Warum KMU-CEOs zu lange warten
Text: Paul Beerli, Verwaltungsrat, Beerligroup AG
Viele Unternehmen retten sich mit Kurzarbeit über die Runden. Das lindert den Schmerz, heilt aber keine strukturellen Defekte. Im ersten Halbjahr gingen bereits mehrere Tausend Stellen verloren – Tendenz steigend. Trotzdem scheuen viele CEOs den harten Schnitt. Man möchte niemanden verunsichern, keine Panik erzeugen.
Doch die Wahrheit ist: Wer den Schmerz hinauszögert, vergrössert ihn. Das Prinzip ist simpel – und brutal ehrlich: Schneide früh, schneide tief, aber einmal. Restrukturierungen, Standortverlagerungen, Kostendisziplin, Innovationsdruck – unangenehm, aber alternativlos. Schweizer Firmen, vor allem KMU, tun sich schwer damit. Zu bequem ist das Polster vergangener Jahre, zu träge die Entscheidungsprozesse. «Wir warten mal ab» klingt vernünftig – bis der Wettbewerb vorbeizieht.
Innovationspipeline: meist leer
Viele KMU haben keine prall gefüllte Innovationspipeline. Und statt neue Märkte oder Geschäftsmodelle zu testen, werden Altlasten verwaltet. Der Reflex, auf Kurzarbeit, Reserven oder den nächsten Konjunkturzyklus zu hoffen, sitzt tief. Doch die Welt dreht sich schneller: kürzere Produktzyklen, neue Wettbewerber aus Asien, geopolitische Spannungen, steigende Finanzierungskosten. In dieser Dynamik gilt: Nicht der Grösste überlebt, sondern der Schnellste.
In Krisen zeigt sich, wer führt – und wer verwaltet. Zwei Führungsstile prallen aufeinander:
• Die einen entscheiden zügig, setzen um, tragen Verantwortung.
• Die anderen starten Umfragen, Workshops und Projektteams – und verlieren wertvolle Zeit.
Viele Führungskräfte hierzulande verwechseln Konsens mit Führung. Doch Turnaround heisst nicht, alle mitzunehmen – sondern das Unternehmen zu retten.
Die wahren Kosten des Zögerns
Natürlich kostet ein Change-Prozess: Beraterhonorare, Reorganisation, Produktivitätsverlust, Reibungsverluste. Doch teurer ist das Gegenteil – das Nichtstun. Die Kosten des Stillstands tauchen in keiner Bilanz auf: verlorene Marktanteile, demotivierte Mitarbeiter, Innovationslücken. Wer zu spät restrukturiert, zahlt doppelt – in Geld und Glaubwürdigkeit. Ein CFO sagte kürzlich trocken: «Wir haben den Change zu spät gestartet. Jetzt bezahlen wir Zinsen auf unser Zögern.»
Die Schweiz war jahrzehntelang ein Hort der Stabilität – wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich. Doch in Zeiten von «Stapelkrisen» – Pandemie, Lieferketten, Zölle, Energiepreise – ist Stabilität keine Garantie mehr, sondern ein Risiko. Viele Verwaltungsräte unterschätzen, dass Prävention schwerer zu führen ist als Reaktion. Wenn es dem Unternehmen vermeintlich gut geht, versteht kaum jemand, warum man umbauen soll. Doch genau dann braucht es die besten Führungskräfte – jene, die handeln, bevor die Zahlen kippen.
«Take the pain early» ist kein Schlagwort aus der Managementschule – es ist eine Überlebensstrategie. Wer jetzt restrukturiert, Prozesse verschlankt, Innovation beschleunigt und neue Märkte erschliesst, hat eine Chance. Wer abwartet, wird von der nächsten Krise überrollt.