Von der Hufschmiede zum Industriezulieferer

Von der Hufschmiede zum Industriezulieferer
Ivo Högg
Lesezeit: 4 Minuten

In der Produktionshalle der Högg AG in Wattwil werden jedes Jahr über eine Million Metallteile für die verschiedensten Industriebetriebe in ganz Europa gefertigt. Das Familienunternehmen, das bereits in vierter Generation geführt wird, produziert in einer weiteren Firma der Gruppe auch Liftsysteme.

In der Halle der Högg AG Produktionstechnik wird gebohrt, gefräst, geschliffen und gedreht. Mehr als 55 CNC-Maschinen laufen hier täglich auf Hochtouren, teilweise auch nachts und am Wochenende. Unter wachsamen Augen der Mitarbeiter oder mithilfe von flexiblen Robotersystemen bearbeiten die Maschinen ein Metallstück nach dem anderen und fertigen diese für unterschiedlichste Anwendungen und Industrien. «Wir sind ein klassischer Lohnfertiger», sagt Ivo Högg, CEO der Högg-Firmengruppe, «wahrscheinlich einer der grössten in der Schweiz.»

Gefertigt werden in der 10’000 Quadratmeter grossen Halle, die vor 13 Jahren im Wattwiler Industriequartier gebaut wurde, komplexe mechanische Komponenten aus nahezu allen metallischen Werkstoffen. Das können sowohl Prototypen, Einzel- oder Serienteile sein, als auch komplette Systemkomponenten. Realisiert werden sie gemäss den Wünschen, Vorgaben und Zeichnungen der Kundschaft. «Um bestmögliche Fertigungsprozesse anbieten zu können, investieren wir laufend in unseren Maschinenpark», sagt Ivo Högg.

«Wir sind ein klassischer Lohnfertiger, wahrscheinlich einer der grössten in der Schweiz.»

180 Mitarbeiter und zwölf Lehrlinge

Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wattwil ist europaweit tätig. Seine Kunden kommen aus der Maschinen-, der Luftfahrt-, der Medizinaltechnik-, der Optik- und der Vakuumindustrie. Ein Beispiel ist die VAT Group AG in Haag im St.Galler Rheintal, für deren Entwicklung und Produktion von Vakuumventilen die Högg AG Produktionstechnik diverse Bauteile liefert. Andere Kunden sind Geberit oder Rieter. Für Rieter fertig das Unternehmen Komponenten für die Spinnmaschinen an.

Mehr als eine Million Einzelteile verlassen jedes Jahr die Produktionsstätte. Aufgrund der langjährigen Erfahrung, der hohen Qualität, Flexibilität und Innovationskraft hat sich das Familienunternehmen, das in vierter Generation von Ivo Högg und seinem Bruder Roman geführt wird, einen Namen in der Branche gemacht. Ein Hidden Champion also? «Das kann man schon so sagen», sagt der CEO und lacht. «In der Branche sind wir ziemlich bekannt, für die Allgemeinheit ist es jedoch schwieriger zu sehen, wo unsere Teile schliesslich zum Einsatz kommen.» Viele meinten zudem, in der Halle würden Treppenlifte gebaut.

 

  

«Wir sind hier verwurzelt, unsere Mitarbeiter und das ganze Wissen sind hier, und das zählt.»

Die Högg AG Produktionstechnik ist der Kern des Familienunternehmens, der Högg-Firmengruppe, die insgesamt über 180 Mitarbeiter beschäftigt und zwölf Lehrlinge ausbildet. In der Bevölkerung ist der Name Högg aber eher wegen seines zweiten Unternehmens, der Högg Liftsysteme AG bekannt, die 1990 durch Innovation und Unternehmergeist entstanden ist. Die Firma ist ein schweizweit führender Experte für Treppen-, Sitz-, Plattform-, Rollstuhl- und Deckenlifte sowie für Aufzüge und Hebebühnen.

