhigen.
Wir haben vergleichsweise viele produzierende, inhabergeführte und etablierte Unternehmen hier, diese machen mehr als ein einen Drittel der ansässigen Firmen aus. Die werden nicht so schnell wegziehen. Eine Verwaltungsgesellschaft hat man rasch einmal irgendwohin verlegt. Eine Produktion mit Betriebstätten zügelt man nicht so schnell. Man müsste ja auch erst einmal einen Standort finden, der besser geeignet wäre. Viele produzierende Betriebe haben zudem ein Netz von Lieferanten oder Kunden in ihrem unmittelbaren Umfeld. Wir stellen bei Gesprächen über Ansiedlungen generell fest, dass das Thema Steuern an Bedeutung verliert. Heute geht es um die Verfügbarkeit von Arbeits- und Fachkräften und von Flächen, das sind die zwei wichtigsten Themen. Bei ausländischen Firmen geht es auch um politische Stabilität – Rechts- und Planungssicherheit.

 

  

Ist es ein Standortvorteil des Thurgaus, dass man hier einfacher als anderswo Industrie- und Gewerbeflächen findet?
Es ist auch bei uns anspruchsvoller geworden. Das raumplanerische Korsett in der Schweiz wird enger. Die Zeiten, als ein Unternehmen Erkundungsflüge mit einer Drohne machte und sagte «diese Wiese will ich!», sind vorbei.

Somit fällt ein weiterer Vorteil weg. Wie reagieren Sie darauf?
Standortüberlegungen gelten heute für tendenziell kürzere Zeiträume. Wenn sich früher ein Unternehmen für einen Ort entschieden hatte, blieb es mindestens 20 oder 30 Jahre. Heute ist die Entwicklung in der Fertigung viel schneller, die Argumente für einen Standortentscheid damit kurzlebiger.

Und die Ressource Boden wird gleichzeitig knapper.
Das eröffnet Chancen für neue Denkansätze. Nehmen wir das Beispiel Wigoltingen: Auf dem Areal, wo einst ein Outlet-Center geplant war, soll nun ein Industriepark entstehen. Die Investoren möchten Räume für gewerblich-industrielle Nutzer anbieten. Das bringt für Unternehmen, die Produktionsflächen suchen, eine gewisse Flexibilität, um auf Veränderungen zu reagieren. Gleichzeitig führt das zu einer effizienteren Raumnutzung.

Steigen die Unternehmen darauf ein? Ein solches Modell bedingt ein Umdenken wie einst beim Co-Working-Angebot für Büroarbeitsplätze.
Gerade in der Schweiz wird der Trend in diese Richtung gehen müssen, weil wir die grossen Flächen gar nicht mehr haben.

 

«Heute geht es um die Verfügbarkeit von Personal und von Flächen.»

In Wil West gäbe es bedeutende Flächen, wenn das St.Galler Stimmvolk die Thurgauer Gemeinden nicht ausgebremst hätte.
Dieses Projekt ist für den Thurgau von enormer Wichtigkeit; es ist die grösste zusammenhängende Arbeitszone, die wir in Planung haben.

Dann wird der Thurgau das Projekt retten?
Der Ball liegt momentan bei St.Gallen. Aber klar, wir wollen das Areal entwickeln – nur gehört das Land auf Thurgauer Boden eben dem Kanton St.Gallen. 

St.Gallen könnte das Land dem Thurgau verkaufen.
Diese Lösung würde der Thurgau tatsächlich favorisieren.

Wenn der Thurgau das Land erwerben kann, wären dann alle Hürden überwunden?
Der Thurgau müsste das Areal noch umzonen, es gäbe auch einen politischen Prozess innerhalb des Kantons und in den Gemeinden. Der ganze Ablauf wurde im Agglomerationsprogramm detailliert und ausführlich skizziert. Das war auch eine Voraussetzung seitens des Bunds, damit er den zusätzlichen Autobahnanschluss realisiert und aus dem Nationalstrassenbudget mitfinanziert.

