Mit Know-how und Innovation in die Welt hinaus

Mit Know-how und Innovation in die Welt hinaus
Reto Löhrer
Lesezeit: 4 Minuten

Das Thurgauer Familienunternehmen Kompaflex AG stellt Kompensatoren her, die exakt auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Damit hat sich die Kompaflex AG weltweit einen Namen gemacht und ist bei internationalen Projekten mit an Bord.

An der Wand im Sitzungszimmer der Kompaflex AG hängt ein Bild. Es zeigt Werner Löhrer mit seinen drei Söhnen Reto, Jens und Ralf. Bekommen haben sie es von ihren Mitarbeitern, als das Unternehmen 2021 sein 40-jähriges Bestehen feierte. Das Bild steht für das, was die Kompaflex AG ist: ein klassisches Familienunternehmen. Eines, das sich weltweit einen Namen gemacht hat mit der Herstellung von massgeschneiderten Metallkompensatoren. Damit werden Längenausdehnungen beispielsweise durch Temperaturschwankungen bei Rohren in Dampfleitungen, Vakuumpumpen oder Fusionsreaktoren ausgeglichen.

Geführt wird die Firma von der zweiten Generation, nachdem sich der Vater und Firmengründer Werner Löhrer vor drei Jahren aus der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat zurückgezogen hat. «Für mich und meine beiden Brüder war es nie ein Muss, in die Firma einzusteigen», sagt CEO Reto Löhrer, der seit 15 Jahren im Unternehmen tätig ist. Umso schöner sei es, dass sich alle drei mit dem Betrieb identifizierten und sie ihn als Familie weiterführen könnten.

«Wir haben sozusagen den Nicht-Standard standardisiert.»

Jedes Produkt eine Spezialanfertigung

Was vor vier Jahrzehnten in einer Garage mit drei Mitarbeitern seinen Anfang nahm, ist mittlerweile zu einem KMU mit 95 Angestellten und zwei Produktionsstandorten angewachsen. Der Hauptsitz befindet sich in Egnach, an der Strasse zwischen Steinebrunn und Amriswil, die zweite Produktionshalle steht in Tschechien, wo etwa ein Drittel der Mitarbeiter beschäftigt ist.

An beiden Standorten werden mehrschichtige Spezialkompensatoren für die unterschiedlichsten Anwendungen in der Industrie entwickelt, gebaut und geschweisst. Einige Exemplare sind im Sitzungszimmer, wo Kunden aus der ganzen Welt empfangen werden, ausgestellt: grosse und kleine Kompensatoren, längere und kürzere, runde, ovale und rechteckige. Der CEO nimmt ein Teil in die Hand und zeigt, wie es sich ziehharmonikamässig zusammendrücken und wieder auseinanderziehen lässt. Die Firma Siemens Energy beispielsweise habe Kompensatoren mit einem Durchmesser von über vier Metern direkt nach der Gasturbine im Einsatz, um die Bewegungen im System zu kompensieren, erzählt er. «Unsere innovative Produktion und unser technisches Know-how erlauben uns, Kompensatoren aller Grössen und Formen zu fertigen.»

Jedes Produkt wird von Grund auf neu berechnet und mit den eigens dafür entwickelten Maschinen produziert. Damit können die Kompensatoren exakt auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt werden. Standardlösungen und Massenanfertigungen gibt es beim Familienunternehmen nicht. «Wir haben sozusagen den Nicht-Standard standardisiert», sagt Reto Löhrer. Dadurch seien weltweit einzigartige Innovationen wie der mehrschichtige Rechteckkompensator, der mehrschichtige konische Kompensator oder der Hochdruckkompensator entstanden.

  

Bei grossem EU-Projekt dabei

Die Kompaflex AG ist ein Hidden Champion, ein Unternehmen also, das in der breiten Öffentlichkeit zwar wenig bekannt, aber in seiner Branche Marktführer ist. «Kürzlich hat mir ein Bekannter gesagt, dass er oft bei uns vorbeifahre, aber nicht wisse, was wir eigentlich machten», erzählt der CEO und schmunzelt. Solche Aussagen hört der 42-Jährige regelmässig. Das hat vor allem damit zu tun, dass das Unternehmen zu 80 Prozent im Export tätig ist, und dies meistens in Spezialgebieten, von denen die breite Bevölkerung kaum etwas mitbekommt. Die Kunden kommen aus den verschiedensten Industrien wie der Stahlwerk-, der Pharma-, der Schiff- oder der Wärme- und Kältetechnikindustrie. Aber auch die Wissenschaft wie etwa der Teilchenbeschleuniger Cern greift für seine Vakuumanlagen auf Kompensatoren der Thurgauer Firma zurück.

Eine bedeutende Rolle spielen Kompensatoren in der Kernfusion. So macht die Kompaflex AG bei verschiedenen Kernfusionsprojekten weltweit mit. Eines davon ist der International Thermonuclear Experimental Reactor, kurz Iter, in Südfrankreich. Seit 2007 wird am Reaktor im Kernforschungszentrum Cadarache gebaut, 2025 soll er fertiggestellt sein.

 

«Alles, was technisch zusammenpassen soll, muss genormt sein.»

Am 24-Milliarden-Projekt der EU sind über 30 Länder beteiligt, die Schweiz aufgrund des gescheiterten Rahmenabkommens mit der EU mittlerweile nicht mehr. Trotzdem ist die Kompaflex AG weiterhin an Bord. «Das ist nicht selbstverständlich und nur möglich, weil wir bereits seit zwölf Jahren dabei sind und man unsere Arbeit kennt und schätzt», sagt Reto Löhrer.

Der CEO betont denn auch, wie wichtig das Rahmenabkommen für die Schweiz ist – nicht nur für die Forschung, sondern auch für den Werkplatz. «Alles, was technisch zusammenpassen soll, muss genormt sein. Diese Normen sind in den Verträgen mit der EU festgelegt. Laufen diese aus, weil die Schweiz nicht mehr dabei ist, können wir keine Komponenten mehr für Maschinen und Apparate von Unternehmen in der EU herstellen. Das hätte gravierende Folgen für uns.» Zudem würde ein fehlendes Abkommen den Fachkräftemangel noch verschärfen. «Schon jetzt sind wir stark auf Mitarbeiter aus dem Ausland angewiesen», sagt Löhrer.

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Am Standort Egnach festhalten

Obwohl die Kompensatoren der Kompaflex AG in Dampfturbinen, auf Schiffen, in Reaktoren und vielen anderen Anlagen auf der ganzen Welt zu finden sind, ist und bleibt Egnach ihre Heimat. «Wir haben hier alles, was wir brauchen: Eine funktionierende Infrastruktur, das Know-how der Angestellten und einen starken Wirtschaftsraum», sagt Reto Löhrer. Eine der grossen Stärken der Kompaflex AG ist ihre Spezialisierung auf anspruchsvolle Anwendungen. «Wir sind zudem sehr flexibel und können schnell reagieren, wenn es die Situation erfordert, und gleichzeitig höchste Qualität liefern.»

So war es beispielsweise auch bei der Ems Chemie: Dort traten plötzlich Probleme mit den Dampfleitungen auf, und das Unternehmen aus dem Thurgau konnte innerhalb einer Woche die hierfür nötigen Kompensatoren fertigen und ins Bündnerland liefern.

Text: Marion Loher

Bild: Thomas Hary

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