Das Tätigkeitsgebiet umfasst die Entwicklung, Produktion und Montage von Liften für Personen mit eingeschränkter Mobilität, damit sie sich ohne grosse Einschränkungen im häuslichen Umfeld selbstständig bewegen können. «Mit unseren qualitativ hochstehenden Liftsystemen sind individuelle Lösungen problemlos möglich», sagt Ivo Högg. Eine Besonderheit des Unternehmens – und ein grosser Unterschied zur Konkurrenz – ist der Decken-, auch Hängelift genannt. Die Schiene des Sitzliftes oder des Rollstuhlliftes wird nicht am Treppengeländer befestigt, sondern an der Decke. Damit bleibt die Treppe unverbaut, und man kann den Lift auch in engen Treppenhäusern einbauen.

Am Anfang stand die Liebe

Seit dem Neubau der Produktionshalle in Wattwil ist die Högg Liftsysteme AG im Haus in Lichtensteig untergebracht, in dem das Unternehmen vor mehr als 115 Jahren als Hufschmiede seinen Anfang nahm. Es war im Jahr 1905, als der Urgrossvater von Ivo und Roman Högg aus Deutschland der Liebe wegen in der Schweiz blieb und einen Betrieb in Lichtensteig übernehmen konnte.

Nach den beiden Weltkriegen entwickelte sich die Hufschmiede immer mehr zu einem Lohnfertigungsbetrieb. Unter der Leitung von Leo und Alfred Högg – Onkel und Vater von Ivo und Roman Högg – wurde die Produktionsfläche dann sukzessive erweitert und 1977 die erste Profilfräsmaschine entwickelt. 1998 übernahm Alfred Högg die Geschäftsleitung, die er 11 Jahre später an seinen Sohn Ivo übergab. Seither führt der 49-Jährige das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder, der die Informatik verantwortet. Das dritte Unternehmen, das zur Högg-Firmengruppe gehört, ist die Simplify Engineering AG. Sie ist 2012 aus dem Liftsystem-Betrieb entwachsen und zu einem unabhängigen Systemlieferanten geworden. Die Simplify Engineering AG hat sich darauf spezialisiert, Lösungen für die Beförderung von Menschen und Gütern zu finden. Das Team begleitet Projekte von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zur Inbetriebnahme vor Ort. Kunden sind die SBB, Stadler Rail oder Alstom Transportation.

Das neueste Produkt ist ein automatischer Rollstuhllift für den Zug. Dieser ermöglicht Personen mit eingeschränkter Mobilität das Ein- und Aussteigen an Bahnhöfen mit unterschiedlichen Bahnsteighöhen. Der Hublift ist im Innern des Zuges installiert, kann per Knopfdruck bedient werden und ist somit immer einsatzbereit. Ein ähnlicher Hublift der Simplify Engineering AG ist im kanadischen Rocky-Mountaineer-Zug zu finden.

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Grosses Thema Nachhaltigkeit

Als Familienbetrieb mit langjähriger Tradition weiss die Högg-Gruppe, was es heisst, für künftige Generationen zu planen. Die Firmengebäude werden deshalb zu 100 Prozent mit Grundwasser gekühlt und geheizt. Zudem wird ausschliesslich Wasserkraftstrom bezogen, und auf dem Dach der Produktionshalle befindet sich eine Photovoltaikanlage. «Die Solaranlage könnte 270 Haushalte mit Energie versorgen», sagt der Gruppen-CEO.

«Um bestmögliche Fertigungsprozesse anbieten zu können, investieren wir laufend in unseren Maschinenpark.»

Zum Thema Nachhaltigkeit gehört auch das Bekenntnis zum Produktionsstandort Wattwil und zum Wirtschaftsraum Ostschweiz, zu dem gemäss Ivo Högg eine Vielzahl an innovativen, exportorientierten KMU-Unternehmen sowie eine immer noch starke produzierende Industrie gehören. «Teile und Maschinen kann man irgendwo auf der Welt kaufen», sagt er. «Aber wir sind hier verwurzelt, unsere Mitarbeiter und das ganze Wissen sind hier, und das zählt.»

Text: Marion Loher

Bild: Thomas Hary

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