 

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Die Verkehrsinfrastruktur im Thurgau ist ein schwieriges Thema.
Verkehrsinfrastrukturen sind und bleiben wichtig. Die projektierte Bodensee-Thurtal-Strasse BTS, die in Bern noch keinen Rückhalt findet, hat eine grosse volkswirtschaftliche Relevanz für den Thurgau. Die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr dagegen betrachte ich als sehr gut.

Alle Indikatoren wie mehr Bevölkerung, mehr Arbeitsplätze, mehr Produkte bedeuten mehr Verkehr.
Diese Faktoren müssen wir in Einklang bringen. Das fängt an in der Raumplanung, beim Arbeitszonenmanagement. Der Thurgauer Regierungsrat hat dem Amt für Wirtschaft und Arbeit Kompetenzen in der Raumplanung gegeben, das war etwas völlig Neues für uns. Das ist auch schweizweit eher unüblich, dass ein Wirtschaftsamt in der Raumplanung gewisse Befugnisse erhält.

Was heisst Befugnisse? Können Sie die Raumplaner überstimmen?
Nein, aber es hat dazu geführt, dass wir heute eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Amt für Raumentwicklung pflegen. Und es gibt den volkswirtschaftlichen Interessen in der Raumentwicklung eine gewisse Bedeutung. Das sind Prognose-Themen, logistische Themen, aber auch Fragen wie: Wo können Flächen zusammengelegt werden, wo müssen vielleicht Gemeinden auch mal auszonen, um grössere zusammenhängende Arbeitszonen zu schaffen. 

Als positiver Standortfaktor wird oft die schlanke Verwaltung des Kantons Thurgau gelobt. Zu Recht?
Wir haben eine schlanke Verwaltung, aber ich weiss nicht, ob das wirklich ein gutes Argument ist. Das könnte sich aus ins Gegenteil verkehren: Wenn die schlanke, unterbesetzte Verwaltung drei Monate braucht, um eine Ausländerbewilligung auszustellen, findet ein Unternehmer das nicht so lustig. Darum muss eine Verwaltung vor allem zwei Kriterien erfüllen: Sie muss kompetent und effizient sein. 

 

 

«Wir haben dieses Jahr so viele Bewilligungen erteilt wie selten zuvor.»

Wie messen Sie das?
Im Amt für Wirtschaft und Arbeit haben wir uns drei Ziele gesetzt – wir sind kompetent, wirtschaftsfreundlich und kundenorientiert. Das bedeutet im Alltag: Wenn wir ein vollständiges und korrektes Gesuch für eine Ausländerbewilligung auf dem Tisch haben, muss dieses innerhalb von 24 Stunden behandelt werden.

Sie haben eine gewisse Nähe zu den Unternehmen.
Gradmesser unserer Tätigkeit ist das volkswirtschaftliche Interesse des Kantons. In der Geschäftsleitung des Amts für Wirtschaft und Arbeit sind alles Personen, die in der Privatwirtschaft gearbeitet haben. Da begegnet man sich auf Augenhöhe. Der Thurgau hat eine gute Grösse, man kennt sich, man findet Lösungen. Gerade auch Ausländer, die hierherkommen, sagen, dass sie schnell Behördenkontakte haben. Ein deutscher Unternehmer ist es sich nicht gewohnt, dass er nach einem Anruf bereits am nächsten Tag hier im Sitzungszimmer des AWA sein Projekt präsentieren kann – und gleich die fünf nächsten Schritte vereinbart werden.

Das vermutlich wichtigste Kriterium bei der Standortwahl eines Unternehmens ist die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften.
Wir haben einen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, das hilft uns im Moment. Der starke Franken ist aus der Sicht deutscher Arbeitnehmer sehr attraktiv. Wir haben dieses Jahr so viele Bewilligungen erteilt wie selten zuvor. Grenzgängerbewilligungen für Arbeitnehmer aus der EU können wir unbeschränkt ausstellen, auch Arbeitsbewilligungen für Personen aus EU- und EFTA-Staaten. Nur bei Drittstaaten haben wir enge Kontingente. Weil die Zuwanderung dadurch hoch ist, wird das ein politisches Thema werden.

Befürchten Sie, dass der Zuzug von Arbeitskräften gebremst wird?
Jetzt, wo die Arbeitskräfte fehlen, gibt es für forcierte Ansiedlungen wenig politischen Rückhalt. Wir sind schon länger bei Ansiedlungen von Firmen zurückhaltend geworden, aktiv machen wir nur noch sehr wenig Standortpromotion. Unser Fokus richtet sich darauf, dass diejenigen Firmen, die hier sind, ein gutes Umfeld haben, dass sie hier investieren und wachsen können. Diese Unternehmen bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft.

 

Beneiden Sie Kantone wie Zug oder Basel um ihre Unternehmen mit hoher Wertschöpfung?
Firmen mit hoher Wertschöpfung wollen selbstverständlich alle Kantone. In Boom-Zeiten sind Cluster mit Biotech- oder Finanzunternehmen attraktiv. Da kann ein Standort profitieren, der Thurgau hinkt in diesem Segment sicher hinterher. In einer unsicheren Welt ist eine breite Abstützung der Wirtschaft, wie wir sie im Thurgau haben, aber eher ein Vorteil. Zumal wir sehr viele KMU haben mit Eigentümern, die langfristiger denken –
in Generationen, nicht in Quartalszahlen.
 

Wenn Sie langfristig denken: Was wünschen Sie sich für den Standort Thurgau?
Wir haben einen Auftrag aus dem Grossen Rat, ein Wirtschaftsleitbild zu erarbeiten. Wir können unsere Wünsche als Strategie formulieren – bisher gab es ein solches Dokument nicht. Nun machen wir uns bewusst Gedanken, wo die Reise hingehen soll.

Verraten Sie, was der Thurgau will?
Unternehmen mit hoher Wertschöpfung, mit hochwertigen Arbeitsplätzen, Firmen, die langfristig als Investoren denken. Daraus ergeben sich spannende Fragen und auch Interessenkonflikte. Nehmen wir das Beispiel Logistik: Die ganze Wirtschaft ist darauf angewiesen, aber niemand will drei Hektaren Land hergeben für eine Firma, die ungefähr fünf Arbeitsplätze für Gabelstapler-Fahrer bietet. Aus Arbeitsmarktsicht benötigen wir aber auch künftig niederschwellige Arbeitsplätze. In den vergangenen Jahren sind viele einfache, repetitive Arbeiten verschwunden, dafür hochwertigere geschaffen worden – mit anderen Profilen. Dadurch haben wir Leute in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren, die von ihren Qualifikationen her kaum platzierbar sind. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent, das ist tief. Aber es sind dennoch 5200 Menschen, die bei den RAV gemeldet sind und für die es trotz Fachkräftemangel kaum Stellen gibt. Gleichzeitig verlieren wir stetig junge, gut ausgebildete Leute an andere Kantone. Insbesondere an Zürich. Was mir auch fehlt im Thurgau sind mehr börsennotierte Unternehmen – Aushängeschilder, die national eine grosse Wahrnehmung haben.

Immerhin gilt der Thurgau inzwischen als unspektakulär, aber erfolgreich.
Wir sind unspektakulärer, aber vermutlich nachhaltiger. Im Thurgau sind die Leute geerdet. Das fällt auf, wenn man mal in Zürich am Paradeplatz gearbeitet hat und in die Region zurückkommt. Der Umgang miteinander gut. Wenn wir uns mit Arbeitgebern und Gewerkschaftern austauschen, ist der Diskurs weniger ideologisch, dafür pragmatischer und lösungsorientierter. Auch das ist ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil.

Text: Philipp Landmark

Bild: zVg